Pharmaspektrum

Firmenübernahmen: Pharma-Karussell

FRANKFURT (tmb). Innerhalb weniger Tage sind aus einer ganzen Reihe teilweise schon monatelang schwelender Übernahme- und Verkaufsgerüchte in der Pharmaindustrie vertragsreife Projekte geworden: Die Darmstädter Merck kauft Serono, Altana verkauft seine Pharmasparte an die dänische Nycomed und die belgische UCB kauft Schwarz Pharma. Im internationalen Generikamarkt wird die australische Mayne Pharma von Hospira übernommen, und Barr dürfte als letzter Bieter den Zuschlag bei der kroatischen Pliva erhalten.

Am 21. September wurden die Deals von Merck und Altana bekannt. Die Darmstädter Merck KGaA übernimmt für etwa 10,6 Milliarden Euro die Mehrheit beim größten europäischen Biotechnologie-Unternehmen, der schweizerischen Serono, über dessen Zukunft schon seit Monaten immer wieder neue Gerüchte kursierten. Von der Eigentümerfamilie Bartarelli wird Merck 64,5 Prozent des Kapitals und 75,5 Prozent der Stimmrechte erhalten. Den übrigen Aktionären wird Merck ein Angebot von 1100 Schweizer Franken pro Aktie machen, was einem Aufschlag von etwa 20 Prozent auf den Kurs des Tages vor der Übernahmemeldung entspricht. Es wird über Pläne für eine mögliche Kapitalerhöhung von bis zu 2,5 Milliarden Euro zur Finanzierung berichtet.

Die Übernahme von Serono durch Merck kann indirekt als Konsequenz aus dem Scheitern des Übernahmeversuchs bei Schering betrachtet werden. Offensichtlich ist das Geschäft mehr auf den Größenzuwachs und weniger auf die Realisierung von Synergien ausgerichtet. Mit Merck und Serono kommen zwei Unternehmen zusammen, denen bisher die im internationalen Geschäft übliche kritische Größe gefehlt hat und die stark vom Erfolg relativ weniger Arzneimittel abhingen. So erzielt Serono fast die Hälfte seines Umsatzes mit Rebif® gegen Multiple Sklerose. Die Zentrale der neuen Merck Serono Biopharmaceuticals wird am alten Serono-Standort Genf eingerichtet, doch soll dies keine Bedingung für die Transaktion gewesen sein. Mit der Übernahme steigt Merck zum drittgrößten deutschen Pharmaunternehmen auf und könnte künftig den im DAX wahrscheinlich frei werdenden Platz von Altana übernehmen.

Altana künftig ohne Pharma Denn der Altana-Konzern wird durch den Verkauf seiner größeren Pharmasparte auf die kleinere Spezialchemiesparte reduziert. Allein das wichtigste Altana-Produkt Pantoprazol sorgte für mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes. Der enorme Erfolg dieses Arzneimittels dürfte auch zum Hauptproblem für Altana geworden sein, weil ein ähnlich aussichtsreicher Nachfolger für die Zeit nach dem Patentablauf bisher nicht in Sicht ist. Der Börsenwert der Chemiesparte wird mit maximal 2 Milliarden Euro beziffert, was für einen Verbleib im DAX nicht ausreichen dürfte. Eine grundsätzliche Neuorientierung für die Pharmasparte war bereits vor Monaten angekündigt worden, ein Verkauf war erwartet worden, aber die Entscheidung für den Käufer Nycomed kann als Überraschung gewertet werden. Denn Altana-Chef Nikolaus Scheickart hatte zunächst nicht an einen Finanzinvestor verkaufen wollen, die dänische Nycomed ist aber nicht börsennotiert, sondern gehört mehrheitlich den Finanzinvestoren Nordic Capital, Blackstone und Credit Suisse First Boston Private Equity. Als Verkaufserlös für die Altana-Pharmasparte war zuvor auf bis zu 6 Milliarden Euro spekuliert worden, nun soll der Erlös etwa 4,5 Milliarden Euro betragen. Der Nettoerlös soll an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Erstaunlich sind auch die Größenverhältnisse bei diesem Geschäft, denn der Käufer Nycomed hat nur ein Umsatzvolumen von etwas mehr als einem Viertel der nun erworbenen Pharmasparte von Altana. Der Verkauf soll von einer außerordentlichen Altana-Hauptversammlung im Dezember beschlossen werden, so dass der wirtschaftliche Übergang zum Jahreswechsel erfolgen könnte.

Schwarz Pharma verkauft Eine weitere Übernahme unter deutscher Beteiligung wurde am 25. September gemeldet. Die belgische UCB kauft für etwa 4,4 Milliarden Euro in bar und eigenen Aktien die Monheimer Schwarz Pharma. Pro Aktie sollen 50 Euro zuzüglich 0,8735 UCB-Aktien gezahlt werden, was bei Bekanntgabe der Übernahme einem Wert von etwa 91,10 Euro pro Aktie entsprach. Die Familie Schwarz-Schütte, der bisher etwa 60 Prozent von Schwarz Pharma gehören, hat sich zur Annahme des Angebots verpflichtet und wird bis 2010 mindestens 41,5 Prozent der bei dieser Transaktion erhaltenen UCB-Aktien behalten. UCB selbst ist zu etwa 42 Prozent im Besitz des belgischen Finanzinvestors Financiere de Tubize. Gemeinsam stehen die beiden Unternehmen für einen Jahresumsatz von etwa 3,3 Milliarden Euro, davon 900 Millionen Euro von Schwarz Pharma. Von der Übernahme versprechen sich die Belgier Synergien von 300 Millionen Euro innerhalb von drei Jahren. Die ursprünglich als Generikahersteller ausgerichtete Schwarz Pharma hatte sich zunehmend zum forschenden Unternehmen gewandelt. Die dadurch bedingten Investitionen hatten Schwarz Pharma zeitweilig in die Verlustzone geführt, wegen seiner guten Pipeline wurde das Unternehmen an der Börse aber vergleichsweise hoch bewertet. Im laufenden Geschäftsjahr soll wieder ein Gewinn erzielt werden, doch für ein eigenständiges forschendes Unternehmen galt Schwarz Pharma im internationalen Vergleich als sehr klein.

Amerikaner im Generikamarkt Neben diesen Übernahmen bei forschenden Pharmaunternehmen sind auch wieder Neuigkeiten vom internationalen Generikamarkt zu verzeichnen. Angesichts der weltweit zunehmenden Bemühungen um Einsparungen im Gesundheitswesen geraten diese lange Zeit eher national ausgerichteten Unternehmen zunehmend in das Blickfeld der internationalen Kapitalmärkte. Am 21. September wurde ein für die Generikabranche verhältnismäßig großes Geschäft mit einem Volumen von 2,6 Milliarden australischen Dollar (etwa 1,55 Milliarden Euro) bekannt gegeben. Für diesen Betrag übernimmt die amerikanische Hospira die auch in Deutschland tätige australische Mayne Pharma. Wie das Handelsblatt berichtete, ist Mayne Pharma in Europa und Australien Marktführer für injizierbare generische Arzneimittel in der Onkologie. Mit der Übernahme werde Hospira zum Weltmarktführer für injizierbare Generika. Dies unterstreicht die zunehmende Bedeutung der lange Zeit auf ihren Heimatmarkt konzentrierten US-amerikanischen Generikahersteller.

Barr, ein weiteres US-Unternehmen, ist sogar auf dem besten Weg, die weltweite Nummer drei der Generikaproduzenten hinter Teva und Novartis zu werden. Dies könnte Barr durch die Übernahme der kroatischen Pliva erreichen. Bereits seit Monaten liefern sich Barr und die isländische Actavis einen Bieterstreit um Pliva, doch hatte Actavis am 18. September angekündigt, das bestehende Angebot nicht weiter zu erhöhen. Damit dürfte der Weg für Barr frei sein, das bereits intensiv mit Pliva kooperiert und als Wunschkäufer der Kroaten gilt. Mit diesem Geschäft in einem Volumen von etwa 2,5 Milliarden US-Dollar würde erstmals ein US-Unternehmen maßgeblich in den europäischen Generikamarkt einsteigen. Dahinter steckt offensichtlich eine reine Expansionsstrategie, weil aus geographischen Gründen keine Synergien zu erwarten sind.

Alte und neue Spekulation Dementsprechend nehmen auch die Spekulationen über mögliche Transaktionen in Westeuropa zu und trieben insbesondere den Aktienkurs von Stada in die Höhe. Das Unternehmen wurde bei solchen Übernahmewellen schon oft als mögliches Ziel genannt, zumal sein gesamtes Aktienkapital an der Börse gehandelt wird. Das Stada-Management betont dagegen stets den eigenen Expansionskurs. Auch angesichts der mittlerweile erreichten erheblichen Größe der Stada erscheint es plausibler, dass das Unternehmen selbst weiter zukauft als von einem anderen Generikahersteller gekauft zu werden.

Innerhalb weniger Tage sind aus einer ganzen Reihe teilweise schon monatelang schwelender Übernahme- und Verkaufsgerüchte in der Pharmaindustrie vertragsreife Projekte geworden: Die Darmstädter Merck kauft Serono, Altana verkauft seine Pharmasparte an die dänische Nycomed und die belgische UCB kauft Schwarz Pharma.

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