- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 45/2006
- Purinnucleosid-...
Arzneimittel und Therapie
Purinnucleosid-Antimetabolit: Clofarabin zur Behandlung der Leukämie bei Kinder
Clofarabin ist zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen (1 bis 21 Jahre) zugelassen die nach mindestens zwei Vorbehandlungen ein Rezidiv erleiden oder refraktär sind, und wenn erwartet wird, dass keine andere Behandlung zu einem dauerhaften Ansprechen führt.
In einer Phase-II-Studie hat sich Clofarabin auch in der Therapie von Kindern mit rezidivierter oder refraktärer akuter myeloischer Leukämie als wirksam erwiesen. Die Substanz wird derzeit zur Behandlung weiterer hämatologischer Krebsarten und fester Tumoren klinisch entwickelt. Noch im präklinischen Stadium sind Studien zum Einsatz von Clofarabin zur Behandlung der Psoriasis und von Autoimmunkrankheiten.
Clofarabin hat in den USA und Europa den Status des Orphan drug (Medikament für seltene Krankheiten) sowohl zur Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) als auch der akuten myeloischen Leukämie (AML) zugesprochen bekommen. In Europa garantiert dies eine zehnjährige Marktexklusivität nach der Marktzulassung.
Bessere Chancen mit Clofarabin Wenn die First-line-Behandlung bei Kindern mit Leukämie nicht erfolgreich ist, wird es schwierig. Sprechen Patienten mit mehrfach rezidivierender oder refraktärer Leukämie auf die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten nicht oder kaum an, überleben sie durchschnittlich nur ungefähr neun bis zehn Wochen.
Hier soll das neue Purinnucleosid-Analogon Clofarabin verbesserte Möglichkeiten bringen. In Europa ist es genau für diese Patienten zugelassen, nämlich für die "Behandlung pädiatrischer Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL), die einen Rückfall erlitten oder mindestens auf zwei vorhergehende Behandlungsmethoden nicht ansprachen und bei denen keine andere Behandlungsmöglichkeit einen dauerhaften Erfolg verspricht".
Die Verträglichkeit und Wirksamkeit wurde in Studien mit Patienten untersucht, die bei der Erstdiagnose höchstens 21 Jahre alt waren. Hier zeigte sich, dass Clofarabin auch bei schwer zu behandelnden Patienten zu signifikanten Ansprechraten führt. Dadurch eröffnet sich diesen Patienten die Möglichkeit einer Stammzellentransplantation, die im Weiteren die besten Langzeit–überlebenschancen bietet.
Wirkungsmechanismus Clofarabin wirkt ähnlich wie Fludarabin und Cladribin an den Tumorzellen, indem es die DNA schädigt, Reperaturmechanismen der Zelle verhindert und die Apoptose initiiert. Seine antitumorigene Aktivität basiert wahrscheinlich auf drei Mechanismen. Clofarabin hemmt die DNA-Polymerase, was zu einer Beendigung der DNA-Ketten-Verlängerung und/oder der DNA-Synthese oder Reparatur führt. Außerdem hemmt die Substanz die Ribonucleotid-Reduktase, wodurch der zelluläre Desoxy_nucleotid-Triphosphat-(dNTP) Pool reduziert wird. Darüber hinaus werden Cytochrom C und andere proapoptotische Faktoren freigesetzt, die selbst in sich nicht teilenden Lymphozyten zum programmierten Zelltod führen.
Clofarabin muss zunächst in die Zielzellen diffundieren oder transportiert werden, wo es nacheinander von den intrazellulären Kinasen zu Mono- und Biphosphat und schließlich zum aktiven Konjugat Clofarabin-5'-Triphosphat phosphoryliert wird. Clofarabin hat eine höhere Affinität zu einem der aktivierenden phosphorylierenden Enzyme, der Desoxycytidin-Kinase, als das natürliche Substrat Desoxycytidin.
Clofarabin ist resistenter gegen seinen zellulären Abbau durch Adenosin-Deaminase und weniger empfindlich für die phosphorolytische Spaltung als andere aktive Substanzen seiner Klasse. Im Gegensatz dazu ist die Affinität von Clofarabin-Triphosphat zu DNA-Polymerase- und Ribonucleotid-Reduktase ähnlich groß oder größer als die von Desoxyadenosin-Triphosphat.
In vitro hemmt Clofarabin das Zellwachstum in einer Vielzahl von schnell wachsenden häm–atologischen und soliden Tumorzell-Linien und ist für diese zytotoxisch. Außerdem war es gegen Lymphozyten und Makrophagen aktiv. Darüber hinaus verzögerte Clofarabin das Tumorwachstum und verursachte in einigen Fällen eine Tumorregression in einer Mischung von humanen und murinen Tumor-Xenotransplantaten, die Mäusen implantiert worden waren.
Fünf Tage als intravenöse Infusion Die empfohlene Dosis beträgt 52 mg/m2 Körperoberfläche. Sie wird als intravenöse Infusion über zwei Stunden täglich an fünf aufeinander folgenden Tagen verabreicht. Nach der Wiederherstellung der normalen Hämatopoese und der Rückkehr zur Ausgangs-Organfunktion sollten die Behandlungszyklen alle zwei bis sechs Wochen wiederholt werden (vom ersten Tag des vorigen Zyklus an gerechnet). Bei Patienten mit erheblicher Toxizität kann eine 25%ige Dosisreduktion gerechtfertigt sein. Die Mehrzahl der auf Clofarabin ansprechenden Patienten erreicht ein Ansprechen nach ein oder zwei Behandlungszyklen.
Ausscheidung über die Nieren Clofarabin wird durch eine Kombination von renaler und nicht-renaler Exkretion ausgeschieden. Nach 24 Stunden werden etwa 60% der Dosis unverändert im Urin ausgeschieden. Die Halbwertzeit von Clofarabin beträgt 5,2 Stunden, die von Clofarabin-Triphosphat mehr als 24 Stunden.
Nicht anwenden bei Niereninsuffizienz Da Clofarabin überwiegend über die Nieren ausgeschieden wird, ist es bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz kontraindiziert. Bei Patienten mit leichter bis mäßig schwerer Niereninsuffizienz sollte es mit Vorsicht angewendet werden. Begrenzte Daten weisen darauf hin, dass Clofarabin bei Patienten mit verminderter Kreatinin-Clearance akkumulieren könnte.
Die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die mit renaler Toxizität in Verbindung gebracht werden, sowie von Arzneimitteln, die durch tubuläre Sekretion ausgeschieden werden, sollte insbesondere während des fünftägigen Clofarabin-Verabreichungszeitraums vermieden werden.
Clofarabin wird nicht nachweisbar durch das Cytochrom-P450- (CYP-) Enzymsystem metabolisiert. Daher sind Wechselwirkungen mit Wirkstoffen, die Cytochrom-P450-Enzyme hemmen oder aktivieren, unwahrscheinlich. Auch wird nicht erwartet, dass Clofarabin den Metabolismus von Wirkstoffen beeinflusst, die bekannte Substrate für CYP450-Enzyme sind. Erfahrungen mit Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion liegen nicht vor. Da die Leber ein potenzielles Zielorgan für Toxizität ist, ist Clofarabin bei Patienten mit stark eingeschränkter Leberfunktion kontraindiziert. Bei Patienten mit leichter bis mäßig starker Leberfunktionsstörung sollte es mit Vorsicht angewendet werden. Außerdem sollte die begleitende Anwendung von Arzneimitteln, die mit hepatischer Toxizität in Verbindung gebracht werden, so weit wie möglich vermieden werden.
Gute Wirkung in klinischen Studien In einer offenen, nicht vergleichenden Dosis-Eskalationsstudie der Phase I wurden 25 pädiatrische Patienten mit rezidivierender oder refraktärer Leuk–ämie (17 ALL, 8 AML) untersucht, bei denen die Standardtherapie erfolglos geblieben war oder für die keine andere Therapie existierte. Die Dosierung begann bei 11,25 mit einer Eskalation auf 15, 30, 40, 52 und 70 mg/m2 und Tag als intravenöse Infusion an fünf Tagen alle zwei bis sechs Wochen, abhängig von Toxizität und Ansprechen. 13 dieser Patienten (9 ALL, 4 AML) wurden nach dem Clofarabin-Dosierungsschema 52 mg/m2 und Tag behandelt. Von den 17 ALL-Patienten erreichten vier eine vollständige Remission (24%) und einer eine partielle Remission (6%) bei variierenden Dosierungen.
Um die Gesamtremissionsrate bei stark vorbehandelten Patienten (≤ 21 Jahre bei Erstdia–gnose) mit rezidivierender oder refraktärer ALL zu bestimmen, wurde eine multizentrische, offene, nicht vergleichende Studie der Phase II mit Clofarabin durchgeführt. Die maximal verträgliche Dosis von 52 mg/m2 und Tag Clofarabin wurde alle zwei bis sechs Wochen als intravenöse Infusion an fünf aufeinander folgenden Tagen verabreicht. Clofarabin führte zu einer dramatischen und schnellen Reduktion der peripheren Leukämiezellen bei 31 der 33 Patienten (94%), die einen messbaren absoluten Ausgangswert der Blastenanzahl hatten. Die zwölf Patienten, die eine Gesamtremission erreichten (VR + VRp), hatten eine mitt–lere Überlebenszeit von 66,6 Wochen, im Vergleich zu nur 7,6 Wochen bei nicht ansprechenden Patienten.
Die wichtigsten durch Clofarabin bedingten unerwünschten Ereignisse waren Übelkeit, Erbrechen, hämatologische Toxizität, febrile Neutropenie, hepatobiliäre Toxizität, Infektionen und Nierentoxizität.
Nicht während Schwangerschaft und Stillzeit Clofarabin kann schwerwiegende Schädigungen des Ungeborenen verursachen, wenn es während der Schwangerschaft angewendet wird. Daher darf es nicht während der Schwangerschaft verwendet werden – insbesondere nicht in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten – es sei denn, dies ist eindeutig erforderlich (das heißt, wenn der potenzielle Vorteil für die Mutter das Risiko für den Fetus überwiegt). Wenn eine Patientin während der Behandlung mit Clofarabin schwanger wird, muss sie über die möglichen Gefahren für den Fetus informiert werden.
Es ist nicht bekannt, ob Clofarabin oder seine Metaboliten in die Muttermilch ausgeschieden werden. Wegen der Möglichkeit von schweren Nebenwirkungen für gestillte Säuglinge darf vor, während und nach der Behandlung mit Clofarabin nicht gestillt werden. hel
Clofarabin (Evoltra®) ist ein Purinnucleosid-–Antimetabolit, der zur Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie bei pädiatrischen Patienten eingesetzt wird. Das neue Zytostatikum wirkt ähnlich wie Fludarabin und Cladribin an den Tumorzellen, indem es die DNA schädigt, Reparaturmechanismen der Zelle verhindert und die Apoptose initiiert.?
Steckbrief: Clofarabin
Handelsname:
Evoltra
Hersteller:
Bioenvision, Surrey/GB
Einführungsdatum:
15. September 2006
Zusammensetzung:
1 ml Konzentrat enthält 1 mg Clofarabin. Jede 20-ml-Durchstechflasche enthält 20 mg Clofarabin.
Sonstige Bestandteile:
Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke.
Packungsgrößen, Preise und PZN:
4 x 20 ml, PZN 5016572, nur an krankenhausversorgende Apotheken.
Stoffklasse:
Antineoplastische Mittel. ATC-Code: L01BB06.
Indikation:
Zur Behandlung von akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) bei pädiatrischen Patienten, die nach mindestens zwei Vorbehandlungen ein Rezidiv erleiden oder refraktär sind.
Dosierung:
52 mg/m2 Körperoberfläche, verabreicht als intravenöse Infusion über zwei Stunden täglich an fünf aufeinander folgenden Tagen. Nach der Wiederherstellung der normalen Hämatopoese und der Rückkehr zur Ausgangs-Organfunktion sollten die Behandlungszyklen alle zwei bis sechs Wochen wiederholt werden (vom ersten Tag des vorigen Zyklus an gerechnet). Eine 25%ige Dosisreduktion kann bei Patienten mit erheblicher Toxizität gerechtfertigt sein.
Gegenanzeigen:
Überempfindlichkeit gegen Clofarabin oder einen der sonstigen Bestandteile, schwere Niereninsuffizienz oder stark eingeschränkte Leberfunktion; vor, während und nach der Behandlung mit Clofarabin darf nicht gestillt werden. Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, febrile Neutropenie, Kopfschmerzen, Pyrexie, Pruritus, Dermatitis.
Wechselwirkungen:
Die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die mit renaler Toxizität in Verbindung gebracht werden, sowie von Arzneimitteln, die durch tubuläre Sekretion ausgeschieden werden, sollte insbesondere während des fünftägigen Clofarabin-Verabreichungszeitraums vermieden werden. Außerdem sollte die begleitende Anwendung von Arzneimitteln, die mit hepatischer Toxizität in Verbindung gebracht werden, so weit wie möglich vermieden werden. Patienten, die Arzneimittel einnehmen, die bekanntermaßen den Blutdruck oder die kardiale Funktion beeinflussen, sollten während der Behandlung mit Clofarabin eingehend überwacht werden.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:
Bei Patienten, die sich einer Behandlung mit Clofarabin unterziehen, müssen Blutbild, Leber- und Nierenfunktion sowie respiratorischer Status eingehend überwacht werden. Mit Clofarabin behandelte Patienten müssen auf Anzeichen und Symptome von Tumorlyse-Syndrom und Zytokinfreisetzung beurteilt und überwacht werden. Patienten, die unter Herzerkrankungen leiden, sollten während der Behandlung mit Clofarabin eingehend überwacht werden. Während der Behandlung können möglicherweise unerwünschte Nebenwirkungen wie Schwindel, Benommenheit oder Ohnmacht auftreten.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.