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Arzneimittelsicherheit: Interaktionen erkennen und vermeiden

Mit dem Erkennen und Vermeiden von Arzneimittelinteraktionen können Apotheker einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leisten. In der täglichen Praxis ist es jedoch nicht leicht oder gar unmöglich, die Vielzahl der inzwischen bekann–ten Interaktionen ständig parat zu haben. Darüber hinaus fällt es oft schwer im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Kombination von Arzneistoffen mit Interaktionspotenzial auch tatsächlich eine klinische Relevanz besitzt.

Werden mindestens zwei Arzneimittel gleichzeitig eingenommen, kann es zur gegenseitigen Beeinflussung der Wirkung kommen, wobei physikochemische (pharmazeutische), pharmako–kinetische und pharmakodynamische Interaktionen unterschieden werden. Die Interaktionen können entweder zu einer Wirkungsabschwächung bis hin zur Wirkungslosigkeit der Therapie oder zu einer Wirkungsverstärkung bis hin zur Intoxikation führen.

Pharmakokinetische Wechselwirkungen Pharmakokinetische Interaktionen sind solche Wechselwirkun–gen, die während der Resorption, Verteilung, Metabolisierung oder Elimination von Arzneistoffen auftreten. Interaktionen auf der Ebene der

  • Arzneistoffresorption (verursacht z. B. durch pH-Wert- oder Motilitätsveränderungen im Gastrointestinaltrakt) und der
  • Metabolisierung (z. B. bedingt durch Induktion oder Hemmung arzneistoffmetabolisierender Enzyme) haben dabei die größte Bedeutung.

Eine Interaktion auf pharmakokinetischer Ebene, die vonseiten der Apotheke relativ einfach verhindert werden kann, ist die Wechselwirkung von Antacida mit einigen Arzneistoffen wie z. B. den Azol-Antimykotika Ketoconazol und Itraconazol. Diese Stoffe werden nur im sauren Bereich (pH < 3,5) gut resorbiert. Steigt der Magen-pH-Wert bei gleichzeitiger Gabe eines Antacidums aber an (z. B. auf pH = 6), führt dies zu einer Resorptionsverminderung, die im Falle des Ketoconazols bis zu 95% betragen kann.

Daher sollte der Apotheker bei der Abgabe eines Antacidums immer fragen, welche Arzneimittel der Patient außerdem einnimmt, und gegebenenfalls einen Einnahmeabstand von etwa zwei Stunden empfehlen.

Trizyklika und Neuroleptika nicht mit Schwarztee einnehmen Eine weitere nützliche Empfehlung ist der Hinweis, trizykli–sche Antidepressiva und Neuroleptika auf keinen Fall mit Schwarztee einzunehmen. Wegen ihres basischen Stickstoffatoms bilden diese Arzneistoffe mit Gerbstoffen vom Polyphenoltyp aus dem Schwarztee Komplexe, die im Darm nur schlecht resorbiert werden. Diese Resorptionsverminderung kann bis zu 50% betragen.

Pharmakodynamische Interaktionen Pharmakodynamische Interaktionen kommen dadurch zustande, dass sich Arzneistoffe am Wirkort gegenseitig beeinflussen. Sie können sich dabei in ihrer Wirksamkeit verstärken (Synergismus) oder abschwächen (Antagonismus). Ein sehr bekanntes und auch für die Selbstmedikation relevantes Beispiel ist Johanniskrautextrakt, ein Induktor des Arzneistofftransporters P-Glykoprotein und des arzneistoff–metabolisierenden Cytochrom-P450-Isoenzyms CYP 3A4. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Johanniskrautextrakt und Arzneistoffen, die durch CYP 3A4 metabolisiert werden (z. B. Digoxin, Theophyllin, Ciclosporin), nimmt deren Wirksamkeit ab.

Für den OTC-Bereich ebenfalls relevant ist eine potenziell erhöhte Blutungsneigung bei Phenprocoumon-Patienten, die zugleich Acetylsalicylsäure nehmen; deshalb sollte der Apotheker ihnen abraten, wenn sie nach einem Schmerzpräparat auf ASS-Basis fragen. Aus demselben Grund sollte der Apotheker antikoagulierten Patienten kein Ginkgo-Präparat empfehlen, erläuterte Apotheker Dr. Jörg Brüggmann, Berlin. (Es gibt allerdings Studien, denen zufolge Ginkgo die Blutungsneigung nicht verstärkt. Siehe DAZ 2005 Nr. 48 Seite 43–44. Demnach hat Ginkgo sogar "die Tendenz, bei gemeinsamer Einnahme mit Acetylsalicylsäure, Phenprocoumon und anderen gerinnungshemmenden Substanzen das Blutungsrisiko etwas abzusenken.")

Präventives Handeln ist gefragt Da die klinische Relevanz von Arzneimittelinteraktionen häufig schwer zu beurteilen ist und eine "alltagstaugliche" prädiktive Diagnostik dafür gegenwärtig noch nicht zur Verfügung steht, muss präventiv gehandelt werden, betonte Brüggmann. Er berichtete, dass in der Apotheke des Unfallkrankenhauses Berlin ein Arzneimittelanamnesebogen eingesetzt wird, der dazu beitragen soll, Arzneimittelinteraktionen zu erkennen und – in Zusammenarbeit mit dem Arzt – zu verhindern. Da es unmöglich ist, die Vielzahl der inzwischen bekannten Interaktionen ständig parat zu haben, müssen Hilfsmittel wie z. B. die ABDA-Datenbank in der täglichen Praxis genutzt werden. In der öffentlichen Apotheke können Kundenkarten ein nützliches Hilfsmittel bei der Aufdeckung von Interaktionsmöglichkeiten sein.

Interaktionen oft unterschätzt In der Praxis – auch in der Verordnungspraxis von Ärzten – werden Arzneimittelinteraktionen häufig unterschätzt, erläuterte der Mediziner Dr. Dietrich von Herrath, Berlin. Es sei aber wichtig, dass bei der Diagnosestellung durch den Arzt mögliche Interaktionen genauso sorg–fältig betrachtet werden wie die jeweiligen Symptome der Erkrankung. Falls eine gleichzeitige Verordnung zweier Arzneimittel mit Interaktionspotenzial unvermeidlich ist, müsse die Dosistitration sehr vorsichtig vorgenommen werden und im Idealfall eine Bestimmung der Plasmakonzentration des Wirkstoffs erfolgen.

Literatur

Das Risiko bei Interaktionen wächst mit jedem zusätzlich eingenommenen Arzneistoff.

Bei der steigenden Anzahl an multimorbiden Patienten in einer alternden Gesellschaft ist Wachsamkeit gefragt:

  • Orientieren Sie sich mittels übersichtlicher Tabellen
  • Erkennen Sie den Handlungsbedarf anhand farbiger Markierungen
  • Schätzen Sie das Risiko ab
  • Ergreifen Sie erforderliche Maßnahmen
  • Leiten Sie den Patienten durch gezielte Informationen

Ob Sie Interaktionen vorbeugen oder bestehende Therapien prüfen: Lassen Sie Ihren Warnblinker im richtigen Moment aufleuchten!

Zieglmeier, Markus / Hein, Tanja Interaktionen für die Kitteltasche Wirkstoffbezogene Beratungsempfehlungen für die Praxis XIV, 303 S., 37 s/w Tab. Kartoniert. 22,– Euro Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2003.

ISBN 3-8047-2015-3

Dieses Buch können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse: Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart oder im Internet unter: www.dav-buchhandlung.de oder per Telefon unter: (07 11) 25 82 - 3 41 oder - 3 42

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