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Immunologie: Warum wird Hydra nicht krank?

Wasserpolypen (Hydra spp.) besitzen ein besonders leistungs–fähiges Immunsystem, mit dem sie Infektionen abwehren. Die wesentlich daran beteiligten Defensine könnten als Leitstrukturen zur Entwicklung neuartiger Antibiotika ohne Resistenzpotenzial führen.

Was alt ist, muss nicht schlecht sein. Würde uns nur der entwicklungsgeschichtlich junge, lernfähige Teil unseres Immunsystems mit seinen hochspezifischen Antikörpern gegen Infektionen schützen, könnten wir nicht lange über–leben. Mindestens zwei bis drei Tage benötigen beispielsweise B-Lymphozyten für eine adäqua–te und wirksame Immunantwort. Diese Zeitspanne würde Er–regern genügen, um sich explosionsartig in uns zu vermehren.

Entwicklungsgeschichtlich altes Abwehrsystem Während der ersten Tage einer Infektion sorgt das angeborene Immunsystem dafür, dass sich die Eindringlinge nicht allzu rasch ausbreiten. Unter anderem sorgen dabei antibakterielle Peptide für die Zerstörung von Erregern. Dieser Abwehrmechanismus ist entwicklungsgeschichtlich sehr alt und deshalb nicht nur beim Menschen, sondern z.B. auch bei Mollusken wie dem Wasserpolypen Hydra zu finden. Er lässt sich bei einfacher gebauten Organismen besser erforschen als beim Menschen selbst.

Molekulare Mechanismen der epithelialen Abwehr Betrachtet man Hydra unter dem Mikroskop, so ist ihre Oberfläche glatt und sauber, Mikroorganismen sind auf ihr praktisch nicht vorhanden. Dabei wimmelt es im wässrigen Umfeld des Polypen geradezu von pathogenen Keimen. Da er keine abweisende Hülle besitzt, übt sein Immunsystem die entscheidende Schutzfunktion aus.

Dieses Phänomen, das in ähnlicher Form auch von anderen Organismen ohne mechanische Schutzhülle bekannt ist, wird seit vier Jahren im Sonderforschungsbereich "Molekulare Mechanismen der epithelialen Abwehr" an der Universität Kiel erforscht. Prof. Dr. Thomas Bosch vom Zoologischen Institut befasst sich dabei mit Wasserpolypen und Manteltieren (Tunicata). Dabei fanden die Wissenschaftler seiner Arbeitsgruppe heraus, dass Hydra einen ganzen Cocktail verschiedener antibakterielle Peptide produziert, die zu den Defensinen gehören. Eines dieser Defensine zählt zu den wirksamsten antibakteriellen Stoffen überhaupt.

Hoffnung auf neue Antibiotika {te}Gegen die meisten der auf dem Markt befindlichen Antibiotika sind einzelne Bakterienstämme mehr oder weniger resistent. Doch bei den Defensinen von Hydra (und anderen Lebewesen) ist nicht mit einer Resistenzentwicklung zu rechnen. Diese Erkenntnis beruht darauf, dass diese Peptide nicht auf einzelne Enzyme wirken, sondern auf die gesamte Zellwand der Bakterien. Bei einem Kontakt mit der Bakterienoberfläche gelangen die Defensine aufgrund von Ladungsunterschieden in die Zellwand hinein und verbinden sich dort zu einer komplexen Struktur, die in der Mitte eine Pore aufweist. Das Bakterium wird also durchlöchert, läuft aus und stirbt ab.

Prof. Thomas Bosch hält auf Grund seiner Forschungsergebnisse die Entwicklung einer neuen Klasse von Antibiotika durchaus für möglich. Diese könnten beispielsweise als Creme oder Aerosol auf der Haut oder den Schleimhäuten Anwendung finden. Die industrielle Produktion könnte durch gentechnisch veränderte E. coli erfolgen.

Defensine

Defensine sind antimikrobiell wirksame kationische Peptide aus 25 bis 50 Aminosäuren, die drei Disulfidbrücken aufweisen.

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