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- DAZ 46/2006
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Die Seite 3
Bei Erscheinen dieser DAZ sind bereits drei Protesttage mit großer Beteiligung von Apothekerinnen, Apothekern, PTA und PKA über die Bühne gegangen. In Leipzig, München und Düsseldorf haben knapp 30.000 gegen eine Gesundheitsreform demonstriert, die alles andere als eine "Gesundheits-Reform" ist, im Gegenteil: für so manche Apotheke und für so manchen Arbeitsplatz in der Apotheke könnte sie das Aus bedeuten. Den Konkurrenzdruck und -kampf, den das Gesetzesvorhaben unter dem Deckmantel "mehr Wettbewerb" auslösen wird, werden wohl nicht alle Apotheken aushalten: weitgehender Verzicht auf Einkaufsrabatte, weitgehender Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung des Patienten. Und wenn es ganz dick kommt, dann soll später auch der Zwangsrabatt an die Kassen noch erhöht werden.
Wie kann, wie soll die Apotheke hier überleben? Einsparungen sind ihr nicht mehr möglich. Im verschreibungspflichtigen Bereich erhält sie keine Rabatte mehr bzw. muss sie größtenteils an die Kassen abführen, Gewinne können nur noch aus dem OTC- und Randsortiment, dem Handverkauf kommen. Doch auch hier beginnt bereits der Verdrängungswettbewerb und die Preiskämpfe setzen ein mit krassen Folgen. Die unausweichlichen Folgen sind Einsparungen im Personalbereich. Und dies, obwohl es nicht weniger zu tun gibt. Das wiederum hat zur Folge, dass Beratung und Betreuung auf der Strecke bleiben, der Service für Kunden und Patienten leiden muss. Pharmazeutische Betreuung, Hausapothekenkonzepte, Pseudocustomer-Aktionen, Qualitätsmanagement-Anstrengungen wird man bald vergessen können – die Apotheken können es sich nicht mehr leisten.
Und im OTC-Geschäft? Da rücken die Billigheimer-Strategien, die Discount-Apotheken, die Franchise-Modelle und die Superbillig-Versender in den Vordergrund und versuchen abzugreifen, was der Markt und die eigene Kapitaldecke hergibt. Ich kann mich noch gut an Apotheken-Zukunftsseminare Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnern. Ein Trendforscher sprach damals davon, dass es in naher Zukunft vielleicht auch mal Aldi-Apotheken, sprich Apotheken mit Niedrigst-Preisen und einfacher Ladenstruktur, ohne große Beratung, geben könnte – was seinerzeit belächelt wurde und kaum vorstellbar war. Zwanzig Jahre später stehen wir kurz davor bzw. der Anfang ist gemacht. Schon heute eröffnen Apotheken, die sich im Untertitel mit "Discount-Apotheke" schmücken und Dauerrabatte von 10 bis 30 Prozent auf das freiverkäufliche, das Nahrungsergänzungs- und das Kosmetiksortiment anbieten – so vor Kurzem zum Beispiel in Kaiserslautern. Ein aktuelles Beispiel tut sich seit wenigen Tagen in Augsburg auf. Hier verkauft ein Kollege in seiner Supermarkt-Apotheke alle OTCs 30 Prozent unter der unverbindlichen Preisempfehlung – seinen Discount-Shop hat er aus der Präsenzapotheke, die daneben liegt, ausgegliedert (siehe Seite 28).
Doch nicht genug damit, dass wir uns selbst mit Discount- und Superniedrigpreisen das Leben schwer machen. Seit letzter Woche ist es gerichtlich bestätigt, dass auch Drogeriemärkte und überhaupt alle, die eine Rezeptsammelstelle einrichten wollen, eine "Miniapotheke" sein dürfen. dm macht es vor und hat sich das Recht erkämpft, Rezeptsammel- und Arzneimittelausgabestelle für die niederländische Europa Apotheek Venlo sein zu dürfen. Schon bisher warb das Unternehmen damit, auf seiner Internetseite einen Link auf die Europa Apotheek zu haben, um seinen Kunden damit auch Arzneimittel anbieten zu können. Ein neuartiger elektronischer Servicepunkt mit Touchscreen in den Filialen will den dm-Kunden Gesundheitsberatung und Preisinfos zu den Produkten bieten.
Aus dem Urteil lässt sich nun schlussfolgern, dass ein deutsches Gericht demnach die Arzneimittelsicherheit als vernachlässigbar ansieht, dass eine persönliche Beratung bei der Aushändigung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sichtlich nicht mehr notwendig ist. Was ist dann eigentlich mit erklärungsbedürftigen Arzneimitteln (z. B. bestimmte Asthmasprays, Augentropfen, Kombipackungen – da fallen uns doch einige ein ...). Was ist, wenn versehentlich mal ein falsches Arzneimittel eingepackt wird? Wenn die dm-Verkäuferin versehentlich die verkehrte Versandtasche aushändigt?
Und das Aufrüsten geht weiter. Gerüchten zufolge sollen sich bereits Rossmann und andere Drogeriemärkte ähnliche Strategien überlegen. Die Metro-Tochter "real" soll derzeit Apotheker anlocken, eine Apotheke in ihren Supermärkten zu eröffnen. Die eigentliche Absicht liegt auf der Hand: Sollte es doch einmal zur Lockerung des Fremdbesitzverbotes kommen, dann werden diese Apotheken recht schnell in den eigenen Besitz übernommen und in eine real-Apothekenkette umfunktioniert (real gehört der Metro, an der die Familie Haniel beteiligt, die wiederum größter Aktionär der Celesio ist).
Wie lange wird es die deutsche Apotheke in der heutigen Form noch geben?
Peter Ditzel
Gegen das Apothekenvernichtungsgesetz
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