Influenza und Vogelgrippe

Influenza-Pandemie: Ein Wettlauf mit der Zeit

Seit Monaten werden die Szenarien einer drohenden Influenza-Pandemie beschworen. Die Bevölkerung reagiert verunsichert und hortet Grippemedikamente und Atemschutzmasken. Ob das im Ernstfall hilfreich ist, bleibt fraglich. Klar ist, dass zu Beginn einer Pandemie möglichst schnell genügend Medikamente und wirksame Impfstoffe für große Teile der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden müssen, um verheerende Folgen zu vermeiden. Fieberhaft wird an der Entwicklung neuer Impfstoffe gearbeitet. Man besinnt sich auf schon in Kriegszeiten angewandte Strategien zur Streckung von Medikamenten und arbeitet mit Hochdruck daran, herauszufinden, warum Pandemie-auslösende Influenzaviren so gefährlich sind. Um jedoch optimal gerüstet zu sein, benötigen die Forscher vor allem Zeit.

Sollte tatsächlich die vielbeschworene Grippepandemie, ausgelöst durch H5N1 oder ein anderes Influenzavirus, ausbrechen, dann hängt das Ausmaß der Katastrophe nicht zuletzt davon ab, wie schnell ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Während sich die in Deutschland angesiedelten Impfstoffproduktionsstätten von GlaxoSmithKline in Dresden und Chiron-Behring in Marburg auf die Entwicklung eines Prototyp-Impfstoffes zunächst noch mit Hilfe bebrüteter Hühnereier konzentrieren, gibt es aus den USA Berichte über Erfolge in der Entwicklung eines gentechnischen Impfstoffs auf Adenovirenbasis.

Fortschritte in der Impfstoffentwicklung

Die Impfstoffentwicklung in bebrüteten Hühnereiern ist kostspielig und zeitintensiv. Mit dieser Methode und mit den vorhandenen Produktionsstätten wird es kaum gelingen, in kürzester Zeit ausreichende Impfstoffmengen für weite Teile der Weltbevölkerung zu rekrutieren. Selbst wenn ein Impfstoff auf der Basis eines wie von Glaxo-SmithKline entwickelten und kurz vor der Zulassung stehenden Prototyp-Impfstoffes für H5N1 produziert werden kann, werden acht bis zwölf Wochen benötigt, um mit dem angepassten Impfstoff in die Massenproduktion gehen zu können. Bis dann beispielsweise die gesamte deutsche Bevölkerung durchgeimpft ist, werden noch einmal zwei bis drei Monate ins Land gegangen sein. Dann wird allerdings nach den bisherigen Erfahrungen die erste Pandemiewelle vorüber sein, erst die zweite Welle ließe sich mit diesem Impfstoff abwehren.

Große Hoffnungen auf eine schnellere Impfstoffentwicklung und Gewinnung ruhen daher auf der Anwendung neuer Verfahren. Einen bedeutenden Fortschritt vermeldeten Forscher aus den USA vor kurzem im Journal of Virology. Sie haben in harmlose Adenoviren das Hämagglutinin-Gen des Vogelgrippevirus A/Vietnam/1203/2004 (H5N1) ganz und in Teilen eingebaut. Die so gewonnenen verschiedenen Vakzine wurden zunächst an Mäusen getestet. Die stärkste Immunantwort in Form von Hämagglutinin-Antikörperbildung und T-Zellaktivierung wurde dabei durch die Vakzine mit dem kompletten Hämagglutinin-Gen hervorgerufen. Alle so geimpften Tiere überlebten eine nach 70 Tagen vorgenommene intranasale Vogelgrippevirus-Exposition und zeigten nur leichte Erkrankungssymptome, während alle nicht geimpften Mäuse innerhalb weniger Tage nach Infizierung starben. Ähnlich verhielt es sich bei den im Anschluss durchgeführten Versuchen bei Hühnern. Voraussetzung für den Impferfolg war eine subkutane Injektion, eine nasale Applikation konnte die Tiere nicht schützen.

Es bleibt zu klären, ob ein solcher Impfstoff auch Menschen vor H5N1 schützen kann. Generell wird davon ausgegangen, dass ein Impfstoff auf dieser Basis in kürzester Zeit in Zellkulturen produziert werden und schneller und kostengünstiger in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen kann als herkömmliche Impfstoffe. Ob allerdings Adenoviren erfolgreiche Trägerviren für einen humanen Impfstoff sein können, stellt der Marburger Virologe Hans Dieter Klenk im Gespräch mit Spiegel-online in Frage. Da Adenoviren dem Immunsystem des Menschen bekannt seien, würde möglicherweise mit ihnen keine Schutzwirkung aufzubauen sein, so dass andere Viren herangezogen werden müssten.

Seit Monaten werden die Szenarien einer drohenden Influenza-Pandemie beschworen. Die Bevölkerung ist verunsichert und hortet Grippemedikamente und Atemschutzmasken. Ob das im Ernstfall hilfreich ist, bleibt fraglich. Klar ist, dass zu Beginn einer Pandemie möglichst schnell genügend Medikamente und wirksame Impfstoffe zur Verfügung gestellt werden müssen, um verheerende Folgen zu vermeiden.

Hohe Letalität von H5N1 - was ist die Ursache? H5N1-Virusinfektionen bei Menschen sind im Vergleich zu herkömmlichen Influenza-Infektionen mit einer ungewöhnlich hohen Letalität von über 50% verbunden. Eine Erklärung könnten die Ergebnisse der Genom-Sequenzierung von 169 verschiedenen Stämmen des Vogelgrippevirus bieten, die in den USA durchgeführt wurde. Bislang nahm man an, dass für die Pathogenität der Grippeviren ausschließlich die Gene verantwortlich sind, die für die Oberflächenproteine Hämagglutinin und Neuraminidase codieren. Sie sind für das Andocken des Virus an die Wirtszelle von essenzieller Bedeutung. Bei den untersuchten Virenstämmen unterschieden sich die dafür kodierenden Gene zum Teil deutlich. Von besonderem Interesse ist aber ein weiteres Gen, das so genannte NS-Gen. Es kodiert die Eiweiße NS1 und NS2, die zur Steuerung des Viruszusammenbaus in der Wirtszelle benötigt werden, selber jedoch nicht in das Virus eingebaut werden.

Vogelgrippeviren produzieren eine Variante von NS1, die im Gegensatz zu NS1 von weniger pathogenen humanen Influenzaviren für die infizierte Zelle hoch toxisch ist. Sie könnte eine Erklärung für die hohe Pathogenität der Vogelgrippeviren sein und damit ein interessanter Angriffspunkt für neue antivirale Substanzen.

Quelle

Obenauer, J.C.; et al.: Large-Scale Sequence Analysis of Avian Influenza Isolates. Published Online, January 26, 2006. Vogelgrippe: Impfstoff im Tierversuch erfolgreich - weitere Viren sequenziert. aerzteblatt.de, 27. Januar 2006.

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