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Selbstmedikation
Ch. WeberOhrenschmerzen – in der Beratung aufh
Otalgien (Ohrenschmerzen) sind das häufigste Symptom, welches Ratsuchende mit Ohrenbeschwerden in die Apotheke führt. Zu bedenken ist, dass es sich dabei auch um ausstrahlende Schmerzen anderer Genese handeln kann, wie Zahnerkrankungen, Kiefergelenkprobleme, Trigeminusneuralgie, Nebenhöhlenentzündungen, Parotitis oder Nasopharynxkarzinom.
Der Selbstmedikation sind lediglich manche Erkrankungen des äußeren und des Mittelohrs zugänglich. Die meisten anderen Ohrerkrankungen dürfen nicht in Eigenregie behandelt werden. Insbesondere Innenohrerkrankungen wie Hörsturz, plötzliche Ohrgeräusche, die Menière-Krankheit oder Gleichgewichtsstörungen gehören – obwohl nicht schmerzhaft – immer in die Hand eines Arztes.
Therapieresistente Ohrenschmerzen ohne Erkältungszeichen sowie rezidivierende Mittelohrentzündungen bei Erwachsenen sind ebenfalls stets Grund genug, den Betroffenen zum HNO-Arzt zu schicken.
Außen- oder Mittelohrentzündung?
Bei Kindern sind Mittelohrentzündungen (Otitis media), bei Erwachsenen Entzündungen des äußeren Gehörgangs (Otitis externa) die häufigsten Ursachen einer Otalgie. Otitis media und Otitis externa lassen sich durch eine einfache Frage unterscheiden: "Verstärken sich Ihre Schmerzen beim Ziehen am Ohrläppchen oder durch Druck auf die Ohrmuschel?" Wenn ja, deutet dies auf eine Gehörgangentzündung hin. Bei einer Otitis media wirken sich mechanische Einflüsse von außen nämlich kaum aus. Außerdem empfiehlt es sich im Kundengespräch, die charakteristischen Begleiterscheinungen einer Mittelohrentzündung abzuchecken: Hat der Patient Fieber? Ist die Nasenatmung verlegt oder sind andere Erkältungssymptome vorhanden? Sind die Wangen gerötet oder hat der Betroffene das Gefühl des "verstopften Ohres", verbunden mit Schwerhörigkeit? Kinder fassen sich bei Mittelohrentzündung übrigens häufig an das betroffene Ohr ("Ohrzwang") oder verweigern das Trinken.
Im Schlepptau einer Erkältung
Einer akuten Otitis media geht meistens ein Nasen-Rachen-Infekt voraus, der auf die Tuba auditiva übergreift. Bei den Erregern handelt es sich zu 60% um Bakterien (vor allem Streptokokken und Pneumokokken) und zu 40% um Viren. Sie können über die Eustachische Röhre bis in die Paukenhöhle vordringen und dort die Mittelohrschleimhäute erfassen. Zudem behindert die entzündete, angeschwollene Tubenschleimhaut dann die Belüftung des Mittelohrs, was dort einen Schleimstau verursacht. Das Trommelfell wölbt sich nach außen, was mit starken Schmerzen einhergeht. Manchmal kommt es zur spontanen Trommelfell-Perforation, wobei das Exsudat durch den Gehörgang nach außen gelangt ("Ohrerguss"). Dies bringt dem Patienten zwar schlagartige Erleichterung, macht aber dennoch eine ärztliche Kontrolle notwendig. Normalerweise heilt ein derartiger Trommelfellriss jedoch problemlos zu.
Häufig trifft's die Kleinen
Während im Erwachsenenalter eine Otitis media recht selten ist, haben Säuglinge und Kleinkinder umso häufiger damit zu kämpfen. Ihre Ohrtrompete ist noch sehr kurz und weit gestellt bzw. der Verschlussmechanismus noch nicht ausgereift. Etwa 40% aller Kinder machen bis zu ihrem zehnten Lebensjahr mindestens eine akute Otitis media durch. Laut Statistik erkranken Kinder, die regelmäßig am Schnuller nuckeln oder oft Zigarettenrauch ausgesetzt sind, besonders häufig an Mittelohrentzündungen.
Nasentropfen helfen dem Ohr
Als unterstützende, rezeptfreie Maßnahme bei Mittelohrentzündung bieten sich vasokonstriktorische Nasentropfen an. Wichtiger Abgabehinweis dazu: Die Lösungen müssen in die Nase (!) und nicht etwa ins Ohr eingebracht werden. Vorzugsweise wendet man sie im Nasenloch auf der Seite des erkrankten Ohres an. α-Sympathomimetika wie Xylometazolin (z. B. Otriven®, Olynth®) oder Oxymetazolin (z. B. Nasivin®) lassen die Mündung der Tuba auditiva im Nasenrachenraum abschwellen. Dies erleichtert den Abfluss von Mittelohrsekret und nimmt den Druck von der Paukenhöhle. In der Folge kann sich das Trommelfell wieder entspannen und die Ohrenschmerzen lassen nach. Auch bei diesem Einsatzgebiet sollte man im Handverkauf an die begrenzte Anwendungsdauer nasaler Vasokonstriktoren von fünf bis sieben Tagen erinnern.
Weitere OTC-Maßnahmen
Um die Sekretolyse zu unterstützen, kann man Betroffenen in der Beratung außerdem NAC- oder Ambroxol-Präparate anbieten (bei gleichzeitiger Antibiotikaeinnahme gegebenenfalls zeitlichen Einnahmeabstand einhalten). Myrtol-haltige Arzneimittel (z. B. Gelomyrtol®) sowie die bei Sinusitis bewährten pflanzlichen Kombipräparate (z. B. Sinupret®) können hier ebenfalls adjuvanten Nutzen bringen.
Gegen akute Schmerzzustände oder um die Zeit bis zum Arztbesuch bzw. dem Wirkungseintritt einer Antibiose zu überbrücken, helfen oral verabreichte Analgetika wie Paracetamol, ASS, Ibuprofen. Topisch applizierte Ohrentropfen mit Analgetika oder Lokalanästhetika sind bei Mittelohrentzündung oft nicht ausreichend wirksam, da sie zwar das Trommelfell, nicht jedoch das Innere des Mittelohrs erreichen. Bei Trommelfellschäden sind Ohrentropfen sogar kontraindiziert.
Komplikationen vermeiden
Tritt trotz medikamentöser Maßnahmen nach 24 Stunden keine deutliche Besserung ein, ist der Patient an den Arzt zu verweisen. Denn um Komplikationen einer akuten Mittelohrentzündung wie z. B. das Übergreifen auf die Hirnhäute oder auf knöcherne Ohrstrukturen (z. B. Mastoiditis) zu vermeiden, muss möglicherweise eine antibiotische Therapie eingeleitet werden. Allerdings hat sich dabei in den letzten Jahren ein zurückhaltender Einsatz von Antibiotika durchgesetzt, nachdem in Studien akute Mittelohrentzündungen auch ohne Antibiose meist komplikationslos und fast genauso schnell ausheilten.
Hier geht man topisch vor
Lokale Otologika haben ihr primäres Einsatzgebiet bei der Otitis externa. Dabei handelt es sich um Entzündungen des äußeren Gehörgangs, die meist durch Bakterien, die über Mikroläsionen in die Haut eindringen, verursacht werden.
Häufig sind auch eingedrungenes Wasser, scharfe Seifen, das Tragen von Hörgeräten oder Schallschutzstöpsel sowie unsachgemäße Reinigungsversuche die Wegbereiter. Wegen der entzündlich bedingten Schwellung kann eine Otitis externa recht schmerzhaft sein, was insbesondere bei Berührung oder beim Kauen spürbar wird. Hier bringt ein Behandlungsversuch mit entzündungs- und schmerzhemmenden Ohrentropfen (z. B. Otalgan®) meist innerhalb weniger Tage den gewünschten Erfolg. Glycerin- oder Propylenglykol-haltige Ohrentropfen entquellen außerdem aufgrund ihres osmotischen Drucks die mazerierte Gehörgangshaut. Die erzielte Abschwellung trägt ebenfalls zur Schmerzlinderung bei. Haben Sie es in der Beratung mit einem Diabetiker zu tun, sollten Sie jedoch sicherheitshalber gleich zu einem HNO-Arzt verweisen. Bei diesen Patienten nehmen Gehörgangentzündungen oft einen schweren Verlauf mit Beteiligung knöcherner Strukturen.
Verletzungen der Ohrmuschel wie Einrisse, starke Quetschungen, Hämatome sind immer ein Fall für den Arzt. Denn hier besteht die Gefahr einer Knorpelinfektion mit Verlust von Ohrmuschelteilen.
Ohrentropfen richtig anwenden
Ob im Ohr angewendete Arzneimittel wirksam sind, hängt in hohem Maß von ihrer sachgerechten Anwendung ab. Um Kältereize, die zu Schmerzen und Schwindel führen können, zu vermeiden, sollten Ohrentropfen und -spüllösungen nur körperwarm eingebracht werden. Wichtig ist daher der Abgabehinweis: "Zum Temperieren das Fläschchen für einige Zeit mit der Hand umschließen oder in die Hosentasche stecken".
Um die leichte S-förmige Krümmung des äußeren Gehörgangs auszugleichen, zieht man beim Einträufeln die Ohrmuschel bei Kindern sachte nach hinten-unten, beim Erwachsenen nach hinten-oben. Der Kopf sollte dabei schräg gehalten werden. Damit auch der tiefere Gehörgangsbereich benetzt wird, sollte man vor allem Anwendern viskoser Zubereitungen raten, nach dem Einträufeln die Seitenlage für einige Minuten beizubehalten. Anschließend darf der Gehörgang allenfalls locker, aber niemals dicht mit Watte verschlossen werden. Dies würde eine feuchte Kammer und damit gute Bedingungen für Keimwachstum darstellen.
Die otogene Selbstreinigung
Das äußere Ohr verfügt über ein ausgeklügeltes Selbstreinigungssystem: Ältere Hautschichten schieben sich vom Zentrum des Trommelfells randwärts und wandern anschließend im Gehörgang nach außen. Dabei nehmen sie Staub und andere Fremdpartikel mit. Im äußeren Teil des Gehörgangs vermischen sich die Hautschüppchen mit den bakteriziden Absonderungen der Ceruminaldrüsen. Diese Masse wird dann – unterstützt durch Kaubewegungen – allmählich nach außen transportiert.
Manchmal bleibt jedoch Ohrenschmalz (Cerumen) im Gehörgang liegen. Quillt dieses durch eingedrungenes Wasser auf, kann sich ein Pfropf bilden, der den Hörgang verschließt und zu Hörminderung und Ohrenschmerzen führt. Warnen Sie Ihre Kunden jedoch davor, mit Wattestäbchen oder spitzen Geräten selbst herumzumanipulieren. Nicht selten wird das Cerumen dabei nur noch tiefer ins Ohr hinein geschoben oder der Gehörgang verletzt.
Den Weg frei machen
Zum Auflösen von Cerumenansammlungen stehen rezeptfreie Präparate mit Docusat-Natrium (z. B. Otowaxol®, Otitex®) oder Ölsäure-Polypeptid-Kondensat (Cerumenex®N) zur Verfügung. Davon werden wenige Tropfen in den Gehörgang instilliert und dieser bei seitlicher Kopflagerung mit Watte verschlossen. Die Lösungen emulgieren das Cerumen, so dass es sich anschließend mittels Ohrspritze und lauwarmem Wasser herausspülen lässt. Der Anwender sollte dabei die präparatespezifischen Einwirkzeiten, die von fünf bis 30 Minuten reichen, unbedingt einhalten. Nur so werden einerseits die Wirkung gewährleistet und andererseits Irritationen im Gehörgang vermieden. Bei entzündeten Ohren oder Trommelfellverletzungen dürfen diese Präparate nicht eingesetzt werden.
Rühren Ohrenschmerzen von einem Fremdkörper her – Kinder lassen gerne mal Perlen, Bohnen oder ähnliches im Ohr verschwinden – stellt dies einen Fall für den Fachmann dar. Hier besteht also die Aufgabe im HV darin, die Betroffenen bzw. Eltern von eigenmächtigen "Operationen" abzuhalten und sie umgehend zum HNO-Arzt zu dirigieren!
Ohrenschmerzen können extrem belastend und mit einem hohen Leidensdruck verbunden sein. Um die Beschwerden der Betroffenen zu lindern, bietet die Selbstmedikation einige Möglichkeiten. Doch Vorsicht: In einigen Fällen müssen Ohrenschmerzen umgehend einer ärztlichen Diagnose und Behandlung zugeführt werden.
- Mittelohrentzündung (Otitis media)
- Entzündungen des äußeren Gehörgangs (Otitis externa)
- quellende Ceruminalpfropfen
- Fremdkörper im Gehörgang
- Trommelfellverletzung
- ausstrahlende Zahnentzündungen, Kiefergelenkprobleme, Mandelentzündung, Parotitis (z. B. bei Mumps)
Wann zum Arzt?
Bei Ohrenschmerzen stößt die Selbstmedikation recht schnell an ihre Grenzen. Diese gilt es im Beratungsgespräch rechtzeitig zu erkennen. In folgenden Fällen sollte man Apothekenkunden sicherheitshalber zum Arzt schicken:
- Kinder unter zwei Jahren
- die Ursache der Ohrenschmerzen ist völlig unklar
- die Beschwerden halten trotz medikamentöser Behandlung länger als 24 Stunden an oder nehmen sogar zu
- der Patient verspürt im Ohr ein starkes oder zunehmendes Druckgefühl
- es kommt zu vermehrtem Ohrfluss
- das Fieber steigt über 39ľC
- das Hörvermögen lässt plötzlich stark nach
- es kommt zu Ohrgeräuschen, Schwindel, Erbrechen oder Nackensteifigkeit
- hinter dem Ohr treten Schwellungen (Ohren stehen ab) und Schmerzen (bei vorsichtigem Klopfen gegen den Knochen) auf
- ein Diabetiker leidet unter Otitis externa
- sämtliche Ohrverletzungen, vor allem der äußeren Ohrmuschel
Was ist eine Parazentese
Bei einer Parazentese (Trommelfellschnitt) nimmt der HNO-Arzt im unteren Quadranten des Trommelfells eine Inzision vor, um z. B. angestautes Sekret aus dem Mittelohrraum nach außen abfließen zu lassen. Auf diese Weise kann Patienten, die unter anhaltendem Flüssigkeitsstau im Mittelohr leiden, kurzfristig Erleichterung verschafft werden. Anhand des gewonnenen Sekrets kann gegebenenfalls ein Antibiogramm erstellt und dann eine gezielte Antibiose eingeleitet werden. Der Trommelfellschnitt schließt sich normalerweise komplikationslos von alleine wieder.
Informationen für Patienten
Folgende Seiten bieten Informationen zum Thema Ohrenschmerzen, die gut für Patienten geeignet sind: www.netdoktor.de www.onmeda.de www.patientenleitlinien.de www.vitanet.de
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