Breite Kritik am geplanten Gewebegesetz

BERLIN (ks). Die von der Bundesregierung geplante Umsetzung der EU-Gewebe-Richtlinie von 2004 in nationales Recht stößt bei Ärzten, Krankenhäusern und Pharmaindustrie auf erhebliche Bedenken. Bei der öffentlichen Anhörung am 7. März im Gesundheitsausschuss forderten so gut wie alle Experten eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass sämtliche Gewebe rechtlich Arzneimitteln gleichgestellt werden sollen.

Experten verlangen Vorrang für Organspenden

Ziel der Regierung ist es, mit dem neuen Gesetz die Transplantation und Verwendung von menschlichem Gewebe wie Augenhornhäute, Herzklappen, Knochen oder Stammzellen sicherer und transparenter zu machen. So müssten zum Schutz der menschlichen Gesundheit bei der Entnahme, Gewinnung, Untersuchung, Be- und Verarbeitung, Aufbewahrung und Konservierung von Geweben sowie deren Abgabe an Einrichtungen der medizinischen Versorgung hohe Sicherheitsstandards eingehalten werden. Zu diesem Zwecke sollen das Transplantationsgesetz, das Arzneimittelgesetz (AMG), das Transfusionsgesetz, die Apothekenbetriebsordnung und die Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe geändert und ergänzt werden.

Das Vorhaben, sämtliche Gewebe im AMG zu regeln, trifft bei vielen Experten auf Widerstand. Sie fürchten, Gewebe könnte so zu einem kommerziellen Gut werden und dadurch die Organspendebereitschaft abnehmen. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft verlangen daher, der Organspende und -transplantation gesetzlich Vorrang vor der Entnahme nur einzelner Teile von Organen und von Geweben einzuräumen.

Beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßte man zwar, dass Umsetzung der EU-Vorgaben angegangen wurde – mit dem derzeit vorliegenden Gesetzentwurf ist die stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführerin Barbara Sickmüller dennoch nicht zufrieden: Er schieße "weit über das vorgegebene Ziel der EU hinaus und gefährde die Versorgung der Bevölkerung mit neuartigen Therapien, anstatt sie zu befördern". Zudem würden unnötige bürokratische Hürden für Pharmaunternehmen und Ärzte aufgebaut, etwa durch Melde- und Dokumentationspflichten, die EU-rechtlich nicht gefordert seien. Sickmüller erinnerte die Regierungsfraktionen daran, dass sie sich im Koalitionsvertrag geeinigt hatten, EU-rechtliche Vorgaben 1:1 in nationales Recht umzusetzen.

Kritik wird geprüft

Auch die Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Katherina Reiche, und der CDU-Forschungspolitiker Michael Kretschmer, sind der Auffassung, dass der Gesetzentwurf weit über die EU-Vorgaben hinausgehe. Sie wandten ein, dass das Gewebegesetz nicht zur Innovationsbremse für die klinische Forschung in Deutschland werden dürfe. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, und der zuständige Berichterstatter des Gesundheitsausschusses, Hubert Hüppe erklärten nach der kontroversen Anhörung, dass die Expertenkritik in den nun folgenden Ausschussberatungen zum Gesetzentwurf geprüft werde. "Niemand kann wünschen, dass eine Überregulierung stattfindet, die weder durch den nötigen Patientenschutz noch durch die EU-Richtlinie geboten ist", so die CDU-Gesundheitspolitiker..

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.