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- AZ 14/2007
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Börsen zwischen schlechten Nachrichten und billigem Geld
Ginge es nach den Charttechnikern, wurde mit der vollendeten "W-Formation" bereits die Trendwende vollzogen und dem Börsenaufschwung stünde nichts mehr im Wege. Leider sagt man den Technikern aber auch nach, dass sie mehrheitlich mit Löchern in den Schuhen herumlaufen.
Tatsache ist, dass die jüngsten Kommentare der US-Notenbank (FED) den Aktien erheblichen Auftrieb verliehen haben. Die Akteure erhoffen sich nun in naher Zukunft eine Zinssenkung, die der rückläufigen amerikanischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen soll. Nun werden aber Zinsen, sofern man die FED überhaupt richtig verstanden hat, nicht ohne wichtigen Grund gesenkt. Und es ist zu befürchten, dass genau dieses Hintergrundgeschehen von den Marktteilnehmern bald wieder genauer hinterfragt werden dürfte.
Da wären zum einen die nächsten Quartalsergebnisse, die nach Expertenmeinung von 10% im ersten Quartal auf rund 4% im zweiten fallen dürften. Eine Stabilisierungstendenz im wirtschaftlichen Umfeld, insbesondere am Immobilienmarkt, ist nicht auszumachen. Die hohen Ölpreise belasten, weil sie die Inflation weiter anheizen und eine Zinssenkung eher unwahrscheinlich machen. Inmitten diesem Dilemma schwächelt der Dollar, was gerade gegenüber dem Yen besonders problematisch ist. Dadurch wird die billige Darlehensaufnahme in Japan ("Carry Trades") für die Spekulanten infolge der Währungsrisiken zunehmend gefährlicher. Seit geraumer Zeit ist ein auffälliger Gleichlauf zwischen dem Kursverlauf im Verhältnis Dollar/Yen und dem Börsenverlauf von DAX und Dow Jones zu beobachten. Devisenmarkt und Aktienbörsen unterliegen da wohl momentan einer starken Wechselwirkung.
Wenn sich die Notenbank dennoch zu einer Zinssenkung durchringen kann, dann ist das eben eine klare politische Entscheidung, die auf der Basis der aktuellen Inflationswerte nicht viel Freude machen dürfte. Es käme ein Teufelskreis in Gang, wenn Dollarabwertung und Inflation sich beschleunigen würden. Vielleicht ist es genau der historische Augenblick, vor dem Fachleute immer gewarnt haben. Die Notenbanker müssen Greenspans Erbe verwalten. Seine Politik der geöffneten Geldschleusen, die bei jeder Krise die Märkte sofort mit niedrigen Zinsen versorgt hatte, hinterlässt scheinbar doch eine gewaltige Geldmenge, die insbesondere jetzt zum Problem wird, da die Wirtschaft anfängt zu stottern. Vor diesem Hintergrund sind die Kursrückgänge bislang sogar noch als eher moderat zu bewerten. Aber die heile Börsenwelt hat Risse.
Auf der letzten Sitzung der FED wehte wohl ein Hauch von Greenspan durch die heiligen Hallen der amerikanischen Notenbank. Unter dem Druck der US-Immobilienkrise kündigte Notenbankchef Bernanke das Ende des Zinserhöhungszyklus an – jedenfalls ist es von den Analysten zunächst so interpretiert worden. Immer wenn es brennt, scheint auch Bernanke mit billigem Geld kontern zu wollen, ganz im Stile seines Vorgängers Alan Greenspan. In der Zwischenzeit sind sich die Akteure aber gar nicht mehr so sicher, ob Bernankes Aussagen wirklich dahingehend auszulegen sind. Denn gleichzeitig mahnte er "erhöhte Vorsicht" hinsichtlich der Inflationsentwicklung an. Restriktiv gibt sich auch der Präsident der FED von Philadelphia Plosser, der die jüngsten Inflationsdaten als nicht sehr ermutigend bezeichnete. Am Ende blieben bei den Marktteilnehmern jedenfalls mehr Fragen offen als beantwortet wurden.
Aber Bernanke hat es auch nicht leicht. Gerade Amtsvorgänger Greenspan gibt sich in letzter Zeit auf seinen Vortragsreisen äußerst redselig, nimmt Worte wie "Rezession" in den Mund, die man ihm früher nicht einmal unter Folter entlockt hätte. Und seine Worte haben immer noch Gewicht. Der enorme Mitteilungsbedarf kann natürlich auch an den 100.000 Dollar liegen, die Greenspan pro Rede erhält – da würde wohl jeder zur Quasselstrippe. Fakt ist indes, dass bei den jetzigen Ölpreisen eine Zinssenkung vor der zweiten Jahreshälfte nicht in Sicht ist. Und ob dieser Schritt dann tatsächlich den großen Run am Aktienmarkt auslöst, ist zweifelhaft. Einmal, weil Zinssenkungen auch einen klaren Hinweis darauf liefern, dass es in der Wirtschaft nicht rund läuft. Und zum andern, weil die Profis genau wissen, dass sich Bernanke diesen Schritt im Prinzip im jetzigen Inflationsumfeld gar nicht leisten kann. Es könnte leicht darauf hinauslaufen, dass eine solche Zinssenkung die Inflation verstärkt ankurbelt, während die Wirtschaft weiter vor sich hindarbt. Das böse Wort der Stagflation ginge um, der Dollar käme unter Druck, ebenso wie die europäischen Börsen. Man könnte hinter Bernankes verworrenen Äußerungen vermuten, dass der Notenbankchef auch nicht mehr so recht weiß, wie er diesen geldpolitischen Spagat fertig bringen soll.
Fazit
Trotz der jüngsten Erholungstendenz bestehen schwere Bedenken hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit. Konsolidierungen von diesem schnellen und heftigen Ausmaß sind erfahrungsgemäß nicht binnen drei Wochen zu bereinigen, sondern dauern in der Regel neun Wochen und mehr. Ein neuerlicher Rückschlag und ein Test der alten Tiefstände bei knapp unter 9500 beim DAX bzw. 12.000 Punkten im Dow Jones ist wahrscheinlich. Sollten diese Unterstützungen versagen, geht der Fahrstuhl noch tiefer in die von uns favorisierte Region um 6200 im DAX. Der Indexstand 28. März (17.30 h): 6810 Punkte. .
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