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- AZ 17/2007
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Gute Konjunktur – Zeit für Steuergeschenke?
Wer hätte das vor Kurzem noch gedacht? Defizite allenthalben, der Staatsbankrott vor Augen, der Sozialstaat ein Auslaufmodell. Nun, da die Geldtöpfe überzuquellen scheinen (was nebenbei ein Schlaglicht auf die tatsächliche Abgabenbelastung wirft – kaum kommt etwas Schwung in die Wirtschaft, profitiert der Staat überproportional), überschlagen sich die Vorschläge, das Geld wieder unter die Leute zu bringen. Neben zusätzlichen Ausgaben für Kinderbetreuung und Bildung ist neuerdings durch unseren Wirtschaftsminister die Senkung der Einkommensteuer ins Spiel gebracht worden.
Alle diese Vorschläge bedürfen der kritischen Überprüfung. Im Bereich Kinderbetreuung und Bildung besteht die Gefahr, Ansprüche zu wecken und neue Töpfe aufzumachen, die im Falle einer weniger günstigen Einnahmesituation nur schwerlich wieder revidiert werden können. Das Meiste wird in Personal fließen, welches dann kaum abbaubar sein wird. Hier ist nur an die Aufstockung der Lehrer zu denken. Wer heute einen beamteten Lehrer einstellt, sagen wir mit Mitte bis Ende 20, geht statistisch einschließlich der beachtlichen Pensionsphase, die nicht selten die Lebensarbeitszeit übersteigt, eine Verpflichtung für 50, 60 oder mehr Jahre ein! Das summiert sich pro Kopf schnell auf Millionenbeträge. 1000 neue Lehrer im heutigen System sind eine Milliardeninvestition – verschoben auf Raten in die Zukunft!
Hohe Kosten, geringe Entlastung der Bürger
Die Senkung der Einkommensteuer verspricht da weniger Festlegungen in die Zukunft. Gut klingt auch die Feststellung, dass man den Menschen das Geld wieder zurückgeben sollte, welches sie sauer verdienen. Nur: Der Fluch des progressiven Steuertarifs mit seinem Grundfreibetrag und etlichen Frei- und Absetzbeträgen führt dazu, dass gerade eine Familie bis weit in den mittleren Einkommensbereich hinein keine oder nur minimale Lohn- bzw. Einkommensteuern bezahlt. Wird also an der Tarifformel gedreht, insbesondere an den publikumswirksamen Spitzensteuersätzen, kommt das der Masse der Bürger gar nicht oder nur geringfügig zugute. Selbst eine Erhöhung des Grundfreibetrages – diese Maßnahme kostet von allen Varianten jedoch am meisten – bringt hier nicht allzu viel. Überproportional freuen können sich die "oberen Zehntausend". Dies mag man ordnungspolitisch begrüßen, tragen diese doch heute schon einen Großteil der Steuerlast. Nur: konjunktur- und breitenwirksam ist das nicht. Wer statt 11.000 Euro netto dann beispielsweise 11.200 Euro hat, konsumiert nicht adäquat mehr. Dies wäre aber sinnvoll, um die Konjunktur dauerhaft zu stabilisieren.
Kaum denkbar ist hierzulande als Alternative eine pauschale Gutschrift für jeden Bürger, quasi eine Art "konjunkturelles Weihnachtsgeld". Andere Länder praktizieren dies, z. B. die USA.
So bleibt eine Variante, die bisher kaum diskutiert wird. Wenn schon Überschüsse untergebracht werden müssen, dann macht es gerade unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten viel mehr Sinn, die im Rahmen der Gesundheitsreform gemachten Versprechungen vorzuziehen und den Steuerzuschuss vorzeitig kräftig aufzustocken. So sollen ja gerade die Gesundheitsausgaben für Kinder – dies sind knapp 20 Mrd. Euro pro Jahr – bevorzugt über Steuermittel finanziert werden.
Vorzug für Geringverdiener
Dies würde es ermöglichen, die Beiträge zur Krankenversicherung spürbar zu senken und den Druck vom System nehmen. Vor allem sind aber die Sozialabgaben für gering und mittelprächtig Verdiendende eine weit größere Belastung als die Steuern. Es kommt bei dieser Variante schlicht mehr "netto" an. Auch die "Besserverdienenden" profitieren, allerdings aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt und nur im Falle der Mitgliedschaft im gesetzlichen System. Die Privatversicherten gingen bei diesem Spiel leer aus – eine nicht zu unterschätzende Lobby. Dennoch beträgt das Zahlenverhältnis der reinen Mitgliederzahlen rund 1: 10 gegen die PKV, weswegen ein solcher Gedanke nicht vorzeitig abqualifiziert werden sollte. Nicht wenige aus dieser Klientel profitieren zudem indirekt – in Form sinkender Lohnnebenkosten bei ihren Angestellten. Sofern sie Unternehmer sind. Das trifft beispielsweise auf die zahlreichen Lehrer nicht zu, die dafür aber die Parlamente beherrschen. Das lässt nichts Gutes für einen im Grunde volkswirtschaftlich vernünftigen Vorschlag erahnen.
Dr. Reinhard Herzog Dr. Reinhard Herzog ist Apotheker und Fachautor zahlreicher Beiträge, u. a. in DAZ, AZ und AWA.
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