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AOK-Chef Hermann gibt zu: Es gibt "Übergangsprobleme"
Hermann ist überzeugt, dass er mit den Rabattverträgen auf dem richtigen Weg ist. Ärzte und Apotheker spielen willig mit, die Firmen bemühen sich um Lieferfähigkeit, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle noch knirscht. Hermann wörtlich: "Die Verträge sind kein Papier-Tiger." Er geht optimistisch davon aus, dass bis zu 50 Prozent der AOK-Patienten auf die günstigen Generika umgestellt werden. Das Einsparpotenzial bei den 43 ausgewählten Wirkstoffen beziffert er für seine Kassen auf bis zu 300 Mio. Euro im Jahr. So ließ er durchblicken, dass bereits im Sommer eine neue Ausschreibung für weitere Wirkstoffe folgen wird. Den Apothekern bescheinigte Hermann eine gute Mitarbeit, sie haben sich gut eingebracht und die Umsetzung der Verträge von Anfang an gut begleitet. Über die in den Apotheken zu Tage tretenden Lieferprobleme einiger Firmen ist die AOK unterrichtet und wird auf den Tag genau über die Defekte informiert. Bei anhaltender Lieferunfähigkeit fließt diese Information in die Apothekensoftware ein. Außerdem hat die AOK ein Sonderkündigungsrecht gegen solche Vertragsfirmen, die anhaltend lieferunfähig sind.
Hermann bekräftigte, dass für die Apotheken derzeit noch keine Retaxationen vorgenommen werden, wenn sie ein nicht unter den AOK-Rabatt fallendes Generikum abgeben, weil Großhandel oder Hersteller nicht liefern können. Diese mit dem Deutschen Apothekerverband vereinbarte "Friedenspflicht" gilt bis 31. Mai. Danach allerdings muss das rabattierte AOK-Präparat abgegeben werden, wenn man Retaxationen vermeiden will. Erst wenn ein Präparat nachweislich nicht beschafft werden kann, greift die frühere Aut-idem-Regelung, so Hermann.
Ausgangspunkt für die Rabattverträge war für die AOK-Baden-Württemberg die Feststellung, dass die Verordnung günstiger Generika ein Ausnahmefall war und alle großen Generikahersteller mit ihren Präparaten in einem vergleichbar hohen Preisfeld liegen. Ziel war es, Bewegung in die "verkrusteten Strukturen des Generikamarktes" zu bringen, um das effektiv günstigste Preisniveau zu erreichen ohne Qualitätsabstriche. Das eingesparte Geld soll über Beitragssatzsenkungen an die Versicherten weitergegeben werden. Viele Versicherte profitieren bereits von einer geringeren Zuzahlung oder einer Zuzahlungsbefreiung (z. B. die AOK-Versicherten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Westfalen-Lippe), wenn sie ein rabattiertes Präparat verordnet bekommen.
Honorar für Ärzte
Ein Teil der Einsparungen gibt die AOK an die teilnehmenden Ärzte weiter, wobei hier in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen über die Höhe der Beteiligungen bestehen. Ein hessischer Vertragsarzt erhält beispielsweise für seine Beratungsleistung 10 Euro pro Wirkstoff im ersten Quartal, wenn er den Patienten von seinem bisherigen Generikum auf das "AOK-Präparat" umstellt. Für die Folgequartale sind dann jeweils 2,50 Euro pro Wirkstoff vorgesehen. Ethische Probleme sieht der stellv. Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Dr. Gerd Zimmermann, dabei nicht. Die Vorgehensweise sei mit Juristen abgeklärt. An den Rabattverträgen kann er in erster Linie Positives für die Ärzte erkennen: Sie nehmen den Budgetdruck, denn mit der Verordnung eines AOK-Präparats fährt der Arzt auf der sicheren Seite, Regresse hat er hier nicht zu fürchten. Zimmermann beklagte allerdings, dass die bisherigen Bemühungen zur Umsetzung der Rabattverträge "suboptimal" gewesen seien. Die schnelle Anpassung der Arztsoftware als elektronische Hilfe sei notwendig. Und die Lieferfähigkeit diverser Hersteller müsse sich verbessern.
"Wir sind lieferfähig"
Anfangs sei in der Tat nicht alles rund gelaufen, räumte Michael Ewers, Geschäftsführer Deutschland des weltgrößten israelischen Generikaherstellers Teva ein. Man habe nur wenige Wochen Vorlaufzeit gehabt, um sich darauf einzustellen. Außerdem fehlte die Planungsbasis, da Teva in Deutschland bisher nur einen geringen Marktanteil hatte. Nach Mobilisierung aller Ressourcen konnte man den Großhandel Anfang April beliefern. Ewers zeigte anhand von Marktzahlen, dass bei einigen der sechs Präparate, für die mit der AOK Verträge geschlossen wurden, das Soll bereits überfüllt wurde, bei anderen die Abdeckungsquoten um die 15 Prozent liegen. An der Qualität der Teva-Präparate, die zum Teil in Ungarn oder Israel hergestellt werden und deren Wirkstoffe auch von namhaften deutschen Produzenten kommen, ließ Ewers keinen Zweifel.
Ins Wespennest gestochen
Mit der Möglichkeit, zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern Rabattverträge auszuhandeln, hat der Gesetzgeber in ein Wespennest gestochen, so der BMG-Abteilungsleiter Knieps. Die Generikaszene habe sich bereits kräftig verändert. Ärzte haben begonnen, ihr Verschreibungsverhalten umzustellen. Es gebe bereits eine Vielfalt von Rabattverträgen, es komme zu einem Wettbewerb der Kassen. Billigmedizin ist keine schlechtere Medizin, fügte Knieps hinzu. Dass es zu Versorgungsproblemen bei Versicherten komme, sehe er nicht, so Knieps: "Es wird spannend zu beobachten, was in einem Jahr daraus geworden ist." Trotz Rabattverträgen und anlaufenden Veränderungen im Markt wird sich das Ministerium auch in der nächsten Legislaturperiode erneut mit dem Arzneimittelmarkt beschäftigten: "Vor der Reform ist nach der Reform", merkte Knieps an. Er sieht die jetzigen Verträge als interessante Pionierleistung, die sich bewähren muss. Der BMG-Abteilungsleiter: "Wir betrachten es mit großem Wohlwollen." .
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