Rabattverträge werfen viele Fragen auf

BERLIN (ks). Die neuen Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Generikaherstellern scheiden die Geister. Viele kleinere und mittlere Unternehmen sehen sich in ihrer Existenz bedroht, Apotheker ringen mit der Lieferfähigkeit einzelner Präparate. Kassen und Ärzte versprechen sich hingegen eine finanzielle Entlastung. In einem sind sich aber alle einig: Die Rabattverträge werden unser Gesundheitssystem nicht retten können. Dies wurde auf einem Colloquium des Deutschen Generikaverbandes am 2. Mai in Berlin deutlich.

Deutscher Generikaverband lädt zum Erfahrungsaustausch

Beim Deutschen Generikaverband hält man von den bislang abgeschlossenen Rabattverträgen wenig. Grundsätzlich kann sich Hauptgeschäftsführer Dietmar Buchberger zwar sinnvolle Vereinbarungen zu Preisnachlässen vorstellen – Voraussetzung wäre jedoch, dass diese Wettbewerbsschutzklauseln beinhalten, die es seiner Klientel – den kleinen und mittleren Unternehmen – erlaubt, überhaupt mit zu bieten. Zudem müssten die Verträge wettbewerbskonform ausgestaltet sein. Das heißt für Buchberger konkret: Die Krankenkassen sollten möglichst auf regionaler Ebene Wirkstoffe ausschreiben und für die Verträge eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren vorsehen. Zudem müsse der Vertragsabschluss mit mehr als einem Anbieter pro Wirkstoff erfolgen. Anderenfalls sei die Lieferfähigkeit in Gefahr. Dass es beim AOK-Vertrag bereits Lieferschwierigkeiten gibt, könne nicht den Unternehmen vorgeworfen werden, erklärte Buchberger. Diese seien davon ausgegangen, dass es stets drei Anbieter für einen Wirkstoff geben wird – doch in einigen Fällen kam es anders. Darüber hinaus sieht der Verbandschef im AOK-Vertrag einen Verstoß gegen das Kartellrecht – beim Bundesversicherungsamt und der Europäischen Kommission hat er deshalb bereits Beschwerde eingelegt. Auch die Ausschreibung des Ersatzkassenverbandes VdAK/AEV missfällt ihm, da die von den Kassen geforderten Zielpreise teilweise unter dem Einstandspreis der Industrie lägen. Der Barmer hält Buchberger vor, gleich ganz auf die Ausschreibung verzichtet zu haben, die Techniker Krankenkasse hat seines Erachtens diskriminierende Kriterien für die Auswahl ihrer Vertragspartner angewandt.

Birger Rostalski, Referatsleiter Vertrags- und Versorgungsmanagement beim VdAK/AEV, verteidigte hingegen die Rabattverträge seines Verbandes – auch wenn es sich zunächst um "Testballons" handle. Neben einem Vertrag über annähernd die gesamte Produktpalette der Firma Actavis hat der Verband für sieben seiner Mitgliedskassen neun Wirkstoffe ausgeschrieben und mit mindestens zwei Anbietern pro Wirkstoff Verträge nach einer Zielpreissystematik abgeschlossen. Beide Vertragsarten sollen zunächst ein Jahr parallel laufen. "Ob wir sie dann fortführen, können wir erst sagen, wenn Zahlen vorliegen", so Rostalski. Er verwies darauf, dass bei der Ermittlung der Zielpreise "seltsame Phänomene" entdeckt wurden. Anders als erwartet, zeigte sich, dass einige Großpackungen nicht zwingend günstiger waren als mehrere kleine. Ebenso wenig bedeutete mehr Wirkstoff zwangsläufig einen höheren Preis. Am Ende habe man tatsächlich sehr niedrige Zielpreise vorgegeben, räumte Rostalski ein. "Wir sind aber sehr froh, dass sich einige Hersteller darauf eingelassen haben". Grundsätzlich sieht der Kassenvertreter noch eine Reihe offener Fragen beim Thema Rabattverträge – vieles werde sich im laufenden "Lernprozess" klären. Klar sei allerdings schon jetzt, dass die Einspareffekte "äußerst begrenzt" sein werden. Das Hauptproblem der Arzneimittelausgaben liege in der Struktur und nicht im Preis oder der Menge, betonte Rostalski. Und dieses werde mit Generikarabatten nicht angegangen.

Erste Zielpreisvereinbarung abgeschlossen

ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt erläuterte die Probleme, die den Apotheken derzeit die AOK-Rabattverträge bereiten: "Die Befürchtungen über Lieferschwierigkeiten bewahrheiten sich". Auch nach einem Monat sei eine Entspannung der Lage nicht in Sicht. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Probleme noch einige Zeit anhalten werden, betonte Schmidt. Nicht zuletzt, weil sich viele Chroniker noch vor dem 1. April mit Arzneimitteln bevorratet hätten. Wenn sie im Juni oder Juli wieder in der Apotheke erscheinen, werde es erst richtig problematisch, prophezeit der ABDA-Vize. Er kritisierte zudem, dass die Verträge keine Entscheidungen im Einzelfall ermöglichen. Einige Patienten ließen sich nicht ohne weiteres auf ein anderes Präparat umstellen – das Problem kenne man bereits von der alten Aut-idem-Regelung und von Reimporten. "Compliance-Probleme sind damit greifbar", so Schmidt. Diese Schwierigkeiten ließen sich mit den von der ABDA schon seit geraumer Zeit geforderten Zielpreisvereinbarungen umgehen. In Rheinland-Pfalz wurde vorletzte Woche erstmals eine solche Vereinbarung für sechs Leitsubstanzen unterschrieben. Beteiligt sind der Landesapothekerverband und die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz sowie die Regionalverbände der Kassen. Die Vereinbarung gibt jedoch Rabattverträgen zwischen Kassen und Herstellern Vorrang. Sie ist kein Ersatz, sondern ein zusätzliches Instrument zur Steuerung der Arzneimittelausgaben. Schmidt zufolge steht auch in Schleswig-Holstein eine Zielpreisvereinbarung kurz vor ihrem Abschluss. .

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