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- AZ 22/2007
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Arzneimittelversorgung lässt zu wünschen übrig
Für seine Studie untersuchte Rychlik die Versorgungslage in zehn ausgewählten Indikationen. Dabei wählte er solche Erkrankungen aus, die mit einer Monotherapie behandelt werden können, bzw. nach neuesten Erkenntnissen mit innovativen Arzneimitteln zu behandeln sind – darunter chronischer Tumorschmerz, Demenz, Depression, Hepatitis C, Osteoporose und rheumatoide Arthritis. Rychlik betonte, dass es in Deutschland schwierig ist, an aussagekräftige Daten heranzukommen. Schon die Frage der Prävalenz einer Erkrankung stellt Wissenschaftler vor Probleme. Zumeist kursieren lediglich Schätzungen über die Zahl der jeweils Betroffenen. Auch Verordnungsdaten sind nur schwer in verwertbarer Form zugänglich. Rychlik stützt sich in seiner Studie daher auf die Absatzzahlen bestimmter Wirkstoffe, die zwischen November 2005 und Oktober 2006 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wurden – diese fand er in der NVI-(Nationalen Verordnungsinformation)-Datenbank von Insight Health. Wie die Versorgungslage bei Privatversicherten aussieht, blieb Rychlik jedoch verschlossen. Ein ursprünglich geplanter Vergleich zwischen PKV- und GKV-Versicherten konnte daher nicht durchgeführt werden.
Doch auch ohne Vergleich fielen die Ergebnisse für die GKV-Versicherten ernüchternd aus. Nach Rychliks Berechnungen sind beispielsweise 74 Prozent der rund eine Million Demenz-Patienten mit Antidementiva unterversorgt. Bei der rheumatoiden Arthritis, an der hierzulande bis zu 800.000 Menschen leiden, geht er von einer Unterversorgung mit innovativen Arzneimitteln von 69 Prozent aus. Von den bis zu 6 Millionen Osteoporose-Erkrankten in Deutschland erhalten nur rund die Hälfte die empfohlene medikamentöse Therapie. Vergleichsweise gering ist demgegenüber die Unterversorgung von Patienten mit Schizophrenie, Depression und chronischem Tumorschmerz – hier liegt die Rate zwischen 16 und 21 Prozent.
… beruhen auf vielfältigen Gründen
Die Gründe für die Unterversorgung sind vielfältig: Einige Erkrankungen – z. B. Hepatitis C – werden bereits unzureichend diagnostiziert. Doch selbst bei einer richtigen Diagnose ist noch nicht sichergestellt, dass der Arzt auch die entsprechenden Leitlinien für die medikamentöse Behandlung kennt. Bei spezifischen Erkrankungen beklagt Rychlik zudem einen Fachärztemangel – etwa an Rheumatologen. Fehlt es den Patienten an Compliance, können sie auch selbst für ihre Unterversorgung verantwortlich sein. Nicht zuletzt sorgen Rychlik zufolge Arzneimittelbudgets und Richtgrößen sowie Regressbefürchtungen dafür, dass sich Ärzte bei der Verordnung der passenden Arzneimittel zurückhalten. Er verwies darauf, dass dem Gesetzgeber das Problem der Unterversorgung spätestens seit dem Gutachten des Gesundheits-Sachverständigenrates aus dem Jahr 2000/2001 bekannt sei. In diesem war die in Deutschland bestehende Unter-, Über- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen ausführlich unter die Lupe genommen worden. Dennoch, so Rychlik, sei bis heute keine entsprechende Weichenstellung erfolgt. Stattdessen setze der Gesetzgeber weiterhin auf Reglementierung und Budgetierung in der Arzneimittelversorgung – so etwa im Arzneispargesetz AVWG, mit dem die Bonus-Malus-Regelung für Vertragsärzte eingeführt wurde.
Yzer: Verdeckte Rationierung
Auch Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA, sieht ihre Befürchtungen durch das Gutachten belegt: "Unterversorgung ist kein Gefühl sondern eine empirisch belegbare Tatsache". Auch wenn keiner offen über diese "verdeckte Rationierung" spreche – sie ist vorhanden. Wer Unterversorgung abbauen wolle, müsse die budgetären Zwänge der Ärzte abbauen, forderte Yzer. Zudem müsse man bereit sein, in den Krankenkassen mehr Geld für innovative Arzneimittel aufzuwenden. Sie verwies darauf, dass andere europäischen Länder innovativen Arzneimitteln weitaus offener gegenüber stünden als Deutschland: Während hierzulande der Marktanteil von Innovationen bei nur 8,5 Prozent liege, erreiche er in anderen europäischen Ländern fast 25 Prozent. Ob dies allerdings zugleich bedeutet, dass dort die Unterversorgung weniger ausgeprägt ist, lässt sich nicht sagen. Rychlik hätte die Versorgungssituation in anderen Ländern gerne untersucht – hätte er hierzu Daten finden können..
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