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Der Apotheker als Kaufmann
Vor dem Hintergrund der Veränderungen im Arzneimittelmarkt empfehlen Experten in den Medien, auf Konferenzen oder auf Messen moderne strategische und operative Ansätze des Apotheken-Managements. Vielfach in anderen Branchen bereits erfolgreich angewendet, sollen diese Maßnahmen das drohende Unheil abwenden und zukunftsfähig machen. So sollen etwa Marktanalysen, integrierte Marketingkonzepte, Kommissionierautomaten, Managementinformationssysteme, Kundenkarten usw. eingesetzt werden, um den Veränderungen aktiv zu begegnen. Die Komplexität dieser vielfältigen Empfehlungen und ihrer Konsequenzen lässt sich für den als Heilberufler ausgebildeten Apotheker vielfach nicht durchdringen. Unsicherheit über die zu treffenden Entscheidungen, manchmal mit dem Rücken zur Wand stehend, führen zu vier festzustellenden Typen von Einstellungen und Handlungsweisen:
1. Verharren/Lethargie: "Es kann so bleiben, wie es ist; die Verbände, Kammern, Politik und Industrie werden schon dafür sorgen, dass mein Geschäft erfolgreich bleibt."
2. Aktionismus: "Wenn alle etwas machen, probiere ich auch mal etwas aus. Das Konzept, von dem ich neulich gehört habe, klingt gut."
3. Beauftragung/Coaching: "Ich muss etwas tun! Toll, dass es so viele Optionen gibt. Welche ist die richtige für mich? Wer hilft mir dabei?"
4. Unternehmerisches Handeln: "Ich muss etwas bzw. noch mehr tun. Ich habe/benötige die Kompetenz, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich bin schließlich Unternehmer bzw. will es werden."
Erfolg versprechend sind dabei lediglich die Positionen drei und vier. Dies haben alle Unternehmen bewiesen, die sich in polypolistischen Märkten ohne einen engen ordnungspolitischen Rahmen bewegen, wie er zwar lange in der Arzneimittelversorgung vorherrschte, aber nicht mehr die protektionistische Kraft hat. Insbesondere in Märkten, in denen ebenfalls eine Liberalisierung stattfand bzw. noch stattfindet (z. B. Briefversand, Energie), hat sich deutlich gezeigt, dass erfolgreich diejenigen Unternehmen sind, die eigene unternehmerische Kompetenzen aufweisen, die gegebenenfalls durch professionelle Hilfe in Spezialbereichen unterstützt wurden.
Das kaufmännische Anforderungsprofil
Vielen Apothekern, ob selbstständig oder angestellt, sind die Dimensionen ihres kaufmännischen Handels nicht bewusst. Sie agieren vielfach intuitiv, und das oft durchaus auch erfolgreich. Ihnen sind die volkswirtschaftlichen Modelle sowie die betriebswirtschaftlichen Konzepte nicht bekannt, die hinter diesem Handeln stehen. Werden sie bei den betrieblichen Entscheidungen aber berücksichtigt, können nachhaltige Potenziale hinsichtlich Effektivität und Wirtschaftlichkeit realisiert werden, die bisher ungenutzt blieben.
Bei der differenzierten Betrachtung der Aufgabenvielfalt, die der Apotheker abzudecken hat, wird schnell deutlich, wie stark er Kaufmann ist. Selbst die heilberuflichen Kernaufgaben sind gekoppelt mit kaufmännischen Elementen, etwa im Rahmen des Einkaufs, der Lagerhaltung und der Produktion. Aber auch der Verkauf ist stark geprägt durch betriebswirtschaftliche Elemente wie die Kundenorientierung oder das Management von Abläufen.
In besonderer Weise sind aber die infrastrukturellen Funktionen sowie die strategischen Aufgaben eines Apothekers geprägt durch kaufmännisches Handeln. In jedem Unternehmen jeder Branche sind diese Aufgaben qualifiziert zu erbringen, um langfristig existieren zu können. Nach Einschätzung mancher Apotheker handelt es sich hier um ein notwendiges Übel, insbesondere, wenn es um das Rechnungswesen oder die Finanzierung geht. Die Praxis macht aber deutlich, dass die Erfüllung dieser Funktionen über den Markterfolg entscheidet.
Während infrastrukturelle Aufgaben permanent qualifiziert erfüllt werden müssen, um überhaupt einen Apothekenbetrieb aufrecht zu erhalten, sind in Phasen struktureller Veränderungen des Umfelds ergänzend auch strategische Maßnahmen zu ergreifen. Sie sind auf die mittel- und langfristige Positionierung und damit auf die dauerhafte Existenz der Apotheken ausgerichtet.
Der Qualifizierungsbedarf nach Selbsteinschätzung
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die langfristig erfolgreiche Apotheke ihr unternehmerisches Handeln in vielen auch neuen Aufgabenbereichen beweisen muss. Wird aufgrund der Kostenstrukturen einer typischen Apotheke von der Einstellung eines kaufmännischen Leiters abgesehen, besteht die Erfordernis, dass sich der Apothekeninhaber persönlich die erforderlichen Fähigkeiten aneignet.
In einer Studie der International School of Management (ISM) wurde der allgemeine kaufmännische Qualifizierungsbedarf von Apothekern bestimmt. Sie wurden in einer explorativen Untersuchung in zwei Fokusgruppen mit acht bzw. neun Apothekern erhoben und mit weiteren Experten aus Forschung und Praxis diskutiert. In einer anschließenden Befragung wurden 97 leitende Apotheker nach ihrer Einschätzung der Wichtigkeit dieser Fähigkeiten gefragt. Gleichzeitig wurde abgefragt, in welchen Bereichen sie sich wie stark qualifiziert sehen. Die Lücken zwischen diesen beiden Dimensionen weisen die typischen Kompetenzdefizite aus, die üblicherweise bei Apothekern ausgeglichen werden sollten.
Aus der Untersuchung geht hervor, dass nach Selbsteinschätzung der Apothekerschaft hinsichtlich folgender Kompetenzfelder dringender Handlungsbedarf besteht: Kommunikationfähigkeit, Kenntnisse in Informationstechnologien, Marketingkenntnisse, Kompetenzen in der Mitarbeiterführung, Kompetenzen im Netzwerkmanagement (z. B. bezogen auf Haus- und Fachärzte sowie auf Kostenträger), Kenntnisse in aktuellen Rechtsfragen, Steuerung der Apotheke mit Kennzahlen, Kenntnisse in der Sortimentsgestaltung, Kenntnisse in der Analyse des Wettbewerbsumfelds.
Weiterbildungsmöglichkeiten im Überblick
Die Möglichkeiten zur kaufmännischen Weiterqualifizierung unterscheiden sich durch den Aufwand, den der Einzelne bereit ist zu betreiben, und durch das mögliche Ergebnis im Sinne des erworbenen Kompetenzprofils. Auf drei möglichen Wegen lassen sich die Kompetenzlücken schließen:
1. Industrieseminare: Unternehmen der pharmazeutischen Industrie und des pharmazeutischen Großhandels bieten Seminare an, in denen sich Apotheker in kaufmännischen Fragen qualifizieren können.
2. Freie Seminare: Nur wenige unabhängige Weiterbildungsträger bieten derzeit am Markt freie Seminare für Apotheker an. Ab August 2007 bietet die Innovations-Akademie deutscher Apotheken (IDA) in Köln erstmalig ein umfassendes Seminarprogramm an.
3. Studiengänge: Die besten Ergebnisse hinsichtlich Relevanz für und Einsetzbarkeit in der Praxis sind durch die Teilnahme an berufsbegleitenden Studienprogrammen zu erzielen. Insbesondere das Studium zum "Master of Business Administration (MBA)", das sich an Berufstätige mit einem nicht-kaufmännischen Erststudium richtet, eignet sich dafür, so z. B. "MBA Pharma Management" oder "MBA Health Care Management".
Welcher Weg auch immer gewählt wird, er dokumentiert die erkannte Notwendigkeit der Zusatzqualifikation und die Chance, die vielfältigen kaufmännischen Aufgaben in Zukunft noch besser zu erfüllen..
Prof. Dr. Ralf Ziegenbein, Dortmund
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