EuGH überprüft deutsche Werbeverbote für OTC

BERLIN (ks). Die deutschen Werbeverbote für rezeptfreie Arzneien sind teilweise nicht mit EU-Recht vereinbar. So sieht es jedenfalls der Generalanwalt Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer am Europäischen Gerichtshof (EuGH). In einem Rechtsstreit gegen "Gintec", einem Hersteller von Ginseng-Päparaten, erklärt er in seinen Schlussanträgen, dass die europäischen Werbevorschriften des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) einen "Höchststandard" für die Harmonisierung setzen. Damit könnten die Mitgliedstaaten keine weitergehenden Verbote oder Beschränkungen erlassen, als es die Richtlinie selbst erlaubt. Im deutschen Heilmittelwerbegesetz (HWG) sei dies jedoch der Fall.

Liberalere EU-Regelungen: Generalanwalt beanstandet Regelungen des deutschen Heilmittelwerbegesetzes

Konkret muss sich der EuGH mit einem Werbeschreiben der Firma "Gintec" befassen, in dem es um die Auswertung einer Konsumentenbefragung geht. In diessem wird unter anderem mit folgenden Aussagen geworben: "Hohe Anwendungsintensität ... 41 Prozent der Kunden verwenden Roten Ginseng von Gintec regelmäßig seit fünf Jahren und länger ...", "Gesamtbeurteilung von Rotem Ginseng von Gintec: Die Hälfte aller Kunden sind sehr zufrieden mit dem Produkt und ein weiteres Drittel beurteilt das Produkt mit ‚gut’. Nur 2 Prozent gaben an, keine Besserung verspürt zu haben ...". Des Weiteren wurde auf der Internetseite des Unternehmens die monatliche Auslosung einer Packung des Ginseng-Produktes angekündigt, wobei es für die Teilnahme ausreichte, einen Fragebogen auszufüllen und abzusenden. Der Verband Sozialer Wettbewerb sieht durch diese Werbung die Vorschriften des HWG verletzt und erhob Klage.

Die nationalen Gerichte gaben dem Verband zunächst Recht: Die Werbung verstoße gegen die Verbote mit Äußerungen Dritter sowie mit Auslosungen zu werben (§ 11 Abs. 1 Nr. 11 und 13 HWG). Das Verfahren ging bis vor den Bundesgerichtshof, der sodann den EuGH anrief und um Vorabentscheidung bat. Er will vom EuGH insbesondere wissen, ob der nationale Gesetzgeber über die EU-Vorgaben hinausgehen darf. Dies verneinte der Generalanwalt in seinen am 13. Februar vorgelegten Schlussanträgen. Er kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie 2001/83/EG einen Höchststandard vorgibt, der von den Mitgliedstaaten nicht überschritten werden darf, soweit sie hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt werden. Diese Grenzen seien nicht mehr eingehalten, wenn ein nationales Gesetz Kampagnen mit Äußerungen Dritter und mit Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist – wie Auslosungen oder Tombolas – ausnahmslos verbietet. Allerdings sei das Werben mit Äußerungen Dritter auch nach EU-Recht verboten, wenn sich diese in "missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen". Bei Wettbewerben, Auslosungen und ähnlichem sei das Verbot zulässig, wenn diese zu einem "unvernünftigen Gebrauch des Arzneimittels verleiten". Der BGH müsse die HWG-Vorschriften nun in diesem Sinne auslegen, so der Generalanwalt.

BAH hofft auf umfassende Novellierung des HWG

Sollte der EuGH in seinem Urteil diesen Schlussanträgen folgen, dürfte dies zu einer Novellierung der Publikumswerbeverbote in § 11 HWG führen. Dies hofft man jedenfalls beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der bereits seit langem für ein liberaleres Werberecht für rezeptfreie Arzneimittel plädiert..

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