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- AZ 9/2007
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Schenkungund Erbschaftsteuer verfassungswidrig
Die Karlsruher Verfassungshüter wenden sich in ihrer 102 (!) Seiten umfassenden Urteilsbegründung im Grundsatz nicht gegen die Bevorzugung bestimmter Werte, die durch Schenkung oder Erbschaft den Empfängern einen "Zuwachs an Leistungsfähigkeit" bringen, der je nach dem Grad der Verwandtschaft in unterschiedlicher Höhe abgeschöpft werden soll. Sie stoßen sich aber daran, dass der Wert des Gegenstandes unterschiedlich ermittelt wird.
So führe das bisherige "vereinfachte Ertragswertverfahren" für den Übergang von bebauten Grundstücken – zum Beispiel alle Privateigentümer – mit einem starren "Einheitsvervielfältiger" zu dem Ergebnis, dass der tatsächliche Verkehrswert, um den es allein gehen dürfe, "regelmäßig verfehlt" werde. Der Gesetzgeber habe mit dieser Methode erreichen wollen, dass eine Immobilie mit durchschnittlich 50 Prozent ihres Verkehrswertes (vom Gericht mit dem "gemeinen Wert" bezeichnet) besteuert werde. Diese niedrigere Erbschaftsbesteuerung solle Investitionsanreize für Grundvermögen schaffen "sowie die Bau- und Wohnungswirtschaft positiv beeinflussen".
Dieser Versuch einer steuerlichen Lenkung auf der Bewertungsebene stehe aber "in unauflösbarem Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben". Die Einzelergebnisse differierten erheblich zwischen "weniger als 20 Prozent und über 100 Prozent des Verkehrswertes". Es sei offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke – ohne Rücksicht auf die Grundstücksart und die Lage – zu erheblichen Bewertungsunterschieden im Verhältnis zum tatsächlichen Verkehrswert führen müsse. Der Bewertung hafte daher "Zufälliges und Willkürliches" an.
Zunächst unentschieden bleiben könne jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber sein – mit dem falschen Grundansatz verfolgtes – Ziel, den Erwerb bebauter Grundstücke mit der halben Schenkung- beziehungsweise Erbschaftsteuer zu belasten, "verfassungsrechtlich zulässig" ist. Oder ob er – "etwa im Wege einer eindeutigen Verschonungsbestimmung" – das entsprechende Ergebnis hätte erreichen können. Mit den Belangen der Bau- und insbesondere Wohnungswirtschaft habe der Gesetzgeber gewichtige Gemeinwohlgründe angeführt, "die grundsätzlich geeignet erscheinen, durch eine geringere Steuer eine Verschonung der Beschenkten oder Erben zu rechtfertigen". Das könnte durch ermäßigte Steuersätze geschehen. Inwieweit eine solche Entlastung verfassungsrechtlich zulässig wäre, könne aber offen bleiben. Ein neues künftiges Betätigungsfeld für das Bundesverfassungsgericht ...
Wert von Betriebsvermögen
Noch wesentlich härter wurde in Karlsruhe mit der Bewertung von Immobilien im Betriebsvermögen umgegangen. Hier ist derzeit noch der Steuerbilanzwert maßgebend. "Dieser stimmt aber nur in Ausnahmefällen mit dem jeweiligen Verkehrswert überein", liest es sich in der Urteilsbegründung. So könnten "durch bilanztechnische Maßnahmen wie zum Beispiel die Wahl von degressiver oder linearer Abschreibung, Sofortabschreibungen oder erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie auch durch spätere Wertsteigerungen sogenannte stille Reserven gebildet werden, die bei der Bewertung des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt werden".
Der immaterielle Geschäfts- oder Firmenwert spiele keine Rolle – mit der Folge, dass "der Steuerwert gerade von ertragsstarken Unternehmen weit hinter dem Verkehrswert zurück blieben". Schließlich sei die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage "davon abhängig, ob und in welchem Umfang der Erblasser oder Schenker bilanzpolitische Maßnahmen ergriffen" habe. Tendenziell würde überdies "gerade der Übergang des Betriebsvermögens von solchen Unternehmen gefördert, die der Entlastung am wenigsten bedürfen". Der Gesetzgeber will deshalb insbesondere mittelständische Personengesellschaften von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausnehmen. Das Bundesverfassungsgericht lässt aber auch hier für die Neugestaltung des Rechts noch fast zwei Jahre Zeit (1 BvL 10/02)..
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