Systemkollision

Der Notdienst ist eine hoch geschätzte Leistung. Welche große Bedeutung Notdienste haben, zeigen die Probleme, die die Ärzte zur Zeit in einigen ländlichen Regionen erleben (s. Bericht auf Seite 8 dieser Ausgabe). Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein hat ihre Notdienste kürzlich zentralisiert, um zu sparen. Der allzeit dienstbereite Landarzt wurde durch Anlaufpraxen in Städten ersetzt. Dies trifft nicht nur auf Verständnis, doch manche Probleme können als Anlaufschwierigkeiten angesehen werden. Dagegen sind die Folgen für die Arzneimittelversorgung grundsätzlicher Natur. Der dezentrale wohnortnahe Apothekennotdienst passt nun vielfach nicht mehr zum zentralisierten Ärztenotdienst. Im Rahmen großer Notdienstkreise der Apotheken ist nicht immer eine Apotheke in der Stadt mit der zentralen Anlaufpraxis dienstbereit, sondern manchmal eine Apotheke in der benachbarten Kleinstadt. Für die Patienten bedeutet dies doppelte Fahrwege – zum Arzt und zur Apotheke. Der resultierende Unmut ist nachvollziehbar. Wie kürzlich in einer Zeitungsmeldung zu erfahren war, reagieren einzelne zentrale Arztpraxen mit der schlechtest möglichen Lösung – sie legen Arzneimitteldepots an. Arzthelferinnen werden so zu Hilfsapothekern. Neben Gefahren für die Patienten droht ein Dammbruch für das ärztliche Dispensierrecht. Die Apothekerkammer hat das Problem erkannt und bemüht sich, die divergierenden Notdienstkonzepte für die Patienten zu verknüpfen. Dafür wird viel Phantasie nötig sein.

Doch auch in Großstädten wird das Notdienstkonzept unterlaufen. Dort öffnen Apotheken zunehmend länger als bis 20 Uhr. Der Aufwand benachbarter Notdienstapotheken erscheint an solchen Orten überflüssig und die Notdienstgebühr anachronistisch.

So bleibt festzuhalten: Das altbewährte Konzept des Apothekennotdienstes orientiert sich am Ideal der wohnortnahen Versorgung, seine paritätische Verteilung am Ideal des freien Berufes. Wenn diese Strukturen aber im Umfeld der Apotheken wegbrechen und Zentralisierung zum neuen Leitbild wird, prallen Systeme aufeinander. Flexible Lösungen für unterschiedliche Standorte scheinen dann eher geboten als das Beharren auf einem gut gemeinten Ideal. Dies gilt gerade für den Notdienst. Denn die Aufregung in manchen Regionen zeigt, wie wichtig er der Bevölkerung ist und wie sich Apotheken damit profilieren können.

Thomas Müller-Bohn

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