Kommentar
Jetzt hat der Celesio-Chef Oesterle die Katze aus dem Sack gelassen. Die Liberalisierungsbestrebungen im In- und Ausland "bergen Wachstumschancen für unser Geschäft", wird er in einem Bericht in der Stuttgarter Zeitung zitiert. Zu den Liberalisierungstendenzen werden dort beispielsweise die mittlerweile gerichtlich genehmigte DocMorris-Apotheke in Saarbrücken gerechnet und die Markenpartnerschaften, mit denen der niederländische Versender derzeit versucht, die Bundesrepublik zu überziehen. Unter Liberalisierungstendenzen versteht man in Konzernen wie Celesio mit ihrer Tochter Gehe demnach den Weg hin zum Fremdbesitz. Noch vor wenigen Jahren sprach Oesterle davon, dass er nicht daran denke, nach einer Apothekenkette im deutschen Markt zu streben, und dass er dieses Geschäft nur im Ausland ausbaue. Von dort (beispielsweise England) ließ er allerdings auch wissen, dass "das Geld im Einzelhandel verdient wird".
Mittlerweile nimmt er kein Blatt mehr vor den Mund und erklärt öffentlich und unumwunden: "In der Apotheke muss der Mensch im Mittelpunkt stehen. Und ob er dies tut, hängt nicht davon ab, wer Eigentümer der Apotheke ist und ob sie zu einer Kette gehört oder nicht. Das sage ich in aller Deutlichkeit" (Stuttgarter Zeitung vom 16. März 2007).
Herr Oesterle, wir haben verstanden, das ist Klartext. Jetzt wissen wir, woran wir sind und was Sie wollen. Die Stuttgarter Zeitung titelte bereits folgerichtig: "Celesio plädiert für die Öffnung des Apothekenmarktes".
Bricht man diese Überlegungen auf einen einfachen Nenner herunter, heißt dies dann nicht folgerichtig: Der Pharmahändler Celesio kann sich eine eigene Apothekenkette in Deutschland gut vorstellen und sieht darin gute Wachstumschancen? Und ist dies nicht genau das Verhalten solcher großen Konzerne: Wenn sie in irgendeine Richtung Wachstum sehen, dann wird diese Richtung verfolgt – ohne Rücksicht auf Folgen für das Szenario.
Hier lassen sich aber auch Unterschiede ausmachen zu anderen Unternehmen, die zwar ebenfalls den Markt beobachten und einen Plan B für alle Eventualitäten, sprich für den Fall des Fremdbesitzverbotes, in der Schublade haben, aber aus ordnungspolitischen Gründen solche Strategien nicht verfolgen. Ein Unternehmen wäre ein schlechtes Unternehmen, das sich darüber nicht schon einmal ein paar intensive Gedanken gemacht hätte. Auch die ABDA wäre eine schlechte Berufsvertretung, wenn sie nicht schon in Szenarien durchgespielt hätte, "was wäre wenn". Doch es macht einen Unterschied, ob ich Plan B geradezu strategisch verfolge und dafür plädiere oder ob ich das Kettenszenario nur andenke, aber meine Geschäfts- und Interessenspolitik darauf ausrichte, dass dieser Fall nicht eintritt.
Der Celesio-Chef hat sich mit dem Fremdbesitz mehr als angefreundet, besitzt er doch bereits etwa 2100 Apotheken im Ausland, allein 1556 in Großbritannien. Eine Kette in Deutschland würde da gerade recht in sein Portfolio passen.
Dabei sollte eigentlich die Öffentlichkeit sensibilisiert sein und erkennen, welche Nachteile Ketten und Oligopole haben. Denn es ist eben doch ein Unterschied, ob eine Apotheke einer Kette oder einem einzelnen Apotheker gehört. Negativ-Beispiele aus anderen Ländern gibt es zur Genüge: Die Vielfalt schrumpft, die Preise für den Verbraucher steigen, die Gefahr von Absprachen zwischen Oligopolisten wächst. Auch das Debakel auf dem Strom- und Gasmarkt müsste eigentlich jeden überzeugen.
Ist es für den Celesio-Chef nur eine Frage der Zeit, wann er den Schalter von der Individualapotheke oder seinen Commitment-Apotheken umlegen kann in Richtung Celesio-Kettenapotheke?
Peter Ditzel
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