Fortbildung

Pädiatrie

Kinderschmerzen: Fortschritte in Diagnostik und Therapie

Schmerzen bei Kindern wurden in der Vergangenheit häufig nicht oder nur unzureichend erkannt und nicht immer optimal behandelt. Seit einigen Jahren zeichnet sich eine positive Entwicklung ab: Epidemiologische Daten geben Auskunft über die Häufigkeit von Schmerzen im Kindesalter, an Kliniken und Schmerzzentren wurden Behandlungsstandards für die Kinderschmerztherapie etabliert.

Vor etwa 40 Jahren war selbst unter Ärzten die Meinung weit verbreitet, dass Kinder ein geringeres Schmerzempfinden haben als Erwachsene und demzufolge weniger Schmerzmittel benötigen. Es existierten weder Schmerz-Messmethoden noch Behandlungsstandards, und in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung wurde die Thematik Kinderschmerzen völlig unzureichend berücksichtigt. Noch in den 80erJahren führte man Operationen an Frühgeborenen häufig ohne ausreichende Analgesie durch. Bei zwei Gruppen von Kindern war die Schmerztherapie bisher besonders unterentwickelt: bei Früh- und Neugeborenen, die ihre Schmerzen noch nicht adäquat äußern können, und bei jungen Tumorpatienten.

Die frühere Lehrmeinung, dass Früh- und Neugeborene weniger Schmerz empfinden und sich kaum an durchlittene Schmerzen erinnern könnten, kam wahrscheinlich dadurch zustande, dass bei kleineren Kindern Schmerzen schwerer zu erkennen sind als bei Erwachsenen – gelegentlich wirken Neugeborene mit starken Schmerzen nach außen völlig ruhig. Um das Ausmaß eines Schmerzes bei Kindern richtig beurteilen zu können, bedarf es spezifischer diagnostischer Hilfsmittel. So wird beispielsweise bei Säuglingen die KUS-Skala (Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala) eingesetzt, die auf einer Beurteilung der Mimik, des Weinens und der Körperhaltung des Kindes basiert. Bei älteren Kindern können altersgerechte Fragebögen, z. B. mit "Smilies", eingesetzt werden.

Schmerzverhütung auch bei kleinen Eingriffen

Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bei krebskranken Kindern eine effektive Schmerztherapie ebenso notwendig ist wie bei erwachsenen Tumorpatienten. Auch bei schmerzhaften diagnostischen Eingriffen wie z. B. Knochenmark- oder Lumbalpunktionen ist eine Analgesie und ggf. auch eine Kurznarkose dringend erforderlich. Selbst vor kleineren Eingriffen (z. B. Venenpunktion zwecks Blutentnahme, kleine chirurgische Eingriffe an der Haut) empfiehlt sich bei Kindern die Anwendung schmerzverhütender Maßnahmen (z. B. EMLA® Pflaster).

Wenn Kinder bei starken Schmerzen keine adäquate Analgesie erhalten, besteht die Gefahr, dass sie auf den Schmerz konditioniert werden, sodass sie später sogar schon bei geringen Eingriffen starke Schmerzen verspüren.

Fachleute beklagen jedoch, dass es nach wie vor an ausreichenden Therapiemöglichkeiten für Schmerzen im Kindesalter mangelt. So ist beispielsweise bisher nur ein einziges Triptan (siehe Tabelle) für die Anwendung bei Kindern (ab 12 Jahren) zugelassen. Auch die Palette der kindgerechten Darreichungsformen ist noch nicht umfangreich genug.

Familie in die Therapie einbeziehen

Neben Medikamenten spielen verhaltenstherapeutische Maßnahmen eine große Rolle bei der Behandlung von Schmerzen im Kindesalter. An verschiedenen Kliniken Deutschlands wurden dazu in den vergangenen Jahren entsprechende Behandlungskonzepte entwickelt. Für den Therapieerfolg ist die frühzeitige aktive Einbeziehung der Bezugspersonen des Kindes in die Behandlung sehr bedeutsam.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Quellen

Dr. Jan-Peter Jansen, Berlin: "Schmerzmanagemant bei Kindern". Referat auf dem 11. Fortbildungstag der Apothekerkammer Berlin zum Thema "Schmerz" am 11. März 2007 in Berlin.

www.schmerzen-bei-kindern.de.

Alte Menschen fühlen nicht weniger Schmerz als junge. Ärzte Zeitung (online), 23.02.2000, www.aerztezeitung.de.

Schmerzarten bei Kindern
  • Schmerz durch Trauma
  • "Wachstumsschmerz"
  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Muskelschmerz
  • Rückenschmerz
  • Bauchschmerz
  • postoperativer Schmerz
  • spezifische Erkrankungen (z. B. juvenile rheumatoide Arthritis)
Verhaltenstherapie
Behandlungs- und Trainingsprogramme für Kinder mit Schmerzen (Beispiele)
  • MIPAS family®: Trainingsprogramm für pädiatrische Kopfschmerzpatienten, das in Arztpraxen von entsprechend ausgebildeten Ärzten bzw. Psychotherapeuten durchgeführt werden kann. www.mipas-zirkel.de
  • "Bauchtänzer": Multimodales Behandlungskonzept für Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen. Kontakt: Gastroenterologische Ambulanz der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln.Tel. (0 23 63) 97 52 61
  • "Dickköpfe": Multimodales Behandlungskonzept für Kinder mit rezidivierenden Kopfschmerzen an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln. Tel. (0 23 63) 97 51 80
Epidemiologische Daten
Umfrage der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) unter 7000 Schülern bis zum 12. Lebensjahr:
  • rund 90 Prozent haben Kopfschmerzerfahrung
  • etwa 60 Prozent dieser Kinder kennen Spannungskopfschmerzen
  • bis zu 12 Prozent leiden an Migräne
  • es gibt Hinweise, dass Kinder häufiger als Erwachsene an Migräne und Spannungskopfschmerzen gleichzeitig leiden können
Umfrage der "Stiftung Kopfschmerz" (1998) unter 30.000 Berliner Schülern:
  • 47% verwenden Medikamente
  • an 1. Stelle: Acetylsalicylsäure, gefolgt von Paracetamol

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