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DAZ aktuell
Raucherentwöhnung
Nicotinersatztherapie ist kosteneffektiv
BONN (hb). Die Initiative Raucherentwöhnung, eine Arbeitsgemeinschaft der drei Anbieterfirmen von Präparaten zur Nicotinersatztherapie (NET), hat bei Prof. Dr. Jürgen Wasem, Universität Duisburg‑Essen, eine gesundheitsökonomische Studie in Auftrag gegeben, die erstmals für Deutschland valide Daten zum Nutzen und zur Kosteneffektivität der NET bereitstellt. Die Ergebnisse der Studie wurden den Fachkreisen und der Verbandsöffentlichkeit am 19. März 2007 in der Geschäftsstelle des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Bonn vorgestellt.
Der Arzt und Risikoexperte Prof. Dr. Klaus Heilmann stellte die drastischen Folgen des Rauchens heraus. In Deutschland werden pro Tag 263 Millionen Zigaretten geraucht. In einem Jahr werden hierbei 7500 Tonnen giftige Kohlenwasserstoffverbindungen in die Luft entlassen, zehnmal so viel, wie eine moderne Müllverbrennungsanlage jährlich ausstoßen darf. Starke Raucher (mehr als 20 Zigaretten täglich) verkürzen ihr Leben durchschnittlich um acht Jahre, das bedeutet, dass jede Zigarette einen Raucher fünf Minuten seines Lebens kostet. Heilmann verwies darüber hinaus auf die Schäden durch Passivrauchen. Schätzungen zufolge sind von den etwa 110 bis 150 Tausend jährlichen Tabakopfern etwa 3500 Passivraucher, ein – wie auch die WHO meint – indiskutables Gesundheitsrisiko.
Mit dem liberalen Ansatz, den MdB Detlef Parr, sucht- und drogenpolitischer Sprecher der FDP‑Bundestagsfraktion bei der Veranstaltung vertrat ("Eigenverantwortlichkeit statt gesetzgeberischer Maßnahmen, Hilfe statt Restriktionen"), kann Heilmann demzufolge wenig anfangen. Er geht mit der Politik vielmehr hart ins Gericht. Während die meisten europäischen Staaten den Nichtraucherschutz bereits durch totale Rauchverbote in der Öffentlichkeit konsequent in die Hand genommen haben, verliert sich die deutsche Gesundheitspolitik in den letzten Wochen in ständigem Hin und Her, aus Heilmanns Sicht ein "Trauerspiel".
NET wissenschaftlich anerkannt
Seit rund 25 Jahren sind Arzneimittel zur Nicotinersatztherapie in Deutschland zugelassen. 1994 erfolgte die erste Freistellung von der Rezeptpflicht. Danach wanderten nahezu alle Darreichungsformen (Pflaster, Kaugummi, Lutschtablette) in die Selbstmedikation. Erstattungsfähig sind diese demzufolge nicht. Vielmehr werden sie zusammen mit Mitteln zur Verbesserung der sexuellen Potenz und des Haarwuchses in die Gruppe der Lifestyle‑Drogen eingeordnet, aus der Sicht der Experten eine erhebliche Diskriminierung der Präparate. Ungerechtfertigt vor allem deswegen, weil die Nikotinersatztherapie (NET) nicht nur von der WHO, sondern auch von zahlreichen Gesundheitsorganisationen, darunter die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und das bekanntermaßen kritische britische National Institute for Clinical Excellence (NICE) positiv als "First‑line‑Therapie" bewertet und mit Nachdruck empfohlen wird. Letztendlich hat auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die NET als sinnvoll anerkannt.
Die Initiative Raucher-entwöhnung
Gleichwohl spielen die Präparate in Deutschland nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Daher haben sich die drei Anbieter von Nicotinersatzprodukten in Deutschland: Pfizer Consumer Healthcare (Nicorette®), Novartis Consumer Healthcare (Nicotinell®) und GlaxoSmithKline Consumer Healthcare (NiQuitin®) vor etwa einem Jahr aus dem BAH heraus zu der Initiative Raucherentwöhnung zusammengeschlossen mit dem Ziel, den Stellenwert des Nichtrauchens und die Akzeptanz der medikamentösen Raucherentwöhnungstherapie in Deutschland zu fördern. Sie gaben die Studie bei dem Duisburger Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem in Auftrag.
Pro Person 2,9 Lebensjahre
Deren Ergebnisse stellte Studienleiter Wasem vor. Im Rahmen eines entscheidungsanalytischen Modells wurden epidemiologische Daten, Krankheitskostenanalysen zu den Folgen des Rauchens sowie Daten zur Effektivität der NET verknüpft.
Bezogen auf die der Modellrechnung zugrundeliegende Population von fünf Millionen Menschen, die sich einer NET im Vergleich zu Raucherentwöhnung ohne NET unterziehen, können durch den Einsatz der NET bei einer Betrachtung der Restlebenszeit (diskontiert, d. h. abgezinst im Hinblick auf zukünftige Effekte) 0,525 Mio. Lebensjahre (LYG) respektive (diskontiert) 0,678 Mio. qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALYs) gewonnen werden. Gleichzeitig werden in der Restlebenszeit‑Betrachtung bei diesen fünf Millionen Menschen insgesamt (diskontiert, d. h. abgezinst im Hinblick auf zukünftige Kosten) 5870 Mio. Euro direkte medizinische Kosten gegenüber einer Raucherentwöhnung ohne NET eingespart.
Die NET erweist sich somit laut Wasem als "dominante Strategie" im Vergleich zur Raucherentwöhnung ohne NET. Mit einem erfolgreichen Rauchstoppversuch mit NET werden im Vergleich zum Verzicht auf einen Rauchstopversuch über alle Altersgruppen 2,9 Lebensjahre je Person (undiskontiert) gewonnen (mit 3% Diskontierung: 1,1 Lebensjahre) und zugleich Kosten im Restlebenszyklus von 11.150 Euro (undiskontiert, mit 3% Diskontierung: 4567 Euro) eingespart.
Die Ergebnisse belegen damit die Kosteneffektivität der NET, ein Grund, so die Initiatoren der Studie, diese endlich aus ihrem "Schattendasein" hervorzuholen und sie stärker in den Blickpunkt der Ärzte‑ und Apothekerschaft, aber auch der Vertreter von Krankenkassen und Gesundheitspolitik zu stellen.
Dr. Uwe May, Gesundheitsökonom beim BAH betonte darüber hinaus, dass das Projekt auch im Hinblick auf die Bewertung und Kommunikation des Nutzens von Selbstmedikationsarzneimitteln insgesamt von übergeordnetem Interesse sei.
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