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Interpharm Hamburg
Gesundheitspolitische Präsenz der Apotheker
Wohin treibt die Apotheke? Wer treibt sie? Wo wollen wir sie in Zukunft haben? So lauteten die drei Kernfragen, mit deren Hilfe Dr. Klaus G. Brauer, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags, Stuttgart, als Moderator einer Diskussionsrunde mit den Teilnehmern (siehe nebenstehenden Kasten) eine momentane berufspolitische Standortbestimmung versuchte.
Die Leiterin des Wissenschaftlichen Instituts für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG), Dr. Eva Susanne Dietrich, stellte die Beratungsfunktion des Apothekers in den Vordergrund eines gleichwohl weit gefassten Leistungsprofils. Auch für ABDA-Geschäftsführer Heinz-Günter Wolf "wird die Zukunft pharmazeutisch entschieden und nicht über das Anbieten von Gesundheitsreisen". Unterstützung in diesem Punkt bekamen beide von Prof. Dr. Gerd Glaeske, Zentrum für Sozialpolitik, Abteilung Gesundheitsökonomie und -politik. Er glaubt, dass die ökonomischen Aspekte des Apothekerberufs in den letzten Jahren viel zu sehr im Vordergrund standen zu Lasten der Betonung der fachlichen Kompetenz der Pharmazeuten. Treuhand-Geschäftsführer Dr. Klaus-Martin Prang warnte allerdings vor einer überzogenen Erwartungshaltung an die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Apotheken. Ohne eine ausreichende wirtschaftliche Basis dürfte das breite Leistungsangebot kaum realisiert werden können. "Es muss auch vernünftig Geld verdient werden," so Prang.
Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags und Jurist, sieht diesbezüglich in der Ausrichtung der Gesundheitspolitik Inplausibilitäten. Er führte als Beispiel die Betonung des Heilberufs mit der Förderung der pharmazeutischen Betreuung auf der einen Seite und die angestrebte Deregulierung mit der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes auf der anderen Seite an. "Die Politik muss sich entscheiden, in welche Richtung es denn nun gehen soll", forderte Rotta.
Der Jurist hält die Regulierung des Gesundheitsmarktes mit der sensiblen Ware Arzneimittel in einem gewissen Umfang grundsätzlich für unabdingbar. Nirgendwo ist die Folgenabschätzung bei Eingriffen in das System seiner Meinung nach wichtiger als hier. "Diejenigen, die ein solches System verändern wollen, sind beweispflichtig", sagte Rotta, "und nicht diejenigen, die es verteidigen." Hinzu komme, dass die Arzneimitteldistribution in Deutschland auch volkswirtschaftlich äußerst effizient sei: Während sich die Arzneimittelausgaben von 1995 bis 2005 von 8,94 Milliarden Euro auf 15,44 Milliarden Euro fast verdoppelt haben, sanken im gleichen Zeitraum die Rohgewinne der Apotheken und des pharmazeutischen Großhandels von 5 auf 4,94 Milliarden Euro sogar geringfügig. "Die Kostentreiber", so Rotta, "sitzen also woanders."
Für Glaeske scheint klar, wohin die Politik will. Bei den jüngsten gesundheitspolitischen Eingriffen geht es aus seiner Sicht nicht etwa um Deregulierung an sich, sondern um die Förderung des Wettbewerbs um Qualität und Effizienz. Er reklamierte in diesem Zusammenhang eine größere Bereitschaft der Apotheken, sich stärker an neuen Versorgungsformen, wie etwa der Integrierten Versorgung, zu beteiligen.
ADBA-Präsident Wolf wies den Vorwurf von Glaeske, die sich aus den Reformen ergebenden Chancen würden von den Apothekern nur unzureichend genutzt, teilweise zurück. Für ihn sind Wettbewerbsstrategien durchaus vorhanden, auch wenn den Apothekern auf der Preisbildungsebene bedingt durch das Sachleistungsprinzip in der Leistungserbringung naturgemäß weitgehend die Hände gebunden sind. Aber Lockangebote über die Menge – etwa drei Packungen zum Preis von zwei – lehnt der ABDA-Präsident rundweg ab.
Brauer sieht durchaus alle drei Ansätze "reguliert", "selbstreguliert" und "wettbewerbsorientiert" im System ausgeprägt. Seiner Ansicht nach "hinkt" der Wettbewerbsgedanke jedoch dann, wenn etwa der Versandhandel und die "klassische" Distribution über die öffentliche Apotheke ökonomisch miteinander verglichen werden. Offenkundig sei, dass bestimmte arbeitsintensive und wenig lukrative Leistungen wie etwa Rezepturen über den Versandhandel überhaupt nicht nachgefragt werden.
Verstärkt öffentlich Position beziehen!
Als schwerwiegendes berufspolitisches Manko der Apotheker kristallisierte sich in der Diskussion deren mangelnde gesundheitspolitische Präsenz heraus. Allenthalben wurde zugestanden, dass die Apotheker sich – wie Brauer es ausdrückte – "auf der politischen Bühne oft schwer tun". Besonders Dietrich und Glaeske monierten, dass Pharmazeuten viel zu wenig öffentlich Position beziehen – ein Vorwurf, den auch der ABDA-Präsident nicht entkräften konnte. So spielen Apotheker im Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) als "offizielle Präsenz" keine Rolle, und auch anderweitig, etwa bei arzneimittelbezogenen Anhörungen, kommt nach den Erfahrungen von Dietrich kaum Feedback von Apothekerseite. "Man überlässt die Bewertung von Arzneimitteln den anderen", brachte Glaeske es auf den Punkt. Rotta resümierte: "Die Apotheker müssen erheblich sichtbarer und hörbarer werden."
hb
- Dr. Eva-Susanne Dietrich, Wissenschaftliches Institut für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG) der Techniker Krankenkasse, Hamburg
- Prof. Dr. Gerd Glaeske, Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen
- Dr. Klaus-Martin Prang, Treuhand Hannover GmbH
- Dr. Christian Rotta, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart
- Heinz-Günter Wolf, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA, Berlin
- Moderation: Dr. Klaus G. Brauer, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart
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