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- DAZ 13/2007
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Aus der Hochschule
Universität Münster
Symposium zu Ehren von Professor Blaschke
Anlässlich des 70. Geburtstages von Prof. Dr. Dr. h.c. Gottfried Blaschke fand am 17. Februar 2007 im Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster ein Symposium statt. Neben seiner Familie, Mitarbeitern und Kollegen waren viele seiner über 200 Doktoranden gekommen, um aus erster Hand Neues über Forschungen in der Pharmazeutischen und Medizinischen Chemie zu erfahren.
Prof. Dr. B. Wünsch, geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster, referierte über die enantioselektive Desymmetrisierung mit Lipasen. Zur Gewinnung enantiomerenreiner Liganden für NMDA-Rezeptoren und σ-Rezeptoren wird der enantiomerenreine Baustein 5-Azidopentan-1,3-diol benötigt. Diesen erhält man durch eine enantioselektive Desymmetrisierung von 3-(Dimethylphenylsilyloxy)-pentan-1,5-diol (s. Formel). Die höchste Enantioselektivität bei der Umsetzung dieses Substrats mit Isopropenylacetat wird mit der Lipase des Bakteriums Burkholderia cepacia , immobilisiert auf Keramikpartikeln, erhalten: Das Substrat wird selbst bei einer Temperatur von –40 °C zum (S)-konfigurierten Monoacetat acetyliert. Wenn die Umsetzung zum richtigen Zeitpunkt abgebrochen wird, lässt sich das (S)-konfigurierte Monoacetat mit einer Ausbeute von 74% und einem Enantiomerenüberschuss von 99,86% isolieren. Die absolute Konfiguration des Produkts wird durch Zirkulardichroismus-Spektroskopie eines Bis(4-brombenzoats) ermittelt.
Die analoge Umsetzung des Substrats mit der Lipase der Hefe Mucor miehei , immobilisiert auf einem Ionenaustauscherharz, zeigt einen abnormalen Reaktionsverlauf, der sich nur durch eine allosterische Hemmung der Lipase durch das Substrat erklären lässt. Diese allosterische Modulation macht Sinn, da das Substrat den natürlichen 2-Monoglyceriden entspricht.
Wünsch nimmt an, dass die kürzlich beim Menschen entdeckte Adipöse Triglycerid-Lipase (ATGL), die strukturell mit der Lipase von Mucor miehei verwandt ist, ähnlich allosterisch moduliert wird. Bisher war keine allosterische Modulation eines Enzyms im Lipidstoffwechsels bekannt.
Naturstoffdetektion mit CE
Prof. Dr. Gerhard Scriba vom Institut für Pharmazie der Universität Jena berichtete über die Analytik von Nebenkomponenten in Wirkstoffen mit wässriger und nichtwässriger Kapillarelektrophorese (CE). Die strengen Regularien von Arzneibuch und Zulassungsbehörden erfordern sensitive und validierte Analysenverfahren zur Bestimmung der verwandten Substanzen. Am Beispiel der Arzneibuchsubstanz Calciumlevofolinat wurde gezeigt, dass mit Hilfe der CE die simultane Bestimmung der verwandten Substanzen und der unerwünschten (6R,2’S)-Folinsäure möglich ist, während das Europäische Arzneibuch dies mit zwei getrennten chromatographischen Verfahren prüft. Bei der Methodenentwicklung wurden chemometrische Verfahren zur Optimierung der experimentellen Bedingungen angewendet.
Weiterhin wurde die Zusammensetzung des mikroheterogenen Peptaibols Alamethicin F30 mit der nichtwässrigen CE und Kopplung mit Massenspektrometrie untersucht. Peptaibole sind Peptid-Derivate, die von Pilzen gebildet werden und als häufigen Bestandteil die nicht-proteinogene Aminosäure α-Aminoisobuttersäure enthalten; der N-Terminus ist acetyliert und die Carboxylgruppe zu einem Alkohol reduziert. Die nichtwässrige CE unter Verwendung eines Methanol-basierten Puffers zeigte für diese lipophilen Peptide bessere Trenneigenschaften als ein wässriges Puffersystem. Unter Einsatz der Tandem-Massenspektrometrie konnten sieben neue, zuvor unbekannte Nebenkomponenten in ihrer Aminosäurensequenz aufgeklärt werden. Dabei gelang es erstmals, in Pilzen verkürzte Peptaibol-Derivate mit endständigem Pyroglutamyl-Rest nachzuweisen.
Analytik von kleinsten Blutvolumina
Priv.-Doz. Dr. Georg Hempel vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster referierte über Bioanalytik für klinisch-pharmazeutische Fragestellungen in der pädiatrischen Onkologie. Aus Mangel an pharmakokinetischen Informationen bei Kleinkindern und Säuglingen ist die Dosisfindung bei diesen Patienten problematisch. Pharmakokinetische Untersuchungen bei Kleinkindern waren in der Vergangenheit aufgrund der für die Analytik erforderlichen großen Blutvolumina schwierig durchzuführen. Erst durch die Kapillarelektrophorese, bei der theoretisch nur wenige Nanoliter pro Analyse notwendig sind, konnten viele Zytostatika in der pädiatrischen Onkologie, z. B. die Anthracycline, einer Bestimmung zugänglich gemacht werden. Im Rahmen einer multizentrischen internationalen Therapieoptimierungsstudie wird in Münster die Pharmakokinetik des Anthracyclins Daunorubicin bei Kleinkindern unter einem Jahr mit Leukämie zum ersten Mal systematisch untersucht, um hieraus in Zukunft die Dosis altersabhängig genauer einstellen zu können.
Auch die Methode der Hochdruckflüssigkeitschromatographie mit Kopplung an die Massenspektrometrie (LC-MS) eignet sich für derartige Untersuchungen, sofern die Verfahren auf ein geringes Probenvolumen optimiert werden. Zur Bestimmung von Busulfan und des Hilfsstoffs Dimethylacetamid wurden Methoden etabliert, die ebenfalls mit wenigen Mikrolitern Probe auskommen. Durch das neue Verfahren zur Bestimmung des Dimethylacetamids konnte die Kinetik dieses hepato- und nephrotoxischen Hilfsstoffs zum ersten Mal im Menschen untersucht werden. Für Kinder, die eine Hochdosistherapie vor einer Stammzelltransplantation erhalten, ist dies relevant. Erfreulicherweise wurde gefunden, dass die Substanz nicht im Körper kumuliert, sondern innerhalb weniger Stunden fast vollständig wieder ausgeschieden wird.
Entwicklung neuer Antihypertonika
Dr. Jürgen Maibaum, Novartis Pharma AG, Schweiz, berichtete über das Molecular-Modelling-unterstützte, auf der Kristallstruktur von Enzyminhibitorkomplexen basierte topologische Design von nicht-peptidischen, oral bioverfügbaren direkten Renin-Inhibitoren zur Behandlung von Bluthochdruck. Die sehr spezifische Aspartylprotease Renin spielt als erstes und geschwindigkeitsbestimmendes Enzym des Renin-Angiotensin-Systems eine bedeutende Rolle bei der physiologischen Regulation des Blutdrucks und des Elektrolythaushalts. Die direkte Hemmung von Renin verhindert die vermehrte Generierung des potenten Vasokonstriktorpeptids Angiotensin II auch bei kompensatorisch erhöhter Plasmarenin-Konzentration.
Aliskiren (Tekturna®), der erste Vertreter dieser neuen Substanzklasse von direkten Renininhibitoren, erwies sich in präklinischen Untersuchungen als hochpotent und selektiv und befindet sich derzeit in fortgeschrittener Phase III der klinischen Prüfung.
Chromatographische Enantiomerentrennung
Dr. Michael Schulte, Merck KGaA, Darmstadt, beleuchtete die Bedeutung Prof. Blaschkes für die präparative chromatographische Enantiomerentrennung. Schon während seiner Zeit in Kiel setzte Blaschke die von ihm entwickelten Polyacrylamid-Harze als präparative Trennmedien ein. Diese Harze waren neben dem zur selben Zeit entwickelten Cellulosetriacetat die ersten chiralen stationären Phasen, die eine gute Enantioselektivität mit einer hohen Beladung verbanden. In der Anwendung litten sie allerdings darunter, dass sie in Lösungsmitteln quollen und nur begrenzte Druckstabilität aufwiesen. In große Glassäulen gepackt, führte dies dazu, dass sie nur mit geringen Fließgeschwindigkeiten betrieben werden konnten, wollte man ein Kollabieren des Bettes vermeiden. Mitte der 80er-Jahre wurde dieses Problem durch das Aufziehen der chiralen Selektoren auf eine poröse Kieselgelmatrix gelöst. Blaschke arbeitete in dieser Zeit mit der Firma Merck zusammen und entwickelte die chirale Phase Chiraspher® • Zeitgleich wurde mit der dynamischen axialen Kompression (DAC) ein Packverfahren für präparative Säulen entwickelt, das den Betrieb großer Säulen mit hoher Effizienz ermöglichte.
Es bedurfte jedoch noch der kontinuierlichen Gegenstromfahrweise in Form des Simulated Moving Bed, um die präparative Enantiomerentrennung in der pharmazeutischen Industrie im großen Stil zu etablieren. Durch die Firma Novasep wurden Mitte der 90er-Jahre die ersten Anlagen entwickelt, die in der Lage waren, die hohen Reinheitsanforderungen von über 99% zu erfüllen. Im Jahr 2005 wurden Anlagen mit sechs Säulen bei einem Säulendurchmesser von bis zu einem Meter betrieben. Die Produktion von sechs Arzneistoffen überschritt dabei die Menge von 1500 Tonnen reinem Enantiomer pro Jahr.
Superschnelles Screening und Assayentwicklung
Dr. S. Heitmeier, Bayer HealthCare, Wuppertal, stellte Ansätze zur Leitstrukturfindung mittels Ultrahochdurchsatzscreening (uHTS) vor und ging dabei insbesondere auf technische Aspekte, auf die Assayentwicklung sowie auf die Auswertung der erhobenen Daten ein. Die technischen Grundlagen werden durch den Aufbau von Bibliotheken mit mehreren Millionen Substanzen und vollautomatischer Logistik, durch die automatisierte Testdurchführung mit Robotersystemen und durch die Miniaturisierung der Testvolumina (weniger als 10 Mikroliter) gelegt. Automatisierung und Miniaturisierung ermöglichen die Testung von mehr als 200.000 Substanzen pro Tag.
Nach Identifizierung eines geeigneten körpereigenen Zielmoleküls (Targets), für dessen Modulation eine neue Leitstruktur gesucht wird, steht die Assayentwicklung im Vordergrund. Neben Bindungsassays können auch funktionelle biochemische (vor allem enzymatische) und zellbasierte Tests verwendet werden. Wichtig hierbei ist, dass die Assays robust genug sind, um die Streuung der Messwerte klein zu halten, aber empfindlich genug sind, um potenzielle Hits zu identifizieren.
Maßgeschneiderte Softwarelösungen können die großen Datenmengen, die durch die Testung anfallen, zeitsparend analysieren. Der Vergleich der Daten verschiedener Testungen in einer Datenbank erlaubt die Identifizierung von unspezifischen Substanzen und Detektionsartefakten unter den gefundenen Hits. Unter den aktiven Substanzen werden potenzielle Leitstrukturen ausgewählt, die anschließend optimiert werden.
Impulse auf vielen Gebieten
Professor Blaschke berichtete zum Abschluss des Symposiums von seiner Lehrtätigkeit an der Universität Sassari auf Sardinien, wo er seit knapp fünf Jahren die Vorlesung in pharmazeutischer Chemie hält. Zudem erzählte er von Land und Leuten auf Sardinien.
Das Symposium zeigte, welchen Einfluss die Ideen von Professor Blaschke auf unterschiedliche aktuelle pharmazeutische Forschungsgebiete in Industrie und Universität haben. Durch sein Interesse für Probleme der Chiralität von Arzneistoffen, Möglichkeiten der präparativen und analytischen Enantiomerentrennung und der Bioanalytik von Arzneistoffen hat er viele Impulse gegeben, die noch lange nachwirken werden. Wir wünschen Prof. Blaschke weiterhin Gesundheit, viel Spaß bei seiner Lehrtätigkeit und alles Gute! <
Georg Hempel
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