Arzneimittel und Therapie

Vermehrt Infektionen mit Hantaviren in Süddeutschland

Seit Beginn des Jahres hat die Zahl der übermittelten Hantavirus-Infektionen in Süddeutschland deutlich zugenommen. Im Zeitraum von Anfang Januar bis Mitte April 2007 wurden 119 Hantavirus-Erkrankungsfälle an das Robert-Koch-Institut übermittelt. Dieser Wert liegt dreimal höher als in den Vorjahren 2001 bis 2006. Im Vergleichszeitraum waren im Durchschnitt 33 Erkrankungen aufgetreten.

Der überwiegende Teil der Erkrankungen ist aus Baden-Württemberg übermittelt worden. Die übrigen Fälle verteilen sich auf Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen. In Baden-Württemberg lebt die Mehrzahl der Betroffenen auf der Schwäbischen Alb oder angrenzenden Regionen, einem bekannten Endemiegebiet für Hantaviren. Besonders häufig betroffen sind Männer im berufstätigen Alter von 18 bis 65 Jahren.

Der überwiegende Teil der Virusinfektionen verläuft unbemerkt, der Krankheitsverlauf ist asymptomatisch oder so leicht, dass die Infektion dem Betroffenen gar nicht auffällt. Symptomatische Erkrankungen werden unter dem Begriff hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) zusammengefasst, wobei der Schweregrad des Verlaufs vom Typ des ursächlichen Virus abhängt.

Die Inkubationszeit beträgt in der Regel zwei bis vier Wochen. Die Hantavirus-Erkrankung beginnt meist mit schnell einsetzendem hohem Fieber (über 38 °C), das bis zu vier Tagen anhält. Begleitend treten unspezifische grippeähnliche Symptome wie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen auf. Charakteristisch ist bei einem Teil der Patienten eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz, die reversibel ist. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) führen die in Europa vorkommenden Hantaviren allerdings nur selten zu Erkrankungen der Lunge.

In Deutschland meldepflichtig

Hantaviren kommen weltweit vor. Sie gehören zur Familie der Bunyaviridae, Genus Hantavirus. Der Name leitet sich vom innerkoreanischen Grenzfluss Hantaan ab. Während des Koreakrieges Anfang der 50er Jahre erkrankten mehr als 3000 Soldaten an einem schwer verlaufenden hämorrhagischen Fieber. Die 1977 isolierten Bunyaviren sind umhüllte sphärische RNA-Viren mit einem Durchmesser von ca. 90 bis 100 nm. Es werden eine größere Zahl von humanpathogenen Virustypen unterschieden, die mit jeweils spezifischen Nagerspezies, meist Ratten und Mäuse, als Reservoirwirten assoziiert sind. Die bekanntesten Virustypen sind Hantaan-, Puumala-, Dobrava-, Seoul-, Sin-Nombre- und das Andesvirus. In Deutschland sind Infektionen mit Puumalavirus (vor allem im Süden und Westen des Landes) und Dobravavirus (vor allem im Osten und Norden) vorherrschend. Die Hantavirus-Infektion ist in Deutschland gemäß IfSG meldepflichtig.

Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom

Die in Mittel- und Nordeuropa vorkommenden Hantaviren verursachen in der Regel ein mildes, häufig auch asymptomatisches hämorhagisches Fieber mit renalem Syndrom. Diese europäische milde Form wird als Nephropathia epidemica bezeichnet. Dabei treten selten Blutungen auf. Bei bis zu einem Drittel der Erkrankten ergibt sich ein schwererer Verlauf. Die Erkrankung beginnt auch hier meist abrupt mit hohem Fieber und unspezifischen Allgemeinsymptomen. Nach wenigen Tagen treten ausgeprägte Lumbalgien, abdominale Schmerzen, Schwindel und Erbrechen auf. Diese Phase ist durch eine Hypotension bis hin zum Schock und weitere hämostatische Störungen gekennzeichnet, die sich beispielsweise im Auftreten von konjunktivalen Einblutungen und Petechien der Haut manifestieren können. Im weiteren Verlauf kommt es zum Anstieg der Nierenretentionswerte bis hin zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz. Die Letalität der moderaten bis schweren Formen des hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom beträgt 5 bis 15%. Bei bis zu einem Drittel der Erkrankten ergibt sich ein schwererer Verlauf: Beim Hantavirus-induzierten kardiopulmonalen Syndrom kommen in einer späteren Phase vier bis zehn Tage nach Symptombeginn Husten, Tachy- und Dyspnoe hinzu. Es kommt zur kardiopulmonalen Dekompensation mit Lungeninfiltration (pulmonales Ödem) und Entwicklung eines rasch progredienten Atemnotsyndroms. Eine Anämie kann Monate fortdauern. Die Letalität liegt bei diesen Verlaufsformen zwischen 40 und 50%.

Kontakt mit Nagetieren meiden

Die Hantavirus-Erkrankung wird in erster Linie rein symptomatisch behandelt. Dies umfasst eine intensivmedizinische Betreuung zur Beherrschung von Blutungen und zur Stabilisierung des Kreislaufs sowie die Therapie der akuten Niereninsuffizienz mittels Dialyse. Aktuell stehen weder ein zugelassener Impfstoff noch eine spezifisch gegen den Erreger gerichtete Therapie zur Verfügung. Daher ist die Expositionsprophylaxe die wichtigste Maßnahme, um eine Infektion zu verhindern. So sollten Kontakte mit den Ausscheidungen von Nagetieren vermieden werden. Insbesondere in Keller, Dachböden oder Schuppen gilt es, Mäuse und Ratten intensiv zu bekämpfen und die Hygienemaßnahmen einzuhalten. Infektionsgefährdet sind insbesondere Personen, die durch ihre Arbeit einen Kontakt zu infizierten Nagern und deren Exkrementen haben, wie Waldarbeiter, Beschäftigte in der Landwirtschaft und Laborpersonal.

Quelle

Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts Nr. 14 vom 5. April 2007.

RKI-Ratgeber Hantaviren. Merkblatt für Ärzte. Stand 1. September 2006.ck

Übertragung durch Tröpfchen-
infektion
Das Reservoir von Hantaviren sind wildlebende asymptomatisch infizierte Nagetiere, die das Virus über Speichel, Kot und Urin ausscheiden. Der Mensch infiziert sich in der Regel durch das Einatmen erregerhaltigen Staubes, durch den Kontakt der verletzten Haut mit kontaminiertem Staub oder über infizierte Hände (Tröpfcheninfektion), selten auch durch Nagetierbisse. Der in Deutschland vorherrschende Virustyp Puumala wird durch die Rötelmaus (Myodes glareolus) übertragen. Eine Übertragung von Hantaviren von Mensch zu Mensch findet bei den in Europa und Asien prävalenten Virustypen nicht statt.

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