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- DAZ 18/2007
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Arzneimittel und Therapie
HIV-Infektion
Raltegravir hemmt die virale Integrase
Mit Raltegravir (MK-0518, vorgesehener Handelsname Isentress®) befindet sich ein erster Vertreter der neuen Klasse der Integrasehemmer in der Entwicklung, die zur Behandlung der HIV-Infektion eingesetzt werden. Das Enzym Integrase sorgt dafür, dass das viruseigene Genom in das Genom der Wirtszelle eingebaut wird.
Die Integrase ist eines von drei bis jetzt bekannten Enzymen, die für eine erfolgreiche Replikation des HI-Virus notwendig sind: Reverse Transkriptase, Protease und Integrase. Momentan werden zur Behandlung der HIV-Infektion Reverse-Transkriptase- oder Protease-Inhibitoren eingesetzt, gegen die das HI-Virus zunehmend Resistenzen entwickelt. Ein Arzneimittel zur Hemmung der Integrase gab es bisher nicht.
Die Integrase besteht aus 288 Aminosäuren und wird vom HIV-pol-Gen kodiert. Das Enzym ist bei der Integration viraler DNA in die Wirts-DNA im Zellkern involviert und für die Vermehrung von HIV essenziell, was es zu einem interessanten Ansatzpunkt antiviraler Arzneimittel macht. Ein weiterer, zumindest theoretischer Vorteil: In menschlichen Zellen gibt es wahrscheinlich keine Integrase.
Die Integration viraler DNA verläuft über mehrere Schritte, die theoretisch gehemmt werden können:
• Zunächst entsteht durch die Bindung des Integrase-Enzyms an die virale DNA im Zytoplasma ein relativ stabiler sogenannter Präintegrationskomplex. Diesen Schritt könnten Integrase-DNA-Bindungshemmer unterbinden.
• In einem ersten katalytischen Schritt schneidet die Integrase ein Dinukleotid an beiden Enden der viralen DNA heraus und produziert neue Hydroxylenden. Diesen Schritt könnten Prozessierungsinhibitoren verhindern.
• Nachdem der so veränderte Präintegrationskomplex in den Zellkern eingeschleust wurde, bindet die Integrase an die Wirts-DNA. Dabei vermittelt sie das Andocken und die irreversible Bindung der Hydroxylenden der viralen DNA an die Phosphodiesterbrücken der Wirts-DNA. Dieser Schritt wird durch die beiden momentan am weitesten entwickelten Integrasehemmer Raltegravir und Elvitegravir, sogenannte Strangtransfer-Inhibitoren, gehemmt.
• Die Kombination aus viraler DNA und Wirtszell-DNA ergibt ein intermediäres Produkt mit Lücken, die durch wirtszelleigene Reparaturenzyme repariert werden. Hierfür ist möglicherweise keine Integrase mehr notwendig. Die Reparatur kann aber zum Beispiel durch Methylxanthine gehemmt werden.
Intergrasehemmer Raltegravir und Elvitegravir
Raltegravir ist der Intergrasehemmer, dessen Entwicklung am weitesten fortgeschritten ist. Integrasehemmer verhindern den Einbau der HIV-DNA in die menschliche DNA. Dadurch wird die Fähigkeit des Virus blockiert, sich zu vermehren und neue Zellen zu infizieren. Neben Raltegravir ist noch Elvitegravir in der klinischen Entwicklung, und weitere Substanzen befinden sich in den "Pipelines" der Hersteller.
Dosisfindungsstudie
Mitte April wurden die Ergebnisse einer Dosisfindungsstudie mit Raltegravir im Lancet veröffentlicht. In dieser Studie wurden 178 Patienten, die im Mittel bereits knapp zehn Jahre antiretrovirale Therapien bekommen hatten und gegen viele Arzneimittel resistent waren, in vier Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe bekam nur die Hintergrundbehandlung plus Placebo-Kontrolle, die anderen drei bekamen die Hintergrundbehandlung plus 200, 400 oder 600 mg Raltegravir zweimal pro Tag.
Bei den Patienten, die Raltegravir einnahmen, sank die Menge an HIV-RNA um 98%, verglichen mit einem nur 45-prozentigen Rückgang in der Placebogruppe.
Mit allen drei Dosierungen von Raltegravir ging bereits in der zweiten Woche die Viruslast um zwei log10-Einheiten zurück. Bei 65% der Patienten lag die Viruslast auch 24 Wochen nach Beginn der Therapie noch unter der Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml, bei den Placebo-Patienten waren es nur 13%. Bei 11% der Patienten wurde die Raltegravir-Therapie wegen zu schwacher Wirkung abgebrochen, gegenüber einer Abbruchrate von 60% unter Placebo.
Auch die Zahl der CD4-Zellen wurde durch die Einnahme von Raltegravir signifikant erhöht. Patienten, die 400 und 600 mg erhielten, zeigten um 113 beziehungsweise 94 Zellen pro Milliliter Blut erhöhte CD4-Zahlen, was die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden Aids-Erkrankung deutlich vermindert.
Raltegravir erwies sich in dieser Studie als sicher, gut verträglich und zeigte bei den meisten Patienten gute Wirksamkeit. Insbesondere traten Störungen des Fettstoffwechsels nicht auf, die unter der Therapie mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen problematisch sein und langfristig zu kardiovaskulären Problemen führen können. Da die Studiendauer nur 24 Wochen betrug, sind allerdings nur begrenzte Aussagen zur langfristigen Toxizität von Raltegravir möglich
Positive Ergebnisse aus Phase-III-Studien
Die Dosierung von zweimal täglich 400 mg wurde in zwei multizentrischen, doppelblinden, randomisierten placebokontrollierten Phase-III-Studien an 462 Patienten (plus 237 Patienten unter Placebo) untersucht. Erste Ergebnisse der beiden Studien (BENCHMARK-1 und -2) wurden Ende Februar bei der 14. Annual Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) in Los Angeles vorgestellt. Die HIV-positiven Patienten waren zuvor rund elf Jahre lang mit antiretroviralen Therapien behandelt worden, und bei ungefähr 90% war vor Aufnahme in die Studie Aids diagnostiziert worden. Antiretrovirale Therapien hatten bei ihnen versagt, und multiresistente HI-Viren waren nachweisbar. Die Patienten erhielten 400 mg Raltegravir oder Placebo, jeweils zweimal täglich oral zusätzlich zu einer optimierten Hintergrundtherapie, die auf Basis der vorausgegangenen Therapieanamnese der Patienten und der Ergebnisse der HIV-Resistenztests ausgewählt wurde.
Um das bestmöglichste Behandlungsschema für jeden Patienten zuzulassen, wurden Darunavir und Tipranavir für die Hintergrundtherapie erlaubt. Diese Wirkstoffe befanden sich zum Zeitpunkt der Studie in vielen Ländern im Prüfstadium. Das Studienprotokoll ist auf 156 Wochen angelegt.
Höhere antiretrovirale Aktivität als Placebo
Nach 16 Wochen zeigte sich, dass Raltegravir in Kombination mit optimierter Hintergrundtherapie eine signifikant höhere antiretrovirale Aktivität aufwies als Placebo in derselben Kombination. In beiden Phase-III-Studien reduzierte sich bei mehr als 75% der Patienten, die zusätzlich zu ihrer Therapie Raltegravir erhielten, die Viruslast (HIV-RNA) auf weniger als 400 Kopien/ml. Das war nur bei rund 40% der Patienten, die zusätzlich Placebo erhielten, der Fall.
Ferner reduzierte sich bei rund 60% der Patienten unter Raltegravir-Zusatztherapie die Viruslast auf unter 50 Kopien/ml (untere Nachweisgrenze), im Vergleich zu etwa 34% der Patienten, die Placebo plus Hintergrundtherapie erhielten.
Die CD4-Zellzahlen stiegen gegenüber den Ausgangswerten um 83 und 86 Zellen/mm3 in der Raltegravir-Gruppe und um 31 und 40 Zellen/mm3 in der Placebo-Gruppe. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in Woche 24 beobachtet.
Gut verträglich
Beide Studien zeigten außerdem, das Raltegravir plus Kombinationstherapie bei 16-wöchiger Behandlung im Allgemeinen gut vertragen wurde. Die Verträglichkeit von Raltegravir war mit der von Placebo plus Kombinationstherapie vergleichbar. Unerwünschte Wirkungen, die zu einem Abbruch führten, traten bei neun Patienten unter der Behandlung mit Raltegravir und bei fünf Placebo-Patienten auf.
Die häufigsten (mindestens 3% der Patienten) Nebenwirkungen waren Diarrhö und Übelkeit, ein aufgeblähtes Abdomen, abdominelle Schmerzen, Flatulenz, Kopfschmerzen und Müdigkeit.
Der Zulassungsantrag für Raltegravir bei der FDA soll noch vor dem 1. Juli 2007 gestellt werden.
QuellePresseinformation von MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar, April 2007.
Grinsztejn, B.; et al.: Safety and efficacy of the HIV-1 integrase inhibitor raltegravir (MK-0518) in treatment-experienced patients with multidrug-resistant virus. Lancet 369, 1261-1269 (2007).
Priv. Doz. Dr. med. Christian Hoffmann in www.HIV.net, 15. Auflage, 2007.
hel
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