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- DAZ 18/2007
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Seite 3
Nerven behalten
Man konnte es ahnen. Seit zwei, drei Monaten: Fritz Oesterle hier, Fritz Oesterle da. Auf allen Kanälen – von der Süddeutschen, übers Handelsblatt bis hin zur PZ – die Geschichten des Oe. mit der immergleichen Botschaft: "Für die deutschen Apotheken ist es fünf nach zwölf – Das Fremdbesitzverbot wird fallen – Die deutsche Politik muss eine ‚Liberalisierung in geordneten Bahnen‘ organisieren." Jetzt wird klar: So ganz interessenfrei waren die Prognosen und Kaffeesatzlesereien nicht. Eher wohl kalkuliert und von langer Hand vorbereitet.
Zumindest kann jetzt niemand mehr sagen, er habe von nichts gewusst. Der Chef selbst garantiert: Celesio/Gehe/DocMorris betreiben offen und offensiv den Aufbau einer eigenen Apothekenkette in Deutschland, bei der wohl mehr als nur das Apotheken-A abgeschraubt werden soll. Mit welchem Nachdruck hatte Oesterle noch vor einiger Zeit, auch in der DAZ, seine hehren Absichten bei der Verteidigung des in Deutschland geltenden Approbationsgebots für Apothekeninhaber vorgetragen! Und jetzt? Was interessiert mich mein … von gestern, mag der gelernte Schwabe denken. Dabei könnte sich der eloquente Einser-Jurist nunmehr durchaus bleibende Verdienste erwerben: Als neuer Herr über DocMorris ist er in der Lage, seine erworbene Saarbrücker Fremdbesitzapotheke zu schließen (oder sie meinetwegen in ein Franchise-Modell zu überführen) und damit das EuGH-Verfahren obsolet werden zu lassen. Man wird den Celesio-Chef fragen müssen, warum er es nicht tut. Und auch, warum er stattdessen lieber "proaktiv" bemüht ist, das bestehende Fremdbesitzverbot kippen zu lassen.
Es ist wohl der Hunger auf die Apothekenmarge, die Celesio/Gehe umtreibt. Das ist aus der Sicht einer Kapitalgesellschaft, die immer mehr haben wollen muss, nachvollziehbar. Aber sind die Stuttgarter wirklich gut beraten, wenn sie sich bei der Umsetzung ihrer Ketten-Pläne des Kombattanten Ralf Däinghaus bedienen? Und was ist damit gemeint, wenn in einem Eil-Brief an alle Gehe-Kunden von "neuen Chancen" durch den DocMorris-Deal gesprochen wird? Neue Chancen für wen?
Man darf gespannt sein, ob die Rechnung aufgeht. Wie die Wirtschaftspresse auf den Coup reagiert hat, muss für das Duo Oesterle/Däinghaus (daran wird man sich erst gewöhnen müssen) jedenfalls ernüchternd gewesen sein. Von kochenden Apothekern war die Rede und, in der FAZ, von Kunden, "die fluchen und sich geohrfeigt fühlen von einem Konzern, der ihnen als Großhändler einerseits die Ware verkauft und ihnen andererseits durch den Einstieg bei DocMorris bald direkte Konkurrenz machen wird". Oesterle spielt mit hohem Risiko und suggeriert Gewissheiten, wo er in Wirklichkeit nur spekulieren kann. Seine Prognosen sind weder wahrscheinlich noch gar zwingend, sondern bestenfalls Ausdruck einer Mischung aus Wunschdenken und vorauseilendem Gehorsam.
Noch ist nichts entschieden. Auch nach dem Optiker-Urteil, auf das sich Oesterle bezieht, ist offen, ob der Europäische Gerichtshof das deutsche Fremdbesitzverbot für Apotheken (oder Teile davon) für gemeinschaftswidrig erklären wird oder nicht. Immerhin begründet das Verwaltungsgericht des Saarlandes, das im Fall Hecken/DocMorris angerufen worden war, seinen Vorlagebeschluss mit Zweifeln, ob die kursorischen Ausführungen des EuGH über den Zugang zu Optiker-Fachgeschäften tatsächlich auch auf Apotheken übertragen werden dürfen. Mit der Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken könne nämlich ein deutlich höheres Gesundheitsrisiko verbunden sein als beim Verkauf von Brillen.
Aber selbst wenn der EuGH im Sinne von DocMorris/Hecken/Oesterle entscheiden sollte, wären ausländische Kapitalgesellschaften nicht in der Lage, den deutschen Apothekenmarkt heuschreckenartig und über Nacht zu besetzen. Sie müssten nämlich auch dann die anderen Vorgaben des deutschen Apothekenrechts, wie z. B. das Verbot des unbegrenzten Apothekenmehrbesitzes, erfüllen und beachten. Mit anderen Worten: Auch dann würde das Primat der Politik, an dem Oesterle angeblich so viel liegt, gewahrt, da der Gesetzgeber genügend Zeit hätte, den Apotheken-Fremdbesitz "in geordneten Bahnen" auszugestalten.
Es gilt jetzt die Nerven zu behalten. Die Politik ist gut beraten, den ausgelegten Ruten interessierter Kreise und Konzerne nicht auf den Leim zu gehen. Dass das Gesundheitsministerium bislang dem aufgebauten Druck widerstanden hat, ist beachtlich. Fest steht: Wer einen Plan B aus der Tasche zieht, bevor über A entschieden ist, hat schon verloren. Fest steht auch: Das Approbationsgebot für Apothekeninhaber ist kein Auslaufmodell, sondern ein wirksames Instrument des Verbraucherschutzes in den allermeisten europäischen Mitgliedstaaten (Österreich, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien, Ungarn und Zypern). Der Deutsche Bundestag hat dies in großer Einmütigkeit von CDU/CSU, SPD, Linke und FDP im September letzten Jahres noch einmal bestätigt (vgl. DAZ 2006, S. 4304 ff.).
Auch wenn die Felle schon verteilt werden. Der Bär ist noch nicht erlegt. Und er könnte noch ganz schön munter bleiben.
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