Medizin

Was ist eigentlich ... Schluckauf?

Er kommt immer im falschen Augenblick. Sei es nach dem Essen mit dem Chef, kurz vor dem Einschlafen oder mitten in einer Prüfung – der Schluckauf, medizinisch als "Singultus" bezeichnet. Bei dem Einen dauert er nur wenige Minuten, andere wiederum leiden jahrelang an dem chronischen "Hicks".

Hicksen ohne Ende

Selbst berühmte Persönlichkeiten können sich nicht immer vor den Folgen schützen: Von Papst Pius dem XII. wird etwa berichtet, er habe tagelang unter einem Schluckauf gelitten, der mit einer Gastritis einherging. Zu den Patienten mit chronischem Schluckauf gehört der Kalifornier Jack O‘Leary. Sein Schluckauf begann am 13. Juni 1948 und endete am 1. Juni 1956. Oder Charles Osborne (1894 – 1991) aus Iowa: Volle 68 Jahre (von 1922 bis 1990) hickste er sich durch die Welt. Mit fast 430 Millionen "Hicksern" hält er den traurigen Weltrekord im Dauerschluckauf. Dies schien ihm jedoch nicht viel ausgemacht zu haben. Lediglich seine dritten Zähne seien ihm hin und wieder herausgefallen.

Beim Schluckauf kommt es zu unwillkürlichen, schnellen Kontraktionen des Zwerchfells vermittelt durch den Nervus phrenicus. Der Nervus phrenicus entspringt im Halsbereich und verläuft im Mediastinum durch die Brusthöhle in Richtung Zwerchfell. Er entspringt dem 3. bis 5. Halssegment und ist ein Ast des Plexus cervicalis. Streng genommen handelt es sich beim Schluckauf also um eine Art Reflex, wodurch sich die Nicht-Steuerbarkeit erklären lässt. Durch die rhythmische Verkrampfung des Zwerchfells wird die Lunge ruckartig ausgedehnt und saugt Luft an (Bauchatmung). Gleichzeitig verschließt sich die Stimmritze, weswegen die eingeatmete Luft gegen die geschlossene Stimmritze prallt und das typische Geräusch verursacht. Medizinisch gesehen ist ein akuter Schluckauf völlig harmlos und unbedeutend, dennoch sind die "Hickser" lästig und können – wenn der Schluckauf lange anhält oder sogar chronisch wird – körperliche und psychische Einschränkungen bis zum Suizid nach sich ziehen.

Länger als 28 Stunden: chronischer Singultus

Ein Schluckauf gilt als chronisch, wenn er länger als 28 Stunden dauert. Deutschlandweit leiden etwa 100 Menschen an dem chronischen Schluckauf.

In diesem Fall muss kontrolliert werden, welche Ursache dahinter steckt. So können eine vorausgegangene Operation, ein Tumor, eine Blutung, eine Stoffwechselstörung, zu viel Alkohol, Magen-/Darmerkrankungen oder ein Medikament Auslöser sein. Am häufigsten lösen jedoch ganz alltägliche Dinge oder Situationen die Zwerchfellkontraktion aus. Sehr häufig führen der Verzehr zu kalter beziehungsweise heißer Speisen oder Getränke, Alkohol, zu hastiges Essen oder Trinken, eine Schwangerschaft oder Stress zu der Muskelkontraktion.

Atemtraining für die Geburt

Eine Form des Schluckaufs hat auch seine Daseinsberechtigung, allerdings nur solange, wie sich der Mensch im Fruchtwasser der Gebärmutter befindet. Hier bereitet sich der Fötus auf die Geburt vor, vor allem auf die Atmung. Der intrauterine Schluckauf ist nichts anderes als ein Atemtraining. Eine Trainingseinheit dauert im Schnitt zwischen vier und acht Minuten. Die geschlossene Stimmritze verhindert dabei das Einfließen von Fruchtwasser.

Erster Behandlungsversuch: Hausmittel

Beim chronischen Schluckauf ist ein stufenweises Vorgehen sinnvoll. Am Anfang stehen einfache, nicht-medikamentöse Maßnahmen. Hierunter fallen die üblichen Hausmittel wie Atemanhalten, CO2 -Rückatmung, Trinken von Eiswasser, Erschrecken, Manipulation an Pharynx oder Uvula sowie Schlucken von grobkörnigem Zucker. Allen Therapiemaßnahmen gemeinsam ist eine Unterbrechung des Reflexbogens beziehungsweise Stimulation des Nervus vagus.

Medikamente, wenn Hausmittel versagen

Brachten die Hausmittel keinen Erfolg, ist die medikamentöse Therapie an der Reihe. Eingesetzt werden unter anderem Baclofen (mit dem größten Erfolg), Gabapentin, Chlorpromazin, Metoclopramid oder Valproinsäure. Weiterhin eingesetzt werden können zentral wirksame Wirkstoffe wie Neuroleptika, Antiepileptika, Sedativa oder Antidepressiva. Empfehlenswerte peripher wirksame Stoffe sind Anticholinergika, Muskelrelaxanzien, Antiphlogistika, Steroide oder Prokinetika.

Suggestive Therapien als dritte Möglichkeit

Dritte Maßnahme bei bisherigem Misserfolg sind nicht-medikamentöse, suggestive Therapien. Hierzu zählen einerseits Beatmungstechniken wie CPAP-Beatmung (CPAP = continuous positive airway pressure) sowie Suggestiv-Manöver wie Akupunktur, Hypnose oder Psychotherapie.

Invasive Maßnahmen, wenn alles nicht hilft

Erst wenn alles nicht geholfen hat, sollten invasive Maßnahmen in Augenschein genommen werden. Eine Maßnahme ist die zeitweilige (durch Leitungsblockade) oder permanente (durch chirurgische Durchtrennung) Unterbrechung des Nervus phrenicus. Eine neue Möglichkeit kommt aus den USA. Dabei handelt es sich um den Nervus-vagus-Stimulator. Der im Durchmesser etwa fünf bis sechs Zentimeter große Stimulator wird unter die Haut im Brustbereich implantiert, Elektroden werden um den linken Vagusnerven gewickelt. Dieses bisher vor allem bei Patienten mit therapieresistenter Epilepsie eingesetzte Verfahren reizt den Nervus vagus. Allerdings ist es bisher lediglich an vier Patienten in den USA getestet worden. Während bei einem Patienten der Schluckauf verschwand, besserte sich beim anderen zumindest die Symptomatik. Die beiden anderen hatten sich nach der Flut durch den Hurrikan Katrina nicht mehr bei den Ärzten gemeldet.

Bei der Behandlung von chronischem Schluckauf hilft letztlich nur das Ausprobieren verschiedener Möglichkeiten. Obwohl es viele Publikationen zu diesem Thema gibt, bereitet die Behandlung den Ärzten nach wie vor viel Kopfzerbrechen.

Quelle:

Launois et al.: Hiccup in adults: an overview. European Respiratory Journal 6, 563-575 (1993).

Andresen,V., Layer, P.: Therapiehandbuch P 19 Schluckauf. www1.us.elsevierhealth.com/THB/chapter_P019.php

Anschrift des Verfassers:

Dr. Ingo Blank

Burgenstr.

71116 Gärtringen

w Internettipps

Hausmittel, Tipps und Tricks gegen den Schluckauf

Chronischer Schluckauf: Das Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin der Universität Heidelberg behandelt Menschen mit chronischem Schluckauf.

Kopfstand, Luftanhalten, Eiswassertrinken – gegen Schluckauf hilft letztlich nur das Ausprobieren verschiedener Möglichkeiten – ein Patentrezept gibt es nicht.

(Im Bild: Die Skulptur "Frank and Jamie" des Künstlers Maurizio Cattelan wurde 2005 bei Christie's in New York versteigert. Ob die beiden Polizisten an Schluckauf litten, ist unbekannt.)
Foto: Imago

i Schluckauf

Schluckauf kann ein erstes Anzeichen einer schweren Erkrankung sein. Er kann ausgelöst werden durch

einen akuten Herzinfarkt

andauerndes Sodbrennen

einen Schlaganfall

eine Bauchfellentzündung

Magenkrebs

schweren Durchfall

eine Gehirnentzündung

eine Blutung im Gehirn

einen Darmverschluss

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