Arzneimittel und Therapie

Feinstaubbelastung

Verschmutzte Luft kann das Herz schädigen

Frauen, die in Gegenden mit starker Luftverschmutzung leben, haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so das Fazit einer amerikanischen Studie mit mehr als 65.000 Teilnehmerinnen. Noch ist unklar, warum die Luftverschmutzung zu kardiovaskulären Erkrankungen führt. Möglicherweise lagern sich die feinen Partikel in den Gefäßen ab und beschleunigen atherosklerotische Prozesse.

Verschmutzte Luft macht krank. Dies wurde bereits vor mehr als zehn Jahren anhand epidemiologischer Studien nachgewiesen, die einen Zusammenhang zwischen einem Mortalitätsanstieg und einer erhöhten Konzentration feiner Partikel in der Luft aufzeigten. Auch weitere Untersuchungen weisen auf eine Beziehung zwischen starker Luftverschmutzung und einem erhöhten Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Mit letzteren befasste sich eine aktuelle Studie, die die langfristigen Folgen einer Luftverschmutzung auf die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse bei postmenopausalen Frauen untersuchte. Die erforderlichen Daten lieferte die Women`s Health Initiative Observational Study, eine prospektive Kohortenstudie, in der die häufigsten Ursachen für Mortalität und Erkrankung bei Frauen nach der Menopause untersucht wird.

Für die Untersuchung wurden während rund zehn Jahren die Krankengeschichten von 65.893 herzgesunden Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren aufgezeichnet, die in 36 Städten in den USA lebten. Das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse wurde mit dem Grad der Luftverschmutzung in Beziehung gesetzt, der am Wohnort der Probandin gemessen wurde. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf kleinste Luftpartikel (Feinstaub) mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 2,5 µm gelegt (PM 2,5). Unter Berücksichtigung von Alter, sozio-ökonomischem Status, Rauchverhalten und weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren (Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck, Hyperlipidämie) wurde die Hazard ratio für ein erstmals aufgetretenes kardiovaskuläres Ereignis ermittelt.

Kardiovaskuläre Ereignisse bei hohem Feinstaub

Bei 1816 Frauen war ein tödliches oder nicht tödliches kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten. Die Probandinnen waren Feinstaubwerten zwischen 3,4 und 28,3 µg pro Kubikmeter Luft ausgesetzt gewesen. Jeder Anstieg von 10 µg Feinstaub pro Kubikmeter Luft war mit einem 24%igen Risikoanstieg für kardiovaskuläre Ereignisse (Hazard ratio 1,24; 95% Konfidenzintervall 1,09 bis 1,41) und einem 76%igen Anstieg für Tod aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses (Hazard ratio 1,76; 95% Konfidenzintervall 1,25 bis 2,47) assoziiert. Auch das Risiko für cerebrovaskuläre Ereignisse stieg mit erhöhten Feinstaubwerten an (Hazard ratio 1,35; 95% Konfidenzintervall 1,08 bis 1,68).

Auf welche Art und Weise der Feinstaub kardiovaskuläre Schäden hervorruft, ist unbekannt. In experimentellen Versuchen wurden eine beschleunigte Atherosklerose und vermehrte Plaquerupturen beobachtet. Auch konnte eine Korrelation zwischen der Luftverschmutzung und der Intima- und Mediaverdickung der Halsschlagader beobachtet werden.

Quelle

Miller, K.; et al.: Long-term exposure to air pollution and incidence of cardiovascular event in women. N. Engl. J. Med. 356 , 447-458 (2007).

Dockery, D.; et al.: Cardiovascular risks from fine particulate air pollution. N. Engl. J. Med. 356 , 511-513 (2007).

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Als Schweb- oder Feinstaub (Particulate matter, PM) bezeichnet man feste oder flüssige Schwebstoffe, die in Gas suspendiert sind. Der thorakale Schwebstaub PM 10 umfasst Partikel mit einem Durchmesser von < 10 µm. Der alveolengängige Schwebstaub PM 2,5 umfasst Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 µm. Feinstäube entstehen unter anderem bei Verbrennungsvorgängen, durch mechanischen Abrieb und durch Folgereaktionen aus gasförmigen Luftschadstoffen. Hauptverursacher von Feinstäuben sind Industrie- und Verbrennungsprozesse sowie der Straßenverkehr.
Neben chemischen Eigenschaften spielt auch die Größe der Partikel eine Rolle. Die Schwebstoff-Fraktionen PM 2,5 bis PM 10 werden vorwiegend in den oberen Atemwegen abgefangen und bei intaktem Flimmerepithel nach oben befördert und abgehustet. Bei einer Vorerkrankung der Schleimhäute (Infekte, Allergien) ist dieser Selbstreinigungsmechanismus beeinträchtigt. Feine Staubteilchen ab PM 2,5 gelangen in die feinen Bronchialäste und können Entzündungsreaktionen auslösen (Bronchitis, Asthma). Die Feinstaubteilchen können mit Schadstoffen oder Endotoxinen beladen sein und diese in tiefe Lungenabschnitte befördern.
EU-Richtlinie gegen Luftverschmutzung
Um gesundheitliche Risiken durch Feinstaubbelastungen zu minimieren, hat die Europäische Union eine EU-Richtlinie mit überarbeiteten Grenzwerten verabschiedet. Demnach ist ab 2005 ein über 24 Stunden gemittelter Immissionsgrenzwert für den Partikel PM10 von 50 µg/m³ Luft einzuhalten. Es sind maximal 35 Überschreitungen dieses Tagesmittelwertes während des Kalenderjahrs zulässig. Als Immissionsgrenzwert für den Jahresmittelwert wurde eine Höhe von 40 µg/m³ Luft festgesetzt.
Gemäß der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten gefordert, die festgelegten Ziele zur Reinerhaltung der Luft zu erreichen und die schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verringern. Die Mitgliedstaaten müssen die Luftqualität überwachen und bei zu hohen Werten entsprechende Maßnahmen ergreifen. Außerdem haben sie der Kommission jährlich eine Liste derjenigen Gebiete vorzulegen, in denen die Grenzwerte nicht eingehalten wurden.

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