DAZ aktuell

Compliance-Symposium

Die Compliance stärker in die Öffentlichkeit bringen

BONN (ilm). Im Dezember 2006 fand in Bonn ein europäisches Symposium zum Thema Compliance statt (European Symposium on Patient Compliance and Persistence). Im Mittelpunkt der Diskussionen standen klinische und ökonomische Konsequenzen einer Non-Compliance. Neben Teilnehmern aus zehn europäischen Ländern nahmen auch Experten aus den USA und Kanada teil. Die DAZ sprach mit zwei Referenten und Mitgliedern des Organisationskomitees, Apothekerin Dipl.-Pharm. Susanne Roth und Apotheker Dipl.-Pharm. Sven Simons, Klinische Pharmazie Universität Bonn.

DAZ Was war die Intention des Symposions und welche Themen wurden diskutiert?

Roth: Ziel war es, auf europäischer Ebene eine Plattform für alle am Gebiet der Compliance Interessierte zu bieten. Es wurde diskutiert, welche klinischen und ökonomischen Konsequenzen die Non-Compliance hat, welche Interventionen die Compliance verbessern können und welches die geeignetste Methodik der Compliance-Erfassung und Auswertung ist.

DAZ Und aus welchen Fachrichtungen kamen die Teilnehmer?

Simons: Es waren vor allem Wissenschaftler, Ärzte, Apotheker und Vertreter der pharmazeutischen Industrie.

DAZ Gab es für Sie ein Highlight unter den Referaten?

Simons: Ja, erstmals wurde ein Projekt aus Südafrika vorgestellt, das die Compliance von HIV-infizierten Kindern mit flüssigen Arzneiformen im Rahmen einer antiretroviralen Therapie untersucht hatte.

DAZ Wieso kommt es eigentlich, dass das Compliance-Problem noch immer als ein eher akademisches, und nicht als ein praktisch relevantes Thema angesehen wird?

Roth: Das Hauptproblem besteht wohl darin, dass die wissenschaftlich erarbeiteten Methoden der Compliance-Erfassung in der Arztpraxis und in der Apotheke momentan noch relativ schwer – weil kostenintensiv und zeitaufwändig – umsetzbar sind. Praktisch am ehesten durchführbar ist die Compliance-Messung mit Hilfe des MEMS® -Behältnisses (Medication Event Monitoring System, Fa. Aardex, Schweiz), da sie relativ leicht durchführbar, aber leider auch – was Behältnis und zugehörige Software anbelangt – kostenintensiv ist. Insgesamt gesehen stellt sich die Frage, welche Leistungserbringer für die praktische Durchführung der Compliance-Messung und ihrer Verbesserung zuständig sein sollen.

DAZ Bei welchen Krankheiten beziehungsweise Therapien wirkt sich denn die Non-Compliance besonders negativ aus?

Simons: Besonders bei chronischen Krankheiten, wie Diabetes mellitus oder Hypertonie, die einer lebenslänglichen medikamentösen Therapie bedürfen. Hier ist es das Ziel, durch eine Verbesserung der Compliance eine Exazerbation der Grundkrankheit und damit Folgeerkrankungen und erhöhte Mortalität zu vermeiden.

DAZ Und welche praktischen Ansätze zur Verbesserung der Compliance zeichnen sich heute ab?

Simons: Wie wir aus den unterschiedlichen Studien wissen, ist es sehr wichtig, den Patienten im Rahmen der Arzneimitteltherapie als einen Partner zu sehen. Der Einsatz von elektronischen Messmethoden zur Erfassung der Compliance bietet die Möglichkeit – zum Beispiel durch regelmäßige Auswertung des individuellen Therapieverhaltens – Compliance-Probleme eines Patienten zeitnah zu erfassen und gemeinsam mit ihm zu besprechen.

DAZ Was ist von Compliance-Verbesserung durch die Retardierung von Arzneistoffen zu erwarten?

Simons: Auch dieses Thema wurde auf dem Symposium rege diskutiert. Entscheidend kommt es darauf an, ob die seltener anzuwendende Darreichungsform tatsächlich den gleichen therapeutischen Nutzen gewährleistet.

DAZ Und wie steht es mit dem Verblistern von Arzneimitteln?

Simons: Dieses derzeit aus unterschiedlichen Gründen viel diskutierte Verblistern könnte eine weitere Möglichkeit zur Gewährleistung einer ausreichend hohen Compliance sein.

DAZ Arzneimittelsicherheit und Compliance sind auch eine Frage der Kommunikation. Sollte hier der Apotheker im Beratungsgespräch verstärkt gefordert sein?

Roth: Selbstverständlich. Vor allem die Apotheker können in ihrer Funktion als Arzneimittelfachleute wichtige Beiträge zur Compliance-Verbesserung leisten, denn oftmals sehen Patienten ihren Apotheker häufiger als ihren betreuenden Arzt.

Simons: Auf dem Symposium wurden mehrere Projekte vorgestellt, die durch eine intensivere Einbindung des Apothekers – neben verschiedenen weiteren Zielsetzungen – Verbesserungen in der Compliance verfolgen. So betreuen an der Uniklinik Mainz Apotheker Patienten, die sich einer Nierentransplantation unterzogen haben, wodurch eine deutliche Verbesserung der Compliance bei der immunsuppressiven Therapie gezeigt werden konnte. An der Freien Universität Berlin betreuen öffentliche Apotheker nach Absolvierung einer spezifischen Schulung Alzheimer-Patienten und deren Angehörige, und bei uns in Bonn läuft eine Studie zur Compliance-Verbesserung bei Zytostatika-Patienten.

DAZ Auch die Wissenschaft sagt also, dass das informierende und aufklärende Patientengespräch durch den Apotheker wichtig ist.

Simons: Vor allem deshalb, weil Apotheker dadurch zum Krankheits- und Therapieverständnis der Patienten beitragen und damit die Bedeutung einer guten Compliance für den Therapieverlauf dem Patienten bewusst machen können.

DAZ Kommen wir zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Non-Compliance.

Roth: Durch Non-Compliance kommt es zu einer Steigerung von direkten und indirekten Kosten. Vermehrte Arztbesuche und stationäre Aufenthalte, Dosissteigerungen, Umstellungen auf neue Wirkstoffe, vermehrte Diagnostik und häufigere Krankmeldungen, sie alle sind mögliche Konsequenzen von Non-Compliance. An der Universität Bonn wird derzeit auch untersucht, inwieweit Apotheker durch Beratung nicht nur die Compliance verbessern, sondern auch dazu beitragen können, die immer weiter steigenden Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen.

DAZ Eigentlich ist es doch erstaunlich, dass die enormen Kosten, die die Non-Compliance verursacht, so wenig Beachtung finden. Woran liegt das?

Roth: Die Gesundheitspolitik sucht bei Kosteneinsparungen vor allem nach kurzfristigen Lösungen, deswegen erscheint das Gebiet der Compliance bisher nicht so naheliegend. Daher sollte es auch eine Aufgabe der Wissenschaft in den nächsten Jahren sein, die Bedeutung der Compliance einer breiten Öffentlichkeit und vor allem den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen bewusst zu machen.

DAZ Frau Roth, Herr Simons, wir danken für dieses Gespräch.

Weitere Informationen: Dipl.-Pharm. Susanne Roth / Dipl.-Pharm. Sven Simons, Universität Bonn, Pharmazeutisches Institut/Klinische Pharmazie, An der Immenburg 4, 53121 Bonn, Tel. (0228) 73-5256, Fax (0228) 73-9757

Die Abstracts zu allen Vorträgen stehen auf der Website des Symposiums unter www.adherence-meeting.eu zum kostenlosen Download zur Verfügung.

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