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Apothekertag Thüringen
Blühende Landschaften –auch für Apotheken?
Kammerpräsident Ronald Schreiber skizzierte in seiner Eröffnungsrede die drängenden Probleme: die Spargesetze mit ihren Auswirkungen (Stichwort Rabattverträge), den Versandhandel und Trittbrettfahrer (Stichwort dm-Rezeptsammelstelle), die Angriffe auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot (Stichwort Celesio und DocMorris).
Die Rabattverträge der Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern führen in den Apotheken zu Lieferengpässen, zur Verunsicherung der Patienten, zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Die für die Beratung notwendige Zeit wird dadurch geringer. Schreiber stellte dringenden Handlungsbedarf fest. Er appellierte an die Krankenkassen, verantwortungsbewusst mit dem Abschluss von Rabattverträgen umzugehen, im Sinne der Patienten.
Kritik übte der Thüringer Kammerpräsident an der Einführung des Versandhandels. Testergebnisse haben gezeigt, dass viele Versandapotheken schlecht abschneiden. Das Arzneimittel als Ware besonderer Art ist nicht für den Versand geeignet, so Schreiber. Die Politik hat registriert, dass die gerichtlich bestätigte Zulässigkeit von Rezeptsammelstellen à la dm-Drogeriemärkte problematisch ist. Er hoffe, dass die durch den nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Laumann angestoßene Bundesratsinitiative Erfolg haben wird, um den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten.
Wenn sich Celesio-Chef Fritz Oesterle mit der Übernahme von DocMorris als "Retter des deutschen Apothekenwesens" positioniert, sollte man sich das Statement des ABDA-Präsidenten Wolf vor Augen halten: "Die Maske ist gefallen." Denn mit diesem Coup stellt sich Celesio/Gehe gegen die inhabergeführte Apotheke, gegen den eigenverantwortlich entscheidenden, unabhängigen Apotheker, der frei von mächtigen Kapitalgebern handeln kann. Jeder Apotheker sollte jetzt selbst entscheiden, so Schreiber, welche Konsequenzen er aus diesem Schritt von Celesio zieht. Der Kammerpräsident wandte sich an die Politiker mit der Bitte, sich von Verheißungen solcher Unternehmen nicht instrumentalisieren zu lassen, die nur ihre eigenen finanziellen Interessen im Sinn haben – der Patient bleibt dabei auf der Strecke.
Michael Karow, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands, verdeutlichte die aktuellen Angriffe auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot: "Hier ist Gefahr in Verzug." Wenn Celesio derzeit SOS-Signale aussendet und sich als Retter des Apothekenwesens präsentiert, so müssten diese Signale umgedeutet werden in "save our shareholder", so Karow. Er wertete die Aktivitäten von Celesio als "psychologische Kriegsführung", die dazu diene, Szenarien herbeizureden, die man sich selber wünsche. Er forderte die Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, den Mehrwert der Apotheke stärker nach außen zu bringen.
Karow nannte es einen Fehler, den Versandhandel neben der Präsenzapotheke als gleichrangig zuzulassen. Die Auswirkungen zeigten sich bereits, beispielsweise steigt die Gefahr, dass Arzneimittelfälschungen auf diesem Weg verbreitet werden. Der Arzneimittelversandhandel wird der Ware Arzneimittel nicht gerecht. Karow appellierte an die Thüringer Staatsregierung, die Bundesratsinitiative zur Einschränkung des Versandhandels zu unterstützen.
Wie Schreiber beklagte auch Karow die Auswirkungen des GKV-WSG, insbesondere die Rabattverträge zwischen Kassen und Herstellern. Die Lieferengpässe in den Apotheken führten zu frustrierten AOK-Patienten. Er hoffe, dass sich die Situation bald entzerre. Immerhin habe man mit den Krankenkassen eine Verlängerung der Friedenspflicht auf 30. Juni aushandeln können, in der die Kassen von Retaxationen absehen, wenn den rabattierten Arzneimitteln nicht der Vorrang gegeben werden kann.
Dank für die Arbeit, die Apotheken täglich leisten, sagte Thüringens Gesundheitsminister Dr. Klaus Zeh. Die Apotheker sind ein wichtiger Partner im Gesundheitswesen für Ärzte, eine Vertrauensperson und Berater für die Patienten. Er erinnerte daran, dass sich sein Land für die Begrenzung des Mehrbesitzes eingesetzt habe. Nach wie vor spreche man sich gegen Apothekenketten aus. In der Zukunft sollte nach Ansicht von Zeh der Apotheker eine wichtige Rolle in der Prävention spielen, hier gebe es noch Reserven für unser Gesundheitswesen. Apotheker sollten hier Felder besetzen.
Auch der Bürgermeister von Gera, Norbert Hein, stellte die Bedeutung des Apothekers als kompetenter Berater heraus. Aber auch als Arbeitgeber haben die Apotheken eine wichtige Funktion.
Qualität zu niedrigen Kosten – dies nimmt Paul-Friedrich Loose, Geschäftsführer der Barmer Ersatzkasse der Landesgeschäftsstelle, Leipzig, als Richtschnur, an dem sich auch die Apotheken messen lassen müssen. Besonders stellte er die Erfolge des Barmer Hausapothekenmodells heraus. Die Qualität der Arzneimittelversorgung ist dadurch gestiegen, sie ist effizienter geworden, Doppelverordnungen fallen weg. Mit der Arzneimitteldokumentation steht dem Arzt eine Grundlage zur Verfügung, die Rückschlüsse auf die Medikation erlaubt und hilft, Wechsel- und Nebenwirkungen zu vermeiden – der Patient profitiert davon. Außerdem seien die Generikaverordnungen gestiegen, es würden kaum noch Me-too-Präparate verordnet.
Loose befürwortete die Rabattverträge zur Steigerung der Qualität und um Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben. Bei der Barmer handele es sich nicht um eine Billigmedizin, man habe Verträge mit großen Generikaherstellern geschlossen. Die Hausapothekenverträge der Barmer erlaubten den Apotheken zudem eine leichtere Lagerhaltung. Das GKV-WSG habe Bewegung in die Pharmabranche gebracht, Hersteller seien mit Rabattangeboten beweglich geworden. Skeptisch zeigte sich Loose über Bestrebungen verschiedener Kräfte, Kettenapotheken einzuführen: die flächendeckende Versorgung könnte dadurch gefährdet werden. Die Barmer setzt auch weiterhin auf die Hausapotheken, die Versicherten nehmen dieses Angebot der Barmer sehr gut an. diz
Beratung erlebbar machen
Die Angriffe auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot mehren sich. Die europäische Kommission, die sich vorrangig für mehr Wettbewerb einsetzt, sieht es nicht als notwendig an, dass wirtschaftliche und pharmazeutische Betriebsführung identisch sind. Sie glaubt zudem, das griechische Optiker-Urteil auf Apotheken übertragen zu können, wonach Fremd- und Mehrbesitz bei Optikern in Griechenland erlaubt wurde. Doch mit der Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots greift die Europäische Kommission in die Zuständigkeit der Länder ein: Art. 152 Abs. 5 des EG-Vertrages belässt nämlich die Kompetenz für die Organisation bei den Mitgliedstaaten. Die Hoffnung liegt nun beim Europäischen Gerichtshof, der solche Bestrebungen gelassener sieht. Neidel erinnerte an das Urteil zum Versandhandel. Hier bestimmte der EuGH nur für OTC-Arzneimittel die Freigabe als zwingend, nicht jedoch für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Man dürfe also nicht annehmen, dass alles so kommt, wie Protagonisten es gerne hätten.
Die Apothekerinnen und Apotheker sollten sich nicht Teile ihrer Freiheiten wegnehmen lassen, wenn sie sich in eine Kooperation begeben. Denn für Politiker erscheinen solche Kooperationen mehr und mehr als Kette – die Argumentation der Berufspolitiker gegenüber der Politik werde dadurch schwieriger, so Neidel.
Deutlich wandte sich der Kammergeschäftsführer gegen die Argumentation von Celesio: eindeutige Signale aus der EU, in Richtung Kette, wie es Oesterle darstellte, gebe es nicht.
Die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln war Wegbereiter für den Einstieg von dm und anderen in das System. Mit dem Urteil zum dm-Drogeriemarkt zeigt sich, dass mit dem Versandhandel die Abkehr vom Leitbild der Arzneimittelversorgung gekommen ist, die Abgabe muss nämlich nur noch von einer Apotheke und nicht mehr in einer Apotheke erfolgen. Neidel forderte dazu auf, die Initiative zu ergreifen. Als Stärken sieht er das EuGH-Urteil zum Versandhandel, die Unterstützung in Teilen der Politik und gute rechtliche Argumente. Nachteilig könnte sich auswirken, dass die Politik eigene Fehler einräumen müsste, wenn sie sich der Initiative des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laumann anschließe, der eine Begrenzung des Versandhandels auf verschreibungspflichtige Arzneimittel für denkbar hält. Auch die Macht des Faktischen könnte sich negativ auswirken, wenn beispielsweise weitere Rezeptsammelstellen nach dm-Vorbild entstünden. Jetzt habe man eine einmalige Chance, die man nutzen sollte.
Neidel forderte die Apothekerinnen und Apotheker auf, ihre Beratungspflicht ernst zu nehmen. Die Beratung solle als zentrales Element des Heilberufs erlebbar gemacht werden. Beratung ist nach Neidel ein aktiver Vorgang. Das bedeutet nicht, nur zu beraten, wenn der Kunde oder Patient nachfragt, sondern von sich aus die Initiative zu ergreifen. Neidel ließ wissen, dass die Kammer derzeit einen Beratungsleitfaden erarbeitet, der leicht, kurz und knapp in der Apotheke umsetzbar sein soll. Er forderte die ABDA auf, die Öffentlichkeitsarbeit auf die besondere Ware Arzneimittel auszurichten. Kritisch sah er die anlaufenden "Leuchtturmaktionen", es sei fraglich, ob so der Mehrwert der Apotheke darstellbar sei. Er rief dazu auf, auch die Vertraulichkeit der Beratung zu gewährleisten – der Erfolg dieser Maßnahmen sei wichtiger als es manchem erscheint.
Letztlich haben es die Apotheker in der Hand, wie glaubwürdig sie sich darstellen. Wer sich zur inhabergeführten Apotheke bekennt, soll dafür eintreten und sie verteidigen, so Neidel. Von der Diskussion eines "Plan B" für den Fall der Fälle hält der Kammer-Geschäftsführer nichts, denn: "Wer an einem Plan B arbeitet, ist nicht mehr bereit, Plan A zu verteidigen." diz
Sie entscheiden selbst
Nach Meinung einiger Experten ist noch Luft im System Apotheke, stellt Giese fest. So gebe es immer interessierte Dritte, die versuchen, im Apothekenmarkt Fuß zu fassen. "Das alles wissen wir", beklagte der Verbandsgeschäftsführer, "nehmen es aber nicht zur Kenntnis." Er fragte weiter: "Wissen wir, was wir wollen?"
Jedem Apotheker stehen mehrere Optionen offen: er kann selbstständig in einem Verbund von Apotheken arbeiten, er kann sich an die lange Leine von Kooperationen legen lassen, er kann unter das Dach einer Franchise-Kooperation schlüpfen und er kann bewusst in Richtung Kette marschieren. So wird er sich entscheiden müssen, ob er selbstständig als freier Heilberufler arbeiten will, was ihm Verantwortung und Anstrengungen abverlangt, oder ob er sich lieber weisungsgebunden an der Leine halten lässt.
Und wenn er sich schon an die Leine legen lässt, so Giese, dann sollte er genau hinschauen, wie lange die Leine ist, wie viel Geld ihn das kostet, welchen Aufwand er betreiben muss und welchen Zwängen er unterliegt, welchen Nutzen und welche Leistungen er erwarten kann.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen bei Celesio/Gehe und DocMorris rief Giese den Apothekern zu: "Sie entscheiden selbst, wohin Sie ‚gehen’ mit Ihrem Umsatz – Sie haben das Recht zu wechseln!"
Man sollte sich die Frage stellen, wer als Partner in Frage kommt in diesem System. Giese rief dazu auf, den Mehrwert der selbstständig geführten Apotheke sichtbar zu machen.
Entwicklungen könne man nicht aufhalten, aber mitgestalten und Verantwortung übernehmen, daher: "Position beziehen und über seine Marktpartner nachdenken!" so Giese.
Nach seiner Auffassung kann die Zukunft auch darin liegen, Bewährtes weiter zu entwickeln, damit es noch besser wird. Unmissverständlich machte der Verbandsgeschäftsführer in Richtung Apotheken, die mit dem grün-weißen Kreuz liebäugeln, deutlich: "Wer das rote Apotheken-A abschraubt, hat sich gegen den Thüringer Apothekerverband entschieden. Er entscheidet sich damit gegen eine Mitgliedschaft im THAV." Ein entsprechender Vorstandsbeschluss liege vor.
Ein berufspolitisches Forum mit den Geschäftsführern und Vorsitzenden von Kammer und Verband schloss sich an die berufspolitischen Berichte der Geschäftsführer an. In diesem Forum beantworteten die Vorstände Fragen zu aktuellen Problemen wie Rabattverträgen sowie den Angriffen auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot. diz
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