Arzneimittel und Therapie

Immunisierung gegen Allergien

Impfstoff aus dem Kuhstall?

Was stärkt das Immunsystem von Bauernkindern so, dass sie weniger mit Allergien zu kämpfen haben als Stadtkinder? In den Medien wurde in der letzten Zeit immer wieder über Versuche mit Impfstoffen aus dem Kuhstall berichtet, die auch Stadtkinder vor Allergien schützen sollen. Eine Studie dazu soll an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie der Berliner Charité durchgeführt werden. Von dem Leiter der Klinik, Prof. Dr. Ulrich Wahn, wollten wir wissen, wie der Impfstoff aussieht und wie die Erfolgsaussichten sind.

DAZ Herr Professor Wahn, worin sind die Hauptursachen der zunehmenden Allergien vor allem bei Kindern zu sehen? Welche Rolle spielt dabei die Hygiene und welche Impfungen?

Wahn: Bisher haben wir kein eindeutiges Verständnis für den beobachteten epidemiologischen Trend der letzten Jahrzehnte. Einiges spricht in der Tat für die Plausibilität der Hygienehypothese, die besagt, dass der frühkindliche Kontakt zu bestimmten Infektionserregern langfristig das Immunsystem so verändern könnte, dass die Allergiebereitschaft abnimmt. Die Vorstellung, dass Impfungen Allergien fördern könnten, haben wir eindeutig widerlegt. Geimpfte Kinder reagieren genauso häufig allergisch wie nicht geimpfte. Dies hat die bundesweit durchgeführte multizentrische Allergiestudie eindeutig ergeben.

DAZ

In den Medien war zu lesen, dass an Ihrem Institut eine neue Art der Schluckimpfung mit Bakterienbestandteilen getestet wird, die in auffallend hoher Konzentration in Kinderbetten bayerischer Bauernhäuser gefunden werden. Wird ein spezieller Impfstoff aus dem Kuhstall getestet oder stimmen unsere Informationen, nach denen Prosymbioflor® und damit ein steriles Autolysat aus Escherichia-coli- und Enterococcus-faecalis-Bakterien geprüft wird?

Wahn: Ihre Informationen stimmen. Es handelt sich aber nicht um eine echte Impfung im strengen Sinne. Wir haben bei allergischen Mäusen beobachtet, dass der frühe Kontakt mit Bruchstücken aus Zellmembranen von Bakterien zu einer Abnahme der Allergiebereitschaft führt. Dies überprüfen wir derzeit auch bei Säuglingen, wobei der Extrakt in gelöster Form zum Schlucken angeboten wird. Derzeit sind wir an der Charité noch dabei, Kinder in die Studie einzuschließen.

DAZ

Wie lange müssen die Kinder beobachtet werden, um Aussagen treffen zu können? Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?

Wahn: Wir rechnen mit einer Beobachtungsdauer von etwa vier Jahren. Vor Ende 2008 kann auch mit vorläufigen Ergebnissen nicht gerechnet werden.

DAZ

Wie soll diese Impfung spätere Allergien verhindern, was bewirkt sie im Immunsystem?

Wahn: Das Wort "Impfung" müssen wir wirklich in Anführungszeichen setzen, da kein spezifisches Antigen verabreicht wird. Die tierexperimentellen Untersuchungen zeigen, dass die Bereitschaft des Immunsystems, Allergieantikörper zu produzieren, durch eine derartige Intervention abnimmt.

DAZ

Ab wann könnte frühestens eine solche Allergieprävention zur Verfügung stehen?

Wahn: Ich rate zur Geduld, ich glaube, es wird noch mindestens ein Jahrzehnt dauern. Ich persönlich wäre froh, wenn ich eine wirksame "Impfung" noch erleben könnte.

DAZ

Herr Professor Wahn, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch führte Dr. Doris Uhl

Prof. Dr. Ulrich Wahn

Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie

Charité, Campus Virchow Klinikum

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin
Die Suche nach den Ursachen, die Bauernkinder vor Heuschnupfen und Asthma schützen, hat Forscher der Kinderklinik der Ludwigs-Maximilians-Universität München unter Leitung von Prof. Dr. Erika von Mutius, der Ruhr-Universität Bochum und dem Forschungszentrum Borstel dazu veranlasst, den Stallstaub bayerischer Bauernhöfe näher unter die Lupe zu nehmen. Nach dem Motto, es muss etwas in der Luft liegen, das bayerische Bauernkinder vor Allergien schützt, wurden aus Staub von Ställen und Scheunen Extrakte gewonnen und damit die Luft allergiegefährdeter Mäuse angereichert. Sie konnten bei den Mäusen die Entstehung von allergischem Asthma verhindern. Jetzt soll auf dieser Basis ein Impfstoff zur Allergieprävention bei Kindern entwickelt werden.
Soeben wurden in der Maiausgabe der Fachzeitschrift Clinical and Experimental Allergy die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, nach denen das Trinken von Bauernmilch ab dem ersten Lebensjahr Kinder vor Asthma und Allergien schützt. Für diese Studie wurden Eltern von nahezu 15.000 Kindern aus Europa und den USA befragt. Das Alter der Kinder lag zwischen fünf und 13 Jahren. Die Schutzwirkung war nach Aussage des Hauptautors Dr. Marco Waser vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel unabhängig davon, ob die Kinder auf dem Bauernhof aufgewachsen sind oder nicht und auch davon, ob die Milch abgekocht war oder nicht. Nach diesem Ergebnis sei auszuschließen, dass andere Schutzfaktoren wie der Kontakt mit mikrobiellen Substanzen in Tierstaub und auf dem Hof dafür verantwortlich sind, dass Bauernkinder trotz höherer Exposition seltener gegen Pollen sensibilisiert werden.

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