Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom

Zielgerichtete Therapie mit Lapatinib

Um ein metastasierendes Mammakarzinom in Schach zu halten, müssen unterschiedliche Strategien eingesetzt werden, um das Krebswachstum von verschiedenen Seiten her zu unterbinden. Eine neue Möglichkeit ist die Blockade intrazellulärer Signalwege durch Tyrosinkinase-Inhibitoren. Eine Studie mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib wurde frühzeitig abgebrochen, da sich in einer Zwischenanalyse ein deutlicher Vorteil für die Therapie mit Lapatinib zeigte.

Liegt bei einem Mammakarzinom eine HER2-Überexpression vor – das ist in etwa 20 bis 30% der Fall – ist das Risiko einer Krankheitsprogression und der Tumorsterblichkeit erhöht. Daher wird versucht, therapeutisch diese Überexpression des Wachstumsfaktors zu unterbinden.

Ein wichtiger Fortschritt in der Therapie des Mammakarzinoms war die Entwicklung von Trastuzumab, einem monoklonalen Antikörper, der extrazellulär die HER2-Überexpression blockiert. Da aber die Tumorzellen Resistenzen gegen diese Art der Wachstumsblockade entwickeln können, sind neue Substanzen mit anderem Wirkmechanismus erforderlich. Eine dieser neuen zielgerichteten Substanzen ist der Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib, der die Signalwege intrazellulär blockiert. Somit stehen nun zwei verschiedene Blockademöglichkeiten zur Verfügung: die extrazelluläre durch monoklonale Antikörper und die intrazelluläre durch Tyrosinkinase-Inhibitoren.

In einer offenen Phase-III-Studie wurde Lapatinib bei Frauen eingesetzt, deren Mammakarzinom trotz vorausgegangener Chemotherapie (Anthrazykline, Taxane und Trastuzumab) fortgeschritten war. 324 Patientinnen wurden randomisiert einem der beiden Studienprotokolle zugeteilt:

  • Kombinationstherapie: Lapatinib (1250 mg/Tag kontinuierlich) plus Capecitabin (2000 mg/mµ Körperoberfläche Tag 1 bis 14 eines 21-tägigen Zyklus).
  • Monotherapie: Capecitabin (2500 mg/mµ Körperoberfläche Tag 1 bis 14 eines 21-tägigen Zyklus).

Der primäre Studienendpunkt war die Zeit bis zum Fortschreiten des Tumorwachstums. Sekundäre Studienendpunkte waren unter anderem das progressionsfreie Überleben, das Gesamtüberleben, Ansprechraten und die Therapiesicherheit.

Frühzeitiger Studienabbruch

Die Studie wurde nach der geplanten Zwischenanalyse vorzeitig abgebrochen, da sich unter der Lapatinib-Therapie ein deutlicher Vorteil beim primären Studienparameter (Zeit bis zum Fortschreiten des Tumorwachstums) abgezeichnet hatte. Unter der Kombinationstherapie waren 49 Ereignisse aufgrund eines Fortschreiten des Tumors aufgetreten, unter der Monotherapie 72; die Hazard Ratio für die Zeit bis zur Progression betrug 0,49 [95% Konfidenzintervall 0,34 bis 0,71] und erreichte eine statistische Signifikanz von p < 0,001. Die mediane Zeit bis zur Progression betrug unter der Kombinationstherapie 8,4 Monate und unter der Monotherapie 4,4 Monate. Dieser Benefit war nicht mit vermehrten schweren toxischen Nebenwirkungen oder symptomatischen kardialen Ereignissen verbunden. Unter der Kombinationstherapie traten aber häufiger Diarrhöen, Dyspepsie, Hautausschläge und asymptomatische kardiale Ereignisse auf. Die Abbruchraten aufgrund unerwünschter Wirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich und zwar 13% unter der Kombinationstherapie und 12% unter der Monotherapie. Unter der Kombinationstherapie waren seltener Hirnmetastasen aufgetreten als unter der Monotherapie (4 vs. 11).

Quelle

Geyer, C., et al.: Lapatinib plus capecitabine for HER2-positive advanced breast cancer. N. Engl. J. Med. 355 , 2733-2743 (2006).

Muss H.: Targeted therapy for metastatic breast cancer. N. Engl. J. Med. 355 , 2783-2785 (2006).

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Zielgerichtete Therapien
beim Mammakarzinom
Neben klassischen Zytostatika werden beim Mammakarzinom zunehmend neue Substanzen wie monoklonale Antikörper, Tyrosinkinase-Inhibitoren oder Angiogenese-Hemmer wie etwa Bevacizumab (Avastin® ; ein monoklonaler Antikörper gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF) eingesetzt. Sie werden in Abhängigkeit der Tumoreigenschaften ausgewählt (so hat etwa eine Trastuzumabgabe nur bei einer HER2-Überexpression einen Sinn) und sollen Signalwege hemmen, die das Zellwachstum fördern. Kombinationen dieser neuen Substanzen miteinander und mit herkömmlichen Zytostatika können dazu beitragen, dass ein metastasierendes Mammakarzinom zu einer zwar nicht mehr heilbaren, aber chronischen und über lange Zeit behandelbaren Erkrankung wird.
Ein weiteres Potenzial dieser neuen Substanzen liegt in ihrem Einsatz in der adjuvanten Therapie, wenn noch keine Metastasierung aufgetreten ist. Möglicherweise können so die Chancen auf eine dauerhafte Heilung erhöht werden.
Tyrosinkinase-Inhibitoren
Rezeptor-Tyrosinkinasen bestehen aus einem extrazellulären Teil, der durch Stimuli wie etwa Wachstumsfaktoren aktiviert werden kann und aus einem intrazellulären Teil, der eigentlichen Tyrosinkinase. Die Überfunktion der Kinase führt zu einer Daueraktivierung, die sich unter anderem in unkontrolliertem Zellwachstum niederschlägt. Außerdem schützen überaktivierte Kinasen die Tumorzellen vor der Apoptose. Die Überaktivierung der Tyrosinkinase kann auf mehreren Wegen blockiert werden: Extrazellulär durch ein Abfangen stimulierender Noxen oder das Besetzen des Rezeptors sowie intrazellulär durch eine Blockade der Kinase. Dabei kann spezifisch nur eine bestimmte Kinase oder es können unspezifisch mehrere Kinasen gehemmt werden.
Epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptoren
Zur Familie der humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren (HER) gehören vier verschiedene Formen (HER1, HER2, HER3, HER4). Weitere gebräuchliche Bezeichnungen des HER1-Rezeptors sind ErbB1 und EGFR (epidermal growth factor receptor). Übliche Bezeichnungen des HER2-Rezeptors sind ErbB2 oder HER2-neu oder HER2. Fehlregulierte Signale dieser Rezeptoren spielen eine Rolle bei der Entwicklung und dem Fortschreiten von Tumorerkrankungen. Durch monoklonale Antikörper können epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptoren auf der Zelloberfläche – also extrazellulär – blockiert werden. Trastuzumab (Herceptin®) blockiert HER2.
Lapatinib
Lapatinib (Tykerb®) ist ein dualer Inhibitor der EGFR- und HER2-Rezeptor-Tyrosinkinase. Er hemmt intrazelluläre Signalwege. Lapatinib wurde bereits im Rahmen von Studien beim inflammatorischen und Trastuzumab-resistenten Mammakarzinom eingesetzt. Lapatinib gehört zu den small moleculs und wird oral appliziert.

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