Fortbildungskongress

Compliance

"Treu sein ist anstrengend und fordert uns immer wieder aufs Neue. Das trifft auch auf die Compliance zu". Doch ohne die Therapietreue des Patienten steht der Behandlungserfolg aus. Mit welchen Möglichkeiten der Apotheker die Therapietreue fördern kann, erläuterte Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Berlin.

Mangelnde Therapietreue – ein unterschätztes Problem

Die Therapietreue (mehr oder weniger synonym werden die Begriffe Adhärenz, Concordance und Compliance verwendet) setzt sich aus der Ausführungsqualität und Persistenz zusammen. Die Ausführungsqualität gibt an, wie gut sich der Patient an das verordnete Dosierungsschema hält; die Persistenz beschreibt die Dauer der Therapietreue. Die Compliance kann direkt wie etwa durch Messung der Plasmakonzentration oder indirekt durch Erstellung des Medikamentenprofils, das Zählen von Tabletten, der Auswertung von Patiententagebüchern, Patientengesprächen und elektronischen Beobachtungssystemen (Medication Event Monitoring System MEMS®) ermittelt werden. Durch keine dieser Methoden wird die Compliance vollständig erfasst; eine zuverlässige Einschätzung ergibt sich allenfalls aus der Kombination mehrerer Methoden.

Die Non-Compliance weist verschiedene Grundmuster auf und man unterscheidet:

  • Die intelligente Non-Compliance; hier täuscht der Patient bewusst bei Kontrollen eine regelmäßige Einnahme vor.
  • Die zufällige Compliance; Vergesslichkeit oder Überforderung verhindern eine regelmäßige Einnahme.
  • Die Weisskittel-Compliance; die korrekte Einnahme erfolgt nur vor den Arztterminen.
  • Drug holidays; der Patient unternimmt bewusst Auslassversuche.

Die Ursachen einer fehlenden Compliance können

  • Patientenbedingt (fehlende Überzeugung vom Nutzen einer Therapie, Angst vor Nebenwirkungen, eigenmächtige Veränderungen bei der Dosierung, Schwierigkeiten bei der Anwendung)
  • Arzneimittelbedingt (kindersicherer Verschluss, schlechter Geschmack, unangenehmer Geruch von Dermatika, Schwierigkeiten mit Applikationshilfen) oder
  • Arzt- und Apothekerbedingt (fehlende Information über das Arzneimittel, Wahl der falschen Sprache, zu hohe Informationsdichte, gestörtes Vertrauensverhältnis) sein.

Eine Meta-Analyse aus 529 Studien zeigt auf, welche Faktoren die Adhärenz beeinflussen. So ist die Compliance abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und bei einer HIV-Infektion und Krebs hoch, bei Atemwegserkrankungen und Diabetes niedrig. Die Therapietreue steigt bei zunehmendem Leidensdruck, um aber dann wieder abzunehmen. Sie ist abhängig vom Wirkstoff (schlechte Compliance bei Betablockern und Diuretika in der Blutdrucktherapie) und von der Dauer der Behandlung. So ist eine schlechte Compliance bei Dauertherapien die Regel und nicht die Ausnahme. Ferner beeinflusst das Dosierungsschema die Therapietreue (je komplexer umso schlechter ist die Adhärenz).

Die Auswirkungen einer schlechten Compliance sind vielfältig: Es kommt zu Verzögerungen der Heilung, Exazerbation der Grunderkrankung, gravierenden Folgen wie etwa einer Organabstossung bei einer nicht zuverlässigen Einnahme von Immunsuppressiva, Entwicklung von Resistenzen, ineffektiven neuen Therapieversuchen, erhöhter Mortalität und hohen, vermeidbaren Kosten. So werden in Deutschland die Kosten der Non-Compliance auf 10 Mrd. € pro Jahr geschätzt oder – anders ausgedrückt – 13% aller Krankheitskosten entstehen durch eine mangelnde Adhärenz.

Strategien zur Förderung der Compliance

Wie gut ein Patient seine Therapie befolgt, hängt von zahlreichen Faktoren im Wechselspiel zwischen Patient, Arzt, Apotheker und Arzneimittel ab. Bei der Förderung der Compliance nimmt der Apotheker eine Schlüsselposition ein. Durch den regelmäßigen Patientenkontakt und die Abgabe des Arzneimittels kann er einen entscheidenden Einfluss auf die Compliance des Patienten ausüben. Folgende Maßnahmen stehen ihm dabei zur Verfügung:

  • Edukative Maßnahmen; der Patient muss den Sinn der Pharmakotherapie verstehen, um seine Medikamente zuverlässig einzunehmen.
  • Verhaltensbeeinflussende Maßnahmen; Abgabe von Patiententagebüchern und Einnahmehilfen; Verknüpfung der Medikamenteneinnahme mit der täglichen Routine
  • Überprüfung der Compliance; wie etwa die regelmäßige Messung des Blutdrucks bei Hypertonikern
  • Zielgerichtete Schulungen (Anleitung zum Blutzuckermessung, Umgang mit Inhalationshilfen)
  • Vereinfachung der Therapie (in Absprache mit dem Arzt)

Im Idealfall münden solche Maßnahmen in einer komplexen pharmazeutischen Betreuung (pharmaceutical care), die vor allem bei chronisch Erkrankten oder onkologischen Patienten angezeigt ist. pj

Take-home-Message
  • Die mangelnde Compliance ist wegen ihrer Häufigkeit und Auswirkungen eines der größten Probleme in der heutigen Arzneimitteltherapie.
  • Apotheker können durch relativ einfache Maßnahmen die Compliance nachhaltig fördern.
Fünf Dimensionen der Compliance (nach WHO 2003)
Soziale/ökonomische
Faktoren
Systembedingte Faktoren
Krankheitsbedingte
Faktoren
Therapiebedingte
Faktoren
Patientenbedingte
Faktoren
Finanzielle Situation
Arzt-Patienten-Verhältnis
Schweregrad
der Symptome
Komplexität
des Regimes
Angst vor Nebenwirkungen
kultureller Hintergrund
Ausbildung der Heilberufler
Leidensdruck
Behandlungsdauer
Motivation
Analphabetismus
Systemkapazität
Progressionsrate
Therapieanpassungen
Erwartungen
Alter
Dauer der Konsultation
Komorbidität
Nebenwirkungen
Vergesslichkeit
Entfernung von
der Arztpraxis
Arzneimittel-distribution
Verfügbarkeit wirksamer Therapien
frühes Therapieversagen
Wissen über die Erkrankung
Bei der "Weißkittel-Compliance" nehmen die Patienten ihre Arzneimittel nur vor den Arztterminen korrekt ein.
Foto: Imago
Prof. Dr. Ulrich Jaehde
Foto: Jungmayr

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