Fortbildungskongress

Neue Arzneimittel vor der Zulassung

Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Frankfurt/M. stellte auch diesmal wieder zahlreiche Wirkstoffe vor, die sich in der Phase III der klinischen Entwicklung befinden und kurz vor der Zulassung stehen.

Blick in die Zukunft

Der Renin-Inhibitor Aliskiren (vorgesehener Handelsname Rasilez®) wird zur Behandlung der Hypertonie entwickelt. Renin-Inhibitoren hemmen das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System zu einem früheren Zeitpunkt als ACE-Hemmer und Sartane. Sie greifen zu Beginn der Angiotensin-II-Biosynthese an und unterdrücken die reflektorischen Anstiege der Plasma-Reninaktivität sowie von Angiotensin I und II.

Aliskiren ist der erste oral bioverfügbare Renin-Inhibitor. Der Wirkstoff wird einmal täglich eingenommen, senkt den Blutdruck 24 Stunden lang und ist gut verträglich. Aliskiren selbst wird nicht durch das CYP450-System metabolisiert, so dass hier nicht mit Wechselwirkungen zu rechnen ist. Die Elimination erfolgt überwiegend renal.

Aliskiren wurde bereits in klinischen Studien unter anderem in Dosierungen von 150, 300 und 600 mg getestet. Dabei senkte der neue Wirkstoff als Monotherapeutikum den diastolischen Blutdruck dosisabhängig im Vergleich zu Plazebo. 150 mg Aliskiren waren vergleichbar wirksam wie 150 mg Irbesartan. Derzeit sind noch keine klinischen Vorteile gegenüber den ACE-Hemmern oder den Angiotensin-1-Rezeptorantagonisten erkennbar.

Unerwünschte Wirkungen wie Kopfschmerz, Durchfall oder Schwindel traten mit einer Rate zwischen einem und fünf Prozent etwa so häufig auf wie bei Sartanen.

Fingolimod zur Behandlung der multiplen Sklerose

Fingolimod ist ein Immunsuppressivum, das zur Behandlung der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose (MS) entwickelt wird. Der neue Wirkstoff wird einmal täglich oral eingenommen.

Fingolimod ist ein Prodrug und wird im Organimus rasch zu einem Sphingosin-1-phosphat (S1P)-Analogon umgewandelt, das an S1P-Rezeptoren bindet und deren Internalisierung bewirkt. Da das S1P1-Signal von Lymphozyten für die Auswanderung aus den Lympknoten und sonstigen lymphatischen Geweben benötigt wird, hindert Fingolimod die Lymphozyten daran, aus den Lymphknoten auszuwandern. Im Gegensatz zu anderen Immunsuppressiva beeinträchtigt Fingolimod die Lymphozytenfunktion nicht.

Die Bioverfügbarkeit von Fingolimod beträgt rund 38%. Die Eliminationshalbwertszeit ist sehr lang und liegt bei etwa acht Tagen. Fingolimod wird durch CYP4F abgebaut.

In eine Phase-II-Studie konnten bei 281 Patienten die Schubraten durch Fingolimod deutlich reduziert werden.

Zurzeit werden über 1000 Patienten im Rahmen einer Phase-III-Studie mit Fingolimod behandelt. Bisher traten als unerwünschte Wirkungen ein negativ chronotroper Effekt mit Bradykardie, kontrahierende Wirkungen auf die Atemwege sowie Makuladegeneration auf, so dass beim Einsatz von Fingolimod eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abschätzung notwendig ist.

Ruboxistaurin schützt vor diabetischen Gefäß- und Nervenschäden

Eine gefürchtete Folge des Typ-2-Diabetes mellitus sind Schäden an Blutgefäßen und Nerven, die so genannten mikro- und makrovaskulären Komplikationen. Fast jeder dritte Diabetiker leidet an einer diabetischen Polyneuropathie, die zu Schmerzen und Mißempfindungen führt.

Ruboxistaurin (vorgesehener Handelsname Arxxant®) soll Diabetiker davor schützen. Die Substanz wirkt über eine Hemmung der Proteinkinase C-beta. Dieses Enzym scheint bei der Pathogenese diabetischer Spätschäden eine wichtige Rolle zu spielen. In Tierversuchen erhöhte Ruboxistaurin unter anderem die Nervenleitgeschwindigkeit und verbesserte die diabetische Neuropathie.

Die Bioverfügbarkeit von Ruboxistaurin nach oraler Gabe liegt bei 65%. Der Wirkstoff wird durch CYP3A4 metabolisiert. Die Elimination erfolgt vor allem biliär. Die Plasmahalbwertszeit von Ruboxistaurin liegt bei 3,5 h, die seines aktiven Metaboliten bei 35,6 h.

In einer Phase-III-Studien mit 685 Patienten reduzierte Ruboxistaurin das Risiko für einen Visusverlust bei Patienten mit moderater bis schwerer nichtproliferativer diabetischer Retinopathie verglichen mit Plazebo um 40%.

Ruboxistaurin war bisher gut verträglich. Die auffälligste Nebenwirkung war eine Rotfärbung des Urins sowie rote Ablagerungen in der Augenlinse bei Hunden bei extrem hohen Dosen.

Istradefyllin zur Behandlung des Morbus Parkinson

Istradefyllin ist ein Adenosin-A2A-Rezeptorantagonist, der zur Behandlung des Morbus Parkinson entwickelt wird. Bei dieser Erkrankung wird der Neurotransmitter Dopamin nicht mehr in ausreichender Menge produziert, andere Botenstoffe wie Acetylcholin und Glutamat überwiegen, und charakteristische Bewegungsstörungen treten auf.

Bei der medikamentösen Therapie wird vor allem die dopaminerge Neurotransmission verstärkt. Dies wird entweder durch die Einnahme von Levodopa, was als Goldstandard gilt, oder die Einnahme von dopaminerg wirkenden Stoffen wie Dopaminrezeptor-Agonisten erreicht. Obwohl viele Patienten zunächst gut auf Levodopa ansprechen, entwickeln die meisten von ihnen nach etwa sechs bis zehn Jahren Therapie motorische Spätkomplikationen wie Dyskinesien sowie starke Schwankungen der Levodopa-Effekte. Istradefyllin soll diese Schwankungen verhindern. Es verkürzt die Off-Zeiten und bessert dadurch motorische Fluktuationen, wie sie unter der Therapie mit Levodopa auftreten.

Die Substanz befindet sich jetzt in Phase III der klinischen Studien, einige Patienten werden bereits seit mehr als einem Jahr mit Istradefyllin behandelt. Durch die Therapie erhöhten sich die "On"-Zeiten statistisch signifikant um etwa eine Stunde täglich. Während dieser Zeiten waren die Patienten beweglich, und Dyskinesien traten nicht auf. Gleichzeitig verminderten sich die "Off"-Zeiten.

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Dyskinesien, Nausea und Benommenheit.

RANKL-Antikörper Denosumab

Denosumab ist ein neuer Antikörper zur Behandlung der Osteoporose, der sich gegen das Protein RANKL (receptor activator of nuclear factor kappa B ligand) richtet. Dieses Protein bindet an den RANK-Rezeptor auf den Vorstufen der Osteoklasten und initiiert durch diese Bindung den raschen Umbau zu reifen Osteoklasten, die den Knochen abbauen. Durch seine Bindung an RANKL hemmt Denosumab die Osteoklasten-Differenzierung. Der neue Antikörper hat eine lange Halbwertszeit und muss nur alle drei bis sechs Monate injiziert werden.

Dapoxetin zur Behandlung der Ejaculatio praecox

Dapoxetin ist ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), der zur Behandlung der vorzeitigen Ejakulation eingesetzt werden soll. Er lässt sich auch mit PDE5-Hemmern kombinieren. Dapoxetin soll den Sex verlängern, indem es den Samenerguss verzögert. Ursprünglich wurde die Substanz als Antidepressivum entwickelt, war jedoch in dieser Indikation nicht wirksam genug.

Die pharmakokinetischen Eigenschaften unterscheiden sich deutlich von jenen der anderen SSRIs. Dapoxetin wird nach oraler Applikation rasch in den systemischen Kreislauf aufgenommen, Plasmaspitzenkonzentrationen werden innerhalb von 60 bis 80 Minuten erreicht. Die Halbwertszeit beträgt 90 Minuten.

Wegen des schnellen Wirkungseintritts und der kurzen Halbwertszeit scheint Dapoxetin für die "On-demand"-Behandlung der Ejaculatio praecox besonders geeignet zu sein, analog zur Behandlung der erektilen Dysfunktion mit PDE5-Hemmern wie Sildenafil.

In klinischen Studien verlängerte Dapoxetin die Ejakulationszeit nach dem Eindringen um durchschnittlich ein bis zwei Minuten. Außerdem verbesserte Dapoxetin bei den Patienten die Empfindung, die Ejakulation zu kontrollieren und die Zufriedenheit im Sexualverkehr.

Häufigste Nebenwirkungen waren Übelkeit, Durchfall sowie Kopfschmerzen und Schwindelanfälle.

Flibanserin: mehr Lust für Frauen

Flibanserin ist ein neuer Ansatz für die Behandlung von verminderter sexueller Lust bei Frauen vor den Wechseljahren.

Flibanserin ist zentral wirksam und wurde von Boehringer Ingelheim ursprünglich als Antidepressivum mit schnell einsetzender Wirkung entwickelt. Über die 5-HT1A -agonistischen Eigenschaften werden die extrazellulären Konzentrationen von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin in bestimmten Gehirnregionen (präfrontaler Kortex, dorsale Raphe-Kerne) signifikant beeinflusst, was offenbar zu einer Steigerung der Libido führt.

Zur Erreichung einer Zulassung wurden vier Phase-III-Studien eingeleitet. Flibanserin muss für eine ausreichende Wirkung über einen längeren Zeitraum eingenommen werden und eignet sich nicht für eine Anwendung bei Bedarf.

Maraviroc gegen HIV

Maraviroc (vorgesehener Handelsname Celsentri®) ist ein neuer Wirkstoff zur Behandlung der HIV-Infektion. Er wirkt als CCR5-Rezeptorantagonist und hemmt das Virus in seinem Entwicklungszyklus außerhalb der Zelle.

Der CCR5 ist als Co-Rezeptor essenziell für die Bindung des Virus an seine Zielzelle und die nachfolgende Fusion des Virus mit der Zelle. Dieser Rezeptor scheint bei der Infektion mit dem HI-Virus eine wichtige Rolle zu spielen.

Die orale Bioverfügbarbeit von Maraviroc beträgt 23%. Maraviroc wird über das Cytochrom P 450 System verstoffwechselt und hat eine Halbwertszeit von 14 bis 18 Stunden. Es wird in einer Dosierung von ein- bis zweimal täglich 300 mg eingenommen. Noch ungeklärt ist die Frage der Lebertoxizität. Die Entwicklung von Aplaviroc, eine anderen Substanz mit vergleichbarer Wirkung, wurde aus diesem Grund eingestellt. hel

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz
Foto: Jungmayr
Fingolimod (FTY720) hemmt die Lymphozytenauswanderung
Grafik: Schubert-Zsilavecz

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