Fortbildungskongress

Phytotherapie

Wie und wann können Phytopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden? Prof. Dr. Volker Schulz, Berlin, stellte die neuesten Studien vor und gab einen Überblick zu Indikationen und Stellenwert pflanzlicher Arzneimittel bei milder Herzinsuffizienz, Kreislaufbeschwerden und Durchblutungsstörungen.

Pflanzliche Mittel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Bei der Phytotherapie einer Herzinsuffizienz spielt beinahe ausschließlich Crataegus eine Rolle, und zwar die Droge Weißdornblätter mit Blüten. Weißdorn wirkt unter anderem positiv inotrop, rhythmusstabilisierend, erhöht die Koronar- und Myokarddurchblutung und senkt den peripheren Gefäßwiderstand. Seine Wirksamkeit wurde in mehreren Studien bestätigt und in einer aktuellen Studie, der SPICE-Studie (SPICE = Survival and Prognosis: Investigation of Crataegus Extract WS® 1442 in Chronic Heart Failure), erneut untersucht. In dieser multizentrischen, randomisierten und plazebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten die Patienten zu einer Standardtherapie (mit teilweise mehr als drei Medikamenten) zusätzlich 24 Monate lang zweimal täglich 450 mg Crataegus (Crataegutt®) oder ein Plazebo. Der primäre Studienendpunkt war die kardiale Gesamtsterblichkeit.

Diese Studie weist bereits von ihrem Aufbau her einige Besonderheiten auf: Sie umfasst knapp 2700 Patienten, was für eine Phytotherapie-Studie eine ungewöhnlich hohe Probandenzahl ist. Bemerkenswert waren auch die Einschlussbedingen: Alle Patienten litten an einer Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II oder III und mussten eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) unter 35% aufweisen. Somit befanden sich die Probanden in einem Krankheitsstadium, das über den bisherigen Indikationsbereich von Crataegus – nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend dem Stadium II nach NYHA (das sind Beschwerden bei normaler und mittlerer Belastung) - weit hinausgeht. Die Studienauswertung zeigte positive Teilergebnisse für die zusätzliche Gabe von Crataegus; beim primären Studienendpunkt wurde die statistische Signifikanz allerdings knapp verfehlt. Dennoch ist aus diesen Ergebnissen ein positives Resümee zu ziehen, da unter anderem auch die Sicherheit einer Therapie mit Crataegus bestätigt wurde.

Das derzeitige Fazit zur Selbstmedikation mit Crataegus lautet: Sind die vorhandenen kardiologischen Beschwerden diagnostisch abgeklärt und einem leichteren Stadium zugeordnet, kann eine Therapie mit Weißdorn empfohlen werden, wobei hoch konzentrierten Präparaten der Vorzug zu geben ist. Crataegus weist ein sehr günstiges Sicherheitsprofil auf; die Rate unerwünschter Wirkungen ist gering, mit Interaktionen ist nicht zu rechnen. Weißdorn-Präparate müssen über einen längeren Zeitraum hinweg eingenommen werden.

Die früher zur Therapie einer Herz- und Koronarinsuffizienz häufig verwendeten Digitaloid-Drogen Adoniskraut, Maiglöckchen, Meerzwiebel oder Oleanderblätter sollten nicht mehr eingesetzt werden.

Tonusstörungen: Campher und Knoblauch

Bei orthostatischen Symptomen wie Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen und Müdigkeit stehen physikalische Maßnahmen (körperliches Training, Anwendungen nach Kneipp) und eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr im Vordergrund. Unterstützend können einige Drogen mit ätherischem Öl und coffeinhaltige Getränke eingesetzt werden. So weisen Campher, Rosmarin und Lavendel bei Inhalationen oder nach oraler Applikation (wie etwa Korodin Herz-Kreislauf® -Tropfen auf einem Stück Würfelzucker) analeptische Wirkungen auf. Lavendel und Rosmarin können des weiteren auch in der Balneologie verwendet werden. Methylxanthinhaltige Pflanzen (Tee, Kaffee, Guarana) üben durch ihren Coffeingehalt eine anregende Wirkung aus. Die besonderen Eigenschaften des grünen Tees werden zurzeit untersucht und diskutiert. Von einer Einnahme ephedrahaltiger Zubereitungen ist abzuraten, da drastische Blutdrucksteigerungen auftreten können.

Zur Senkung des Blutdrucks stehen keine effektiv wirksamen pflanzlichen Arzneimittel zur Verfügung. Die früher häufig eingesetzten Rauwolfia-Präparate werden aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen nicht mehr verordnet. Knoblauch wirkt etwas blutdrucksenkend und ist zur ergänzenden Therapie zur Selbstmedikation bei Hypertonikern geeignet. Ein weiteres Plus von Knoblauch ist seine Aktivierung der Fibrinolyse, die vor allem bei älteren Menschen zu einer verbesserten Mikrozirkulation führt. Auch gibt es Hinweise, dass durch Knoblauch und andere Laucharten wie Küchenzwiebel oder Bärlauch einer Arteriosklerose vorgebeugt werden kann. pj

Phytopharmaka in der Selbstmedikation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Anwendungsgebiete
Drogen
Herzmuskel- und Koronarinsuffizienz
Weißdorn
Hypotonie
Campher, Lavendel, Rosmarin
Hypertonie, Arteriosklerose
Knoblauch
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Ginkgo biloba
Zerebrale Durchblutungsstörungen
Ginkgo biloba
Senkt grüner Tee das Herzinfarktrisiko?
In einer jüngst publizierten japanischen Studie mit mehr als 40.000 Teilnehmern wurde untersucht, ob sich der regelmäßige Genuss von grünem Tee auf die Krebssterblichkeit und kardiovaskuläre Erkrankungen auswirkt. Dabei zeigte sich, dass starke Teetrinker, die fünf oder mehr Tassen pro Tag konsumierten, im Vergleich zu gelegentlichen Teetrinkern, die weniger als eine Tasse pro Tag tranken, ein um 16% verringertes Gesamtmortalitätsrisiko und ein um 26% verringertes Risiko in Bezug auf tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufwiesen. Bei Frauen war die Risikoreduktion im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 31% noch deutlicher ausgeprägt als bei Männern. Ein Zusammenhang zwischen dem Teekonsum und der Krebssterblichkeit war nicht zu erkennen.
Die FDA lehnte jedoch einen Zulassungsantrag für grünen Tee als Arzneimittel ab. Schulz zufolge ist aber zu diesem Thema noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Prof. Dr. Volker Schulz
Foto: Jungmayr

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