Arzneimittel und Therapie

Osteonekrose-Risiko scheint deutlich erhöht

Das Risiko, dass es unter einer intravenösen Bisphosphonattherapie von Krebspatienten zu einer Osteonekrose des Kiefers kommt, ist möglicherweise höher als bisher angenommen. So das Ergebnis einer Analyse eines US-Krebsregisters, nach der bei 5,5% aller Behandelten diese Komplikation auftrat.

Ibandronat als Kurzinfusion bei Knochenmetastasen

Ibandronat (Bondronat®) hat europaweit die Zulassungserweiterung für die Verabreichung als 15-Minuten-Infusion zur Behandlung von Knochenmetastasen bei Brustkrebspatienten erhalten. In Studien zeigte sich eine gleich gute Verträglichkeit und eine vergleichbare Gesamtinzidenz renaler Nebenwirkungen bei der Verabreichung als 15-Minuten-Infusion in der Standarddosierung von 6 mg alle drei bis vier Wochen wie bei der Gabe der gleichen Dosis über eine Stunde.

In einer offen geführten, prospektiven Phase-II-Studie erhielten 127 Frauen mit Mammakarzinom und Knochenmetastasen im medianen Alter von 61 Jahren randomisiert 6 mg Ibandronat entweder als 15-minütige Infusion alle drei bis vier Wochen über insgesamt sechs Monate (n = 101) oder in der herkömmlichen Applikation als Infusion über eine Stunde (n = 26). Im Mittelpunkt der Studie stand die renale Sicherheit, evaluiert anhand des Serumkreatinin-Anstiegs im Vergleich zum Ausgangswert von ≥ 44,2 µmol/l bzw. 0,5 mg/dl zu jedem Zeitpunkt der Studie. Nach der Infusion von Ibandronat über 15 Minuten traten keine klinisch signifikanten Veränderungen weder des Serumkreatinin-Anstiegs noch der kalkulierten und gemessenen Kreatinin-Clearance auf. Auch andere Marker der tubulären oder glomerulären Nierenfunktion blieben ebenfalls unbeeinträchtigt. Unter der 15-Minuten-Kurzinfusion kam es bei drei Patientinnen (3%) zu einem Anstieg des Serumkreatinins im Vergleich zum Ausgangswert, der nicht Therapie-assoziiert, sondern auf eine schwere Diarrhöe sowie auf bestehende Grunderkrankungen zurückzuführen war. Vor dem Hintergrund dieser Daten erhielt Ibandronat in der Dosierung von 6 mg auch als 15-minütige Infusion die europaweite Zulassung für die Behandlung von Brustkrebspatientinnen mit normaler bis leicht eingeschränkter Nierenfunktionsstörung.

Bisphosphonate werden nicht nur zur Osteoporoseprävention bei postmenopausalen Frauen erfolgreich eingesetzt. Auch in der Brustkrebstherapie – vor allem bei Patientinnen im lokal fortgeschrittenem Krankheitsstadium – haben sie sich bewährt. Die Knochenresorption infolge einer bösartigen Erkrankung ist als übermäßige Knochenresorption gekennzeichnet, die nicht durch eine entsprechende Knochenbildung ausgeglichen wird. Ibandronsäure hemmt hier selektiv die Osteoklastenaktivität und reduziert somit die Knochenresorption, was zu einer Reduzierung der skelettalen Komplikationen der malignen Krankheit führt. Klinische Studien an Patienten mit Brustkrebs und Knochenmetastasen zeigten einen dosisabhängigen hemmenden Effekt auf die Osteolyse sowie eine dosisabhängige positive Wirkung auf skelettale Ereignisse. Bei Frauen, die bereits Knochenmetastasen haben, zählt die dauerhafte Reduktion von Knochenschmerzen zu einem der wichtigsten Ziele der Therapie. In Studien hatten 6 mg Ibandronat i.v. oder 50 mg oral verabreicht das Risiko für Skelettkomplikationen um bis zu 40% signifikant verringert. Außerdem könne Bisphosphonate der Entstehung von Knochenmetastasen vor beugen: Nur fünf Frauen mit lokal fortgeschrittenem Brustkrebs müssen mit Bisphosphonaten behandelt werden, um bei einer Patientin Knochenmetastasen zu verhindern. Bei Patientinnen mit starken Knochenschmerzen oder großer Frakturgefahr gilt die Infusion als Therapie der Wahl.

Quelle

Pressemitteilung der Roche Pharma AG vom 27. Juni 2007.

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Allerdings ist es schwierig, die Häufigkeit von Osteonekrosen im Kiefer zu quantifizieren, da es dafür bis 2003 keinen eigenen ICD-Code gab und sie daher nicht in den Krankenakten als eigenständiges Krankheitsbild auftauchte. Ein Zusammenhang zwischen der Anwendung von intravenösen Bisphosphonaten bei Krebspatienten und Osteonekrosen des Kiefers wird daher erst seit 2003 hergestellt, nachdem eine Kodierung der Beobachtungen als Osteomyelitis des Kiefers oder als Operation im Gesichts- oder Kieferknochen stattfand. Diese Indikationen wurden zwischen 1986 und 2002, also vor Entdeckung eines Zusammenhangs von Osteonekrose und intravenöser Bisphosphonattherapie, 14.349 Mal im Surveillance, Epidemiology and End Results (SEER)-Krebsregister in den USA registriert. Diese Patienten waren mehr als dreimal so häufig mit Bisphosphonaten behandelt worden wie eine Kontrollgruppe. Dass Osteonekrosen eine mögliche Komplikation der Therapie mit Bisphosphonaten sind, gilt als sicher. In der vorliegenden Untersuchung lag das absolute Risiko bei 5,48 Ereignissen/100 Patienten während der sechsjährigen Studienphase, gegenüber 0,30/100 Personenjahre bei den Nicht-Anwendern. Bei der Behandlung einer schweren Osteoporose mit Bisphosphonaten sollte daher das Nutzen-Risiko-Verhältnis genau bedacht werden. Zumal das Risiko einer Osteonekrose mit der Dosis des Bisphosphonats und mit der Dauer der Anwendung, steigt. Bei der Indikation Osteoporose wird Anwendungsdauer in der Regel länger sein als bei Tumorpatienten. Bei Patienten mit tumorbedingten Knochenschmerzen sollte die Entscheidung für eine Bisphosphonattherapie positiv ausfallen.
Quelle

Wilkinson, Gregg S., et al.: Intravenous Bisphosphonate Therapy and Inflammatory Conditions or Surgery of the Jaw: A Population-Based Analysis. J. Natl. Canc. Inst. 2007; 99: 1016-1024.
Bisphosphonate: Osteonekrose-Risiko deutlich erhöht. www.aerzteblatt.de, 28. Juni 2007.

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