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Seite 3
Therapie gegen Arzneimittelhopping
"Dass das mit den Rabattverträgen zwischen einzelnen Krankenkassen und einzelnen Herstellern überhaupt ins Laufen gekommen ist – das haben wir den Apothekern, ihren Rechenzentren und Softwarehäusern zu verdanken". So oder ähnlich hört man allenthalben. Bei uns Apothekern ruft derartiges Lob zwiespältige Gefühle hervor. In der Tat: Die Apotheker vor Ort tragen gegenüber den Patienten die Hauptlast des Erklärens und Vermittelns. Die Ärzte schauen nicht durch – mangels aktueller Software, oft auch weil sie resigniert haben. Sie delegieren Verantwortung und Regressrisiko auf uns: Das "Aut-idem nicht erlaubt"-Kreuz findet sich nur noch selten auf den Rezepten.
Das könnte im Ergebnis akzeptabel, in vieler Hinsicht sogar vorteilhaft sein – wenn es da nicht böse Schönheitsfehler gäbe.
Zwar hat die ABDA durchaus Recht, wenn sie herausstreicht, dass über die Rabattverträge (nach § 130a Abs. 8 SGB V) zwischen Kassen und Herstellern Verhandlungen über Arzneimittelpreise auf die richtige Ebene verlagert wurden – dorthin, wo die Preise im Wesentlichen gemacht werden. Richtig ist ferner, dass die lange vorgesehenen politischen Alternativen weitaus verheerender gewesen wären. Erinnern wir uns: Ursprünglich war vorgesehen, die Preise auf der Apothekenstufe freizugeben. Das hätte zu einem ordnungspolitischen Tohuwabohu geführt – der bestehende Qualitätswettbewerb wäre einem kruden Preiswettbewerb zum Opfer gefallen, mit verheerenden Auswirkungen auch für die Versicherten.
Der erste – regional begrenzte – Schönheitsfehler: Die AOK und die Kassenärztliche Vereinigung in Hessen haben – gegen den Widerstand auch aus Ärztekreisen – eine "Beratungspauschale" von 20 Euro ausgekungelt, wenn der Arzt einen Patienten auf Rabattarzneimittel umstellt. Das ist absurd – nicht nur, weil der Patient in der Regel erst in der Apotheke (wenn er "sein" Arzneimittel nicht mehr bekommt) merkt, wie ihm geschieht.
Mehr als ein harmloser Schönheitsfehler ist, dass in vielen Fällen – besonders bei AOK-Patienten – ein Rabattvertragsarzneimittel nicht lieferbar ist. Dann darf zwar nach den allgemeinen Substitutionsregeln auf eines der drei nach Lauerliste preisgünstigsten Arzneimittel ausgewichen werden. Bei der nächsten Verordnung muss jedoch, falls nun lieferbar, das vertraglich vereinbarte Rabattarzneimittel abgegeben werden.
Jeder erneute Präparatewechsel ("Arzneimittelhopping") verunsichert die Patienten, untergräbt ihre Compliance. Auch jenseits aller Psychologie ist eine solche Abgabepraxis in pharmazeutischer Hinsicht fachlich oft ein Kunstfehler, ein aus ökonomischen Gründen erzwungener Verstoß gegen die Regeln einer "guten Substitutionspraxis". Diese Regeln (GSP = Good Substitution Practice) hat die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft 2002 in einer mehr denn je aktuellen Leitlinie herausgearbeitet (DAZ vom 07.03.2002, S. 129). Danach sind bestimmte Arzneimittelgruppen (z. B. Antiarrhythmika, Antiparkinsonmittel, Antiepileptika etc.) oder auch Darreichungsformen (z. B. Retardarzneimittel und andere Arzneiformen mit gesteuerter Freisetzung) im Hinblick auf eine Substitution (egal ob vom Arzt oder Apotheker veranlasst) als kritisch einzustufen. Dort sollte nur substituiert werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen zur Substitution hin zu rabattbegünstigten Arzneimitteln müssen deshalb modifiziert werden. Ein Weg wäre, dass die Kassen mit den Apothekerverbänden "Zielpreisvereinbarungen" abschließen. Das GKV-WSG macht den Weg dazu frei. Durch Zielpreisvereinbarungen könnte der Apotheker in kritischen Fällen dafür sorgen, dass der Patient sein gewohntes Arzneimittel weiter erhält. Das Einsparungsziel lässt sich – durch entsprechende Substitution in unkritischen Fällen – dennoch erreichen. Die Kassen freilich zögern.
Vielleicht sind sie eher für einen zweiten Weg zu begeistern. Man könnte das akzeptierte Instrument der individuellen Rabattvereinbarungen zwischen einzelnen Kassen und einzelnen Herstellern (§ 130a Abs. 8-Verträge) mit dem "Festzuschuss"-Modell des nordrheinischen KV-Chefs Hansen kombinieren. Danach würden die Kassen im generikafähigen Sektor einen am Wirkstoff und an der Wirkstoffmenge orientierten Festzuschuss zahlen. Der Festzuschuss liegt in einer Höhe, dass der Patient dafür ohne Aufzahlung ein rabattbegünstigtes Arzneimittel erhalten kann. Er bleibt jedoch frei, gegen Aufzahlung "sein bewährtes Arzneimittel" zu bekommen.
Auch auf diesem Weg ließen sich die Gefahren des Arzneimittelhoppings vermeiden. Dass die Kassen hierzu ihre ausgehandelten Vertragspreise offenlegen müssten, hat zusätzliche Vorteile: Es schafft Transparenz und wirkt als Korruptionsprophylaktikum. Durch ihre vom Arzneimittelpreis praktisch abgekoppelte Honorierung könnten sich die Apotheker ganz darauf konzentrieren, dass die Regeln einer guten Substitutionspraxis eingehalten werden. Eine Chance, die man nutzen sollte.
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