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- DAZ 33/2007
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Arzneimittel und Therapie
CCR5-Antagonist
Maraviroc verhindert das Eindringen von HI-Viren in T-Zellen
Maraviroc (vorgesehener Handelsname Selzentry®) hat von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Zulassung zur Kombinationsbehandlung der HIV-Infektion erhalten. Maraviroc ist der erste Vertreter einer neuen Klasse von antiretroviralen Substanzen, der CCR5-Antagonisten. Die Markteinführung in den USA ist für Mitte September 2007 vorgesehen. Auch in Europa läuft ein Zulassungsantrag: Der CHMP hat eine positive Empfehlung ausgesprochen und der Hersteller Pfizer erwartet eine endgültige Entscheidung der Europäischen Kommission in den nächsten Monaten.
CCR5-Antagonisten werden immer in Kombination, vorzugsweise mit zwei nukleosidanalogen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren eingesetzt. Im Idealfall handelt es sich um drei neue Substanzen, mit denen ein Infizierter noch nie zuvor behandelt wurde. Bei vorbehandelten Patienten ist dies nicht immer möglich.
CCR5-Antagonisten gehören zusammen mit den AttachmentInhibitoren, den CXR4-Antagonisten und den Fusionshemmern zur Familie der Entry-Inhibitoren. Im Gegensatz zu den bisherigen antiretroviralen Mitteln wirken CCR5-Antagonisten bereits außerhalb der Zelle. Sie blockieren den CCR5-Rezeptor, der für die Infektion der Zelle notwendig ist. Das HI-Virus benötigt diese Rezeptoren neben dem Hauptrezeptor CD4 als Korezeptor zum Eintritt in eine Wirtszelle. Bei etwa 1% der Bevölkerung ist dieser Rezeptor so mutiert, dass das HI-Virus nicht in die Zelle gelangen kann. Diese Menschen entwickeln nach einer HIV-Infektion keine schwere Immunschwäche. Weitere Substanzen dieser Klasse in der Entwicklung sind Aplaviroc und Vicriviroc. Die Entwicklung der CCR5-Antagonisten ist weiter fortgeschritten als die der CXCR4-Antagonisten. Dies liegt vor allem daran, dass bei der Blockade von CCR5 zumindest theoretisch weniger klinische Konsequenzen zu befürchten sind – Menschen mit einem angeborenen CCR5-Rezeptordefekt sind gesund. Bei CXCR4 ist man sich da nicht so sicher: Im Tierversuch hat die CXCR4-Blockade weitreichende Konsequenzen gehabt.
Maraviroc versperrt zwar dem Virus den Weg zu seiner Eintrittspforte. Allerdings wirkt Maraviroc nur gegen eine gewisse Form der HI-Viren, die CCR5-tropen oder R5-Viren. Bei etwa 20% der Infizierten entstehen Virusvarianten, die auf anderen Wegen in die Zelle gelangen. Gegen Viren, die als Korezeptor CXR4 benutzen, wirkt Maraviroc nicht; auch nicht gegen sogenannte dualtrope Viren, die als Korezeptor sowohl CCR5 als auch CXR4 benutzen können. Vor dem Einsatz von Maraviroc muss deshalb der Korezeptor-Tropismus des Virus bestimmt werden. Da Maraviroc nur R5-trope Viren hemmt, muss vor einer Therapie der Rezeptortropismus bestimmt werden.
Bisher noch keine Resistenzen bekannt
Maraviroc weist keine Kreuzresistenzen zu bisher bekannten Substanzklassen auf und eignet sich auch zur Behandlung von Patienten, die gegen andere Arzneimittel gegen HI-Viren resistent geworden sind.
Bisher sind noch keine Resistenzen von HI-Viren gegen Maraviroc bekannt. Da CCR5-Rezeptorantagonisten kein Virusprotein, sondern ein körpereigenes Eiweiß blockieren, ist zu hoffen, dass Resistenzen unter dieser Therapie seltener auftreten als bei anderen Substanzen, die direkt auf das Virus wirken.
Gefahr von Leberschäden beachten
In klinischen Studien der Phasen III wurden mehr als 1000 Patienten mit über 5000 HIV-RNA-Kopien pro ml Plasma mit Maraviroc in einer Dosis von ein- bis zweimal täglich 300 mg als Bestandteil einer Kombinationstherapie behandelt. Die Patienten waren zuvor mindestens sechs Monate mit Virustatika aus drei Klassen behandelt worden oder hatten resistente Viren.
Maraviroc war gut wirksam und verträglich. Es senkte die Viruslast und erhöhte die T-Zell-Zahlen. Bei Patienten, die den Wirkstoff zu ihrer optimierten antiretroviralen Therapie einnahmen, senkte die Kombinationstherapie plus Maraviroc bei doppelt so vielen HIV-Infizierten die Viruskonzentration unter die 50 HIV-RNA-Kopien pro ml Plasma als die Kombinationstherapie plus Placebo. Nebenwirkungen traten nicht häufiger auf als unter der Placebo und umfassten Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit und Blähungen. Allerdings besteht die Gefahr von Leberschäden. So wurde 2005 eine Phase-III-Studie mit Aplaviroc an therapienaiven Patienten gestoppt, nachdem es zu Lebertoxizität bei einigen Patienten gekommen war. Derzeit scheint es keine Hinweise dafür zu geben, dass alle CCR5-Antagonisten ein hepatotoxisches Potenzial haben, trotzdem wird bei allen CCR5-Antagonisten auf Anzeichen einer Lebertoxizität geachtet.
Abbau über Cytochrom P450
Maraviroc, die andern CCR5-Antagonisten in der Entwicklung, Proteaseinhibitoren und Reverse-Transkriptase-Hemmer werden in der Leber über das Cytochrom-P450-System abgebaut. Daher sind Wechselwirkungen mit anderen Substanzen zu erwarten, die ebenfalls durch Cytochrom P450 verstoffwechselt werden. Das Resultat dieser Wechselwirkungen sind häufig zu hohe oder zu niedrige Blutspiegel von Maraviroc und/oder der anderen Substanz. Zu hohe Blutspiegel führen unter Umständen zu Nebenwirkungen, zu tiefe Blutspiegel zum Verlust der Wirksamkeit.
QuelleInformationen der FDA, April und August 2007.
CHMP empfiehlt die Zulassung von Maraviroc zur Behandlung von vorbehandelten HIV-1 infizierten Patienten mit CCR5-Tropismus. Pressemitteilung der Pfizer Deutschland GmbH vom 19. Juli 2007.
hel
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