DAZ aktuell

Rabattverträge

Kunden verloren Nur langsam gewöhnen sich die Patienten an das Rabattchaos.
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Zwischen Herausforderung und Verzweiflung

SÜSEL (tmb). Die ersten Monate mit den Rabattverträgen sind überstanden. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist weitgehend geklärt, einige Details bleiben offen. Nach dem Ende der Friedenspflicht bei den meisten Krankenversicherungen ist die Umsetzung in jedem Einzelfall unabwendbar. So ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz der Erfahrungen in den Apotheken.

Die ersten Wochen und Monate mit den Rabattverträgen waren geprägt durch die Diskussion über die Verfügbarkeit der Rabattarzneimittel, inzwischen hat sich dieses Problem verringert. Die zweite Runde bei der Umsetzung der Rabattverträge hält dafür andere, nicht weniger schwere Probleme bereit. Mit der besseren Verfügbarkeit nehmen die Apotheken immer mehr unterschiedliche Generika der gleichen Wirkstoffe in ihre Lager. So große Lager sind volkswirtschaftlich unsinnig und werden die Apotheken betriebswirtschaftlich teuer zu stehen kommen, aber sie sind vermutlich billiger als noch mehr Nachlieferungen und Botendienste oder gar der Verlust von Kunden. Das Problem nimmt mit jedem neuen Rabattvertrag eines bisher unbeteiligten Herstellers zu. Außerdem weiß niemand, ob die heutigen Rabattarzneimittel nach den nächsten Rabattverträgen noch gefragt sind. Vorausschauende Einkaufsplanung und die von Politikern geforderte Rationalisierung im Gesundheitswesen werden damit unmöglich.

Die Stimmung in den Apotheken scheint hin und her gerissen zu sein zwischen dem Gefühl, irgendwie mit den neuen Herausforderungen umgehen zu können, und dem Entsetzen über unpraktikable Regelungen, die die heilberufliche Funktion des Apothekers aushöhlen. Dr. Anton Steppeler, Hochrhein-Apotheke Hohentengen, stellt zunehmende Schwierigkeiten durch immer mehr kleine Krankenkassen mit Rabattverträgen fest, die zudem das ganze Programm und nicht nur einzelne Wirkstoffe umfassen. Er beklagt die bürokratische Belastung und noch mehr die Gefährdung der Versorgungssicherheit. Sein Fazit ist: "Niemand interessiert sich für die Patienten." Denn sogar bei Verordnungen von Antibiotika und Analgetika müssen Patienten weggeschickt werden, obwohl der Wirkstoff mehrfach in der richtigen Packungsgröße und Stärke im Lager ist, aber gerade nicht vom jeweils gefragten Hersteller. Eine weitere Gefahr für die Arzneimittelsicherheit zeigt sich bei Patienten, die die Reste alter Packungen zusätzlich einnehmen, weil sie die Umstellung für eine zusätzliche Verordnung halten. Solche Herstellerwechsel können auch durch Verordnungen unterschiedlicher Packungsgrößen ausgelöst werden, wenn nicht alle Größen des Rabattarzneimittels verfügbar sind.

Unterschiede zwischen den Apotheken

Nachfragen der DAZ in verschiedenen Apotheken lassen vermuten, dass kleine Apotheken deutlich stärker als große Apotheken betroffen sind. Wer in einer dörflichen Lage auf die Verordnungsgewohnheiten weniger Ärzte bisher gut eingestellt war, steht nun den Regelungen diverser Krankenkassen gegenüber. Wer dagegen schon vorher ein großes Warenlager hatte, kommt mit der weiteren Ausdehnung eher zurecht, auch wenn sie wirtschaftlich belastet. Direkteinkäufer verschreibungspflichtiger Arzneimittel sind klar im Nachteil. Ein süddeutscher Apotheker mit einem Kommissionierautomaten sieht die Rabattverträge als Herausforderung für die Warenwirtschaftssysteme und berichtet über massive Zunahmen der Großhandelsretouren und schnelle Veränderungen seines Warenlagers. Doch auch bei optimaler technischer Unterstützung bleibe leider im Kundengespräch immer weniger Zeit für die pharmazeutischen Inhalte.

Eine Hamburger Apothekerin ärgert sich besonders über den Verlust von fünf Stammkunden, die ihre gewohnten Arzneimittel nicht mehr erhalten haben und daraufhin abgewandert sind. Einer habe sogar einen bösen Brief geschickt und gefordert, alle seine Daten in der Apotheke zu löschen. Die meisten Patienten seien aber inzwischen darauf vorbereitet, dass es bei einem neuen Apothekenbesuch wieder Überraschungen geben kann. Dies mache die Umsetzung etwas einfacher.

Kommunikative Herausforderung

Ulrich Ströh, Belvedere-Apotheke Kiel, sieht die Rabattverträge als Herausforderung für die Kommunikation: "Die Aufgabe ist schwierig und aufwändig, aber mit kommunikativen Mitteln lösbar." Die Apotheke müsse den Patienten wahrnehmbare Lösungen präsentieren, auch wenn sie dann noch einmal wiederkommen müssten. "Jammern hilft nicht weiter", meint Ströh, aber zugleich sieht er die Apotheke auf dem Weg zur "VAA, zur Vertragsarzneimittelabgabestelle". Damit sei der Apotheker immer weniger freier Heilberufler. Die größten praktischen Herausforderungen sind auch für ihn kleine Krankenkassen, die Verträge mit unterschiedlichen Herstellern haben, sowie der Sonntags- und Notdienst.

Gefährliche Nebenwirkungen

Die Apotheker wissen nicht, wie sehr die Rezepte auf die Goldwaage gelegt und wie weit auch Formfehler retaxiert werden. Die wirtschaftlichen Folgen können daher erst in einem Jahr beurteilt werden. Deutlicher sind dagegen schon heute die pharmazeutischen Konsequenzen. Die Vertragspartner haben offenbar hingenommen, dass die Rabattverträge bedingungslos auch für eilig benötigte Arzneimittel gelten, sofern sie lieferbar sind. Pharmazeutisch begründete Ermessensspielräume sind nicht vorgesehen, sondern juristisch eindeutige Formulierungen. So bleibt die Frage zu beantworten, wer im Einzelfall haftet, wenn ein Patient durch die bewusst verzögerte Belieferung einer Antibiotikaverordnung zu Schaden kommt.

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