- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 35/2007
- Hartz-IV-Empfänger
DAZ aktuell
Hartz-IV-Empfänger
Günstige Praktikanten für Sanicare?
BERLIN (ks). Das ARD-Magazin Report Mainz berichtete am 27. August über Hartz-IV-Empfänger, die im Rahmen von Praktika zu kostenloser Arbeit gezwungen würden. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirkse, verurteilte diese Praxis scharf. Als ein Unternehmen, das von den günstigen Praktikanten profitiert, stellte das Politikmagazin die Versandapotheke Sanicare in Bad Laer vor. Bei Sanicare wehrt man sich gegen diese Vorwürfe.
Nach Informationen des Politikmagazins müssen Bezieher von Arbeitslosengeld II unter Androhung einer Kürzung ihrer Bezüge oft sogar monatelang auf regulären Arbeitsplätzen arbeiten, ohne dafür zusätzlich entlohnt zu werden. "Ich empfinde das als absoluten Skandal, weil hier Menschen im Grunde gezwungen werden, zu Armutslöhnen zu arbeiten und reguläre Arbeitsplätze systematisch ersetzt werden durch Billigst- und Dumpingarbeitsplätze in einer offensichtlich rechtswidrigen Praxis", erklärte hierzu Bsirske. Die gesetzlichen Grundlagen sehen vor, dass Praktika im Regelfall vier bis acht Wochen dauern dürfen, im Ausnahmefall bis zu zwölf Wochen. Report berichtete jedoch von zahlreichen Praktikanten-Verträgen, die eine deutliche Überschreitung dieser Grundlagen zeigen.
Report ließ eine ehemalige Hartz-IV-Praktikantin zu Wort kommen. Sie hatte bei einer Bank gearbeitet – nun nimmt sie bei Sanicare im Call-Center Bestellungen an. Hier, sowie im Lager und im Versand, arbeiten seit November 125 Praktikanten, so Report. Obwohl die interviewte Sanicare-Mitarbeiterin eigenen Angaben zufolge nach einer Woche bereits eingearbeitet war, blieb sie volle drei Monate Praktikantin "zum Nulltarif". Sanicare-Inhaber Johannes Mönter räumt vor der Kamera ein: "Für uns ist es sicherlich ein Gewinn, dass wir Mitarbeiter haben, die wir qualifizieren können, bevor wir anfangen müssen, selber zu bezahlen."
Sanicare sieht sich als Helfer
Die Sanicare-Pressesprecherin bestätigte auf Anfrage der DAZ, dass man mit Arbeitsvermittlungsagenturen zusammenarbeite und auf diese Weise 125 Empfänger von Arbeitslosengeld II zur "betrieblichen Qualifizierung" gewonnen habe. Es habe sich hierbei um schwervermittelbare Personen gehandelt – doch nach dem Ablauf einer "individuellen Förderzeit" von üblicherweise drei Monaten, habe man mittlerweile 81 von ihnen fest angestellt. Für die Sprecherin bleibt der Report-Bericht nicht bei der Wahrheit: "Es geht nicht darum, die Leute ohne Bezahlung malochen zu lassen und dann auf die Straße zu stellen", sagte sie gegenüber der DAZ. Vielmehr beabsichtige Sanicare, diese Menschen in ein festes Arbeitsverhältnis zu bringen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.