Arzneimittel und Therapie

HIV-Therapie

Protease-Hemmer erhöhen geringfügig Herzinfarkt-Risiko

Bald nach der Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie standen insbesondere Protease-Inhibitoren unter dem Verdacht, das kardiovaskuläre Risiko zu erhöhen. Neue Ergebnisse bestätigen diesen Verdacht, aber in sehr geringem Ausmaß.

Durch Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART), deren wesentlicher Stützpfeiler Protease-Hemmer waren und sind, hat sich die HIV-Erkrankung gewandelt von einer tödlichen, schnell verlaufenden Erkrankung zu einer Erkrankung mit eher chronischem Verlauf. Viele Patienten leben mehr als zwei Dekaden mit der Infektion. Schon bald nach Einführung der Therapie kam es jedoch zu Berichten, dass ungewöhnlich viele, auch junge HIV-Patienten einen Herzinfarkt erleiden. Insbesondere die Protease-Hemmer gerieten unter Verdacht. Bekannt ist, dass sie eine Lipodystrophie verursachen können. Inzwischen existieren viele Berichte und Datenerhebungen zum Herzinfarktrisiko von antiretroviralen Arzneimitteln mit teils widersprüchlichen Ergebnissen. Die SMART-Studie (Strategies for management of antiretroviral therapy), in der untersucht wurde, ob eine Unterbrechung der antiretroviralen Therapie den Patienten nutzt, hatte sogar ein geringeres kardiovaskuläres Risiko für die kontinuierliche Gabe der Protease-Hemmer ergeben, allerdings war die Beobachtungszeit insgesamt kurz.

Die DAD-Studiengruppe (Data Collection on Adverse Events of Anti-HIV drugs) hat nun bei 23.437 HIV-Patienten, die mit unterschiedlichen antiretroviralen Arzneimitteln behandelt wurden, das Herzinfarktrisiko bestimmt.

Bei einer mittleren Beobachtungszeit von 4,5 Jahren sind insgesamt 345 Herzinfarkte aufgetreten. Das Risiko war bei HIV-Patienten, die mit einem Protease-Hemmer behandelt wurden, etwas höher als bei Patienten, die mit einem nichtnukleosidischen reversen Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) behandelt wurden. Das jährliche Risiko betrug nach Anpassung an andere kardiovaskuläre Risikofaktoren etwa 1,16 im Vergleich zu 1,05 bei NNRTI.

Verglichen mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren ist die Risikoerhöhung durch Protease-Inhibitoren aber als gering einzustufen. So ergibt sich bereits für den Faktor "männliches Geschlecht" ein Risikofaktor von 1,91, für Rauchen von 2,83 und für ein vorausgegangenes kardiovaskuläres Ereignis ein Risikofaktor von 4,3.

Therapie nicht in Frage gestellt

In der Behandlung einer HIV-Infektion hat die aggressive Therapie eindeutig Priorität vor einer möglichen geringfügigen Erhöhung des kardiovaskulären Risikos. Eine unkontrollierte Virusvermehrung ist weit bedrohlicher als die kardiovaskuläre Risikoerhöhung durch die Therapie. Die Ergebnisse weisen aber darauf hin, dass Langzeitrisiken antiretroviraler Arzneimittel weiter beobachtet werden müssen.

Quelle

The DAD Study Group. Class of antiviral drugs and the risk of myocardial infarction. New Engl J Med 356, 1723-1735 (2007).

Stein JH. Cardiovacular risks of antiretroviral therapy. New Engl J Med 356, 1773-1775 (2007).

Apothekerin Bettina Martini
Die Rolle der Protease-Inhibitoren
für die HAART
Der Begriff hochaktive antiretrovirale Therapie, abgekürzt HAART (highly active anti-retroviral therapy), bezeichnet die 1996 eingeführte Kombinationstherapie aus mindestens drei verschiedenen antiretroviralen Medikamenten. Proteasehemmer sind essenzieller Bestandteil von HAART. Die HIV-Protease spaltet ein virales Polyprotein in seine Untereinheiten. Wird die Protease gehemmt und unterbleibt die proteolytische Aufspaltung, entstehen nicht-infektiöse Viruspartikel. Derzeit gibt es in Deutschland folgende Protease-Inhibitoren auf dem Markt:
  • Tipranavir (Aptivus®)
  • Amprenavir (Agenerase®)
  • Indinavir (Crixivan®)
  • Saquinavir (Invirase 500®)
  • Lopinavir/Ritonavir (Kaletra®)
  • Ritonavir (Norvir®)
  • Darunavir (Prezista®)
  • Atazanavir (Reyataz®)
  • Fosamprenavir (Telzir®)
  • Nelfinavir (Virazept®)

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.