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Studie zur öffentlichen Apotheke
Stärker trommeln!
KÖLN (diz). Die hervorragende Leistung der deutschen Apotheke wird in der Öffentlichkeit nicht richtig gewürdigt. Der Apotheker stellt sich eher wie ein Edelhändler dar denn als Heilberufler. Und: Der Versandhandel wirkt wettbewerbsverzerrend und systemzerstörend. Die Leistungen der Apotheke müssen stärker in das Bewusstsein der Politiker gebracht werden. Hierfür ist es notwendig, dass die Apotheken und ihre Vertretungen Kommunikationsdefizite abbauen. Stärker trommeln und sich mehr einmischen – das ist die Forderung, die Dr. Andreas Kaapke aus der im Auftrag des Apothekerverbands Nordrhein erstellten Studie zur Funktion und Bedeutung der öffentlichen Apotheke ableitet. Wir sprachen mit ihm über Ergebnisse der Studie und wie sie umgesetzt werden könnten.
DAZ Herr Kaapke, Sie haben in einer vom Apothekerverband Nordrhein in Auftrag gegebenen Studie die Funktion und Bedeutung der öffentlichen Apotheke für die Arzneimittelversorgung in Deutschland untersucht. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Kaapke: Die Studie zeigt, dass die öffentliche Apotheke vor allem im Vergleich mit anderen Anbietern im Markt, mit denen sie öfters verglichen wird, Herausragendes leisten muss und leistet. Das Kleinunternehmen Apotheke mit durchschnittlich sechs bis zehn Angestellten muss sich nach zahlreichen Gesetzen richten, diverse Verordnungen berücksichtigen, muss Funktionen erfüllen, wie kaum ein anderer in dieser Republik, ist an 365 Tagen 24 Stunden lang erreichbar. Durch ein ausgeklügeltes System ist sichergestellt, dass man in einem bestimmten Gebiet immer eine dienstbereite Apotheke findet. Alles zusammen eine beachtliche Leistung, die derzeit von dieser Gesellschaft nicht hinreichend gewürdigt wird.
DAZ Woraus leiten Sie ab, dass die Apotheke und ihre Leistung nicht richtig gewürdigt werden?Kaapke: Wenn Sie sich ansehen, welche Gesetze im Gesundheitsbereich in den letzten zehn Jahren verabschiedet wurden und wer mit diesen Gesetzen schwerpunktmäßig immer wieder unter Druck gesetzt wurde, dann waren es vor allem auch die Apotheken. Ein Beispiel: Den Apothekern wurde in der Vergangenheit Preistreiberei vorgeworfen – dabei hielten sie sich nur an die vom Gesetzgeber verabschiedete Arzneimittelpreisverordnung. Dann erfolgte der Paradigmenwechsel mit dem GMG, man führte das Fixhonorar von 8,10 Euro pro abgegebenem Arzneimittel ein. Und viele warfen dem Apotheker noch mehr Unverfrorenheit zu, diesen Betrag pro Packung zu verlangen. Ein weiteres Beispiel sind die Angriffe von Stiftung Warentest gegen die Beratung in Apotheken. Wenn Sie den Auftrag haben, Beispiele zu finden, dass der Service in einer Branche schlecht ist, finden Sie immer Beispiele. Ich meine, unter schwierigsten Bedingungen erbringen die Apotheken mehrheitlich eine höchstprofessionelle Leistung und das sollte von Politik und Gesellschaft stärker gewürdigt werden.
DAZ Weisen die Apotheker nach außen zu wenig auf ihre Leistungen hin? Haben sie eventuell Defizite in der Außendarstellung?Kaapke: Ich glaube, dass die Apotheker und ihre Standesvertreter zwei Fehler machen. Zum einen wirken sie nicht offen für Neues, es wird zu stark an alten Zöpfen festgehalten. Ich würde mir eine wesentlich offenere Diskussion zu vielen Themen wünschen. Man sollte auch mal über unkonventionelle Vorstellungen reden. Hinzu kommt, dass sich die Beiträge aus den Reihen der Apotheker häufig zu sehr isoliert auf ihre Wertschöpfungsstufe beschränken. Hier wäre es hilfreich, dass aus der Apothekerschaft konstruktive Beiträge zum gesamten Gesundheitswesen kommen, selbst wenn man von einer Sache nicht betroffen ist.
DAZ Werfen Sie den Apothekern vor, zu sehr im eigenen Saft zu schmoren?Kaapke: Ich werfe das nicht vor, ich glaube vielmehr, dass die Apotheker in einer Phase sind, in der die Standesvertretung eine wunderbare Chance hat, die bisherigen gedanklichen Strukturen zu durchbrechen. Die Apotheker könnten jetzt ihr ganzes Gewicht einbringen und mit ihrer Wichtigkeit punkten. Die Apotheke ist die letzte Institution, bevor das Arzneimittel in die Hände des Patienten gelangt, sie hat damit eine zentrale Funktion in der Wertschöpfungskette des Gesundheitsbereichs. Die Apotheker sollten viel mehr als bisher der Politik verdeutlichen, welche herausragende Schlüsselposition sie hier einnehmen.
DAZ Fordern Sie die Apotheker auf, sich auch in andere Belange im Gesundheitswesen einzumischen?Kaapke: Unbedingt. Die Apotheke hängt davon ab, dass wir ein Gesundheitswesen haben, in dem auch die Apotheke eine Existenzberechtigung hat. Also muss sie sich auch dazu insgesamt äußern. So sollte die Apotheke häufiger darauf hinweisen, dass beispielsweise auch Fehler von Ärzten in der Apotheke korrigiert werden. Hier sehe ich Kommunikationsdefizite. Der Apotheker wirkt wie ein Edelhändler und nicht wie ein eigenständiger hochprofessioneller Heilberufler. Die Apotheke muss dafür Sorge tragen, dass sie mehr im Kontext Heilberuf und nicht als besserer Drogist gesehen wird.
DAZ In Ihrer Studie beschäftigen Sie sich auch mit der Entwicklung des Versandhandels. Wie beurteilen Sie die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln?Kaapke: Die Genehmigung des Versandhandels durch die Bundesregierung war ein vorauseilender Gehorsam. Eine derartige Novellierung war nicht zwingend notwendig. Darüber hinaus muss man sich fragen, wie die rechtliche Ausgestaltung des Versandhandels zu interpretieren ist. Wir haben strikte Gesetze, unter welchen Bedingungen eine Apotheke von einem Apotheker geführt werden darf. Es ist auch klar geregelt, welche Honorierung der Apotheker bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erhält. Nun stellt man fest, dass die Versandapotheke deutlich weniger dafür leisten muss, aber die gleiche Honorierung bekommt. Das ist für mich ein Eingriff in den Wettbewerb seitens des Gesetzgebers. Das ist nicht in Ordnung, das ist wettbewerbsverzerrend. Hier werden die Präsenzapotheken deutlich schlechter gestellt. Vor diesem Hintergrund hätte der Versandhandel in dieser Form nicht genehmigt werden dürfen.
DAZ Wie könnte man aus Ihrer Sicht diese Ungleichbehandlung korrigieren?Kaapke: Ein möglicher Ansatz wäre, auch den vorgeschriebenen Leistungsumfang der stationären Apotheken zu schmälern. Das würde allerdings der Versorgungsqualität nicht gerecht werden, denn der Gesetzgeber hat sich bei den der Apotheke zugewiesenen Funktionen etwas gedacht, um die Abgabe von Arzneimitteln so sicher wie möglich zu machen. Dieser Ansatz ist somit auszuschließen. Die andere Möglichkeit wäre, über eine Differenzierung der Kalkulation der Leistungen nachzudenken, was kalkulatorisch nur schwer machbar ist. Denn dann müsste man auch andere Leistungen berücksichtigen, beispielsweise den häufigeren Notdienst einer Landapotheke im Vergleich zur Stadtapotheke. Es bleibt also die Forderung, dass sich jede Abgabestelle von Arzneimitteln an der Apothekenbetriebsordnung zu orientieren hat. Nach meiner Auffassung erfüllt dies der Versandhandel zurzeit nicht, also ist er zu verbieten.
DAZ Was müsste denn geschehen, damit die Apotheker besser wahrgenommen werden?Kaapke: Derzeit findet die Öffentlichkeitsarbeit weitgehend über die Verbände und die Kammern statt, orientiert am schwächsten Mitglied. Dies lähmt die Öffentlichkeitsarbeit. Ich glaube, wir brauchen Kooperationen zwischen den Verbänden, auch zwischen Kammern und Verbänden, um Imagekampagnen hervorzubringen, die zeigen, was in Apotheken eigentlich geleistet wird. Es muss stärker getrommelt werden. Es muss von der ABDA allgemein das Bild, der Wert der öffentlichen Apotheke in der Gesellschaft gestärkt werden. Allein diese Studie könnte Grundlage für zahlreiche Pressemeldungen sein, um die Apotheke und ihre Funktionen in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken.
DAZ Derzeit wird die Apotheke durch die Bundesregierung, durch Kartellamt und Medien in eine merkantile Ecke gedrängt. Wenn eine Discount-Billig-Apotheke eröffnet, überschlagen sich die Berichte. Der möglichst billige Preis von OTC-Arzneimitteln steht im Fokus. Haben Sie dieses Thema auch in der Studie angesprochen?Kaapke: Wir veranstalten mit dem Deutschen Apothekerverband und Landesverbänden zur Frage der richtigen OTC-Strategie eine Seminarreihe. Darin äußern wir uns natürlich auch explizit zum Thema Preisführerschaft. Unsere Position dazu: Die Apotheke ist ein Fachgeschäft für Arzneimittel. Ein Fachgeschäft definiert sich immer über ausgewiesene Serviceleistungen und persönliche Beratung, Zusatzinformationen für den Kunden und ähnliches mehr. Das ist kostenintensiv, da hierfür qualifiziertes Personal nötig ist. Vor diesem Hintergrund schließen sich Discountpreise und solche Serviceleistungen aus. Daher muss man auch fragen, ob diese Discountapotheken überhaupt alle Funktionen, wie sie vorgeschrieben sind, in der erforderlichen Qualität erbringen können. Das sollte immer wieder überprüft werden. Denn die Preisspirale wird weiter abwärts gehen. Wohin dies führt, sehen wir bei den Fleischskandalen und in anderen Bereichen. Irgendwann kommt es zu Leistungseinschränkungen in Apotheken, die nicht mehr die Arzneimittel- und Versorgungssicherheit gewährleisten. Das kann nicht im Sinne der Politik und Gesellschaft sein.
DAZ Herr Kaapke, wo sehen Sie in Zukunft die Schwerpunkte der apothekerlichen Rolle?Kaapke: Die Basisfunktion der Apotheke wird auch in Zukunft die rasche Beschaffung und die Abgabe der Arzneimittel sein, eine wichtige Funktion. Hier erbringt die Apotheke in logistischer Hinsicht eine sensationelle Leistung. Darüber hinaus hat die Apotheke eine sogenannte Veredelungsfunktion: sie veredelt die Abgabe eines Arzneimittels. Denn wenn dies tatsächlich so einfach oder unbedeutend wäre, könnte man in der Tat nur Automaten zur Abgabe aufstellen. Aber hier spielt viel mehr mit, nämlich der gesamte Komplex der möglichen Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Interaktionen, die Beratung über die richtige Einnahme und über Dinge, die nicht unbedingt beim Arzt angesprochen werden. Hinzu kommen viele Servicedienstleistungen, die man sonst nirgendwo so bekommt. Allein der einfache Dialog mit dem Patienten über seine Krankheit, über seine Arzneimittel vermittelt das Gefühl, fachmännisch betreut zu werden, aufgehoben zu sein, bei einem niedrigschwelligen Zugang, also ohne Voranmeldung und Termin und ohne Wartezeiten. Das ist eine gesellschaftliche Funktion der Apotheke, die bis heute nicht hinreichend gewürdigt wird.
DAZ Herr Kaapke, vielen Dank für das Gespräch.
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