- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 36/2007
- SSRI in der ...
Arzneimittel und Therapie
SSRI in der Schwangerschaft
Wie hoch ist das teratogene Risiko?
Vor einigen Jahren wies die FDA auf mögliche teratogene Wirkungen der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) hin. Wie hoch ist dieses Risiko tatsächlich? Zwei unlängst publizierte Studien stufen die Gefahr als gering ein.
2005 wiesen die kanadischen und US-amerikanischen Gesundheitsbehörden (Health Canada und FDA) auf mögliche teratogene Wirkungen von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) – insbesondere von Paroxetin – hin. Diese Warnung berief sich auf die Angaben des Herstellers, dass unter der Einnahme von Paroxetin während der ersten Schwangerschaftsmonate vermehrte Fehlbildungen aufgetreten seien. In der Folge wurden Paroxetin-haltige Medikamente mit einem Warnhinweis versehen. Die Behörden wiesen gleichzeitig darauf hin, dass sie das Risiko als relativ gering einschätzen und dass sie von einem abrupten Absetzen der SSRI abraten. In der Folge wurde in mehreren Studien die mögliche Teratogenität von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern untersucht, die Ergebnisse waren allerdings nicht einheitlich. Zwei aktuelle Studien, eine aus Atlanta und eine aus Boston, befassen sich erneut mit dieser Frage.
In beiden Fall-Kontroll-Studien wird eine Beziehung zwischen der mütterlichen Einnahme von SSRIs während dem ersten Schwangerschaftsdrittel und Fehlbildungen der Neugeborenen untersucht. Eine Studie wertet die Daten von 9622 Neugeborenen mit Fehlbildungen, die andere von 9849 betroffenen Babys aus, die jeweiligen Kontrollgruppen umfassten 4092 und 5860 gesunde Neugeborene. Die Mütter der Kinder wurden in standardisierten Interviews zu ihrer Medikamenteneinnahme vor und nach der Schwangerschaft sowie zu anderen potenziellen Risikofaktoren befragt. Die aufgetretenen Fehlbildungen wurden verschiedenen Kategorien zugeteilt und mit der mütterlichen SSRI-Einnahme in Relation gesetzt.
In beiden Studien wiesen die Kinder der Mütter, die selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer eingenommen hatten, ein erhöhtes Risiko für eine Fehlbildung auf; allerdings unterschieden sich Häufigkeit und Art der Fehlbildungen in den beiden Studien. In der in Atlanta durchgeführten Untersuchung wurde ein signifikant erhöhtes Risiko von Craniosynostosen (Verknöcherung der Schädelnähte), Omphalozelen (Nabelschnurbruch) und Anencephalie (Neuralrohrdefekt) festgestellt, das vor allem unter der Einnahme von Paroxetin auffiel. Die Boston-Studie bestätigte diese Risikoerhöhung nicht. In keiner der beiden Studien wurde ein erhöhtes Risiko für kardiale Fehlbildungen festgestellt.
Geringes und nicht genau definierbares Risiko
Aufgrund der vorliegenden Daten kommt ein Kommentator zu dem Schluss, das Risiko für kindliche Fehlbildungen nach einer mütterlichen SSRI-Einnahme während der frühen Schwangerschaft sei zwar vorhanden, aber sehr gering. Zudem könne die Art der Fehlbildung nicht verifiziert werden. Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer könnten weder der Gruppe der Risikostoffe zugeordnet, aber auch nicht als völlig harmlos eingestuft werden. Das mögliche teratogene Risiko sei klein und nicht vergleichbar mit dem von Isotretionin oder Thalidomid. Die geringen Risiken für das Kind durch den Einsatz von SSRIs während der Frühschwangerschaft müssten gegen die Folgen abgewogen werden, die bei einem Rückfall in eine Depression für die Mutter entstehen können.
QuelleLouik C., et al.: First-trimester use of selective serotonin-reuptake inhibitors and the risk of birth defects. N. Engl. J. Med 356, 2675-2683 (2007).
Alwan S., et al.: Use of selective serotonin-reuptake inhibitors in pregnancy and the risk of birth defects. N. Engl. J. Med 356, 2684-2692 (2007).
Greene M.: Teratogenicity of SSRIs – serious concern or much ado about little? N. Engl. J. Med. 356, 2732-2733 (2007).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.