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Wofür uns die Gesellschaft bezahlt

Früher, ganz früher, da war alles viel einfacher. Früher war der Apotheker der Hersteller der Pillen, Pasten und Tinkturen. Für die vorschriftsmäßige Herstellung und Zubereitung der Mittel erhielt er von der Bevölkerung einen mehr oder weniger gerechten Lohn.

Dann kam die Industrie, nahm ihm diese Arbeit ab, entwickelte und produzierte in großem Maßstab die Fertigarzneimittel. Des Apothekers neues Betätigungsfeld war die Beschaffung, Zwischenlagerung und Verteilung der industriellen Fertigprodukte. Er baute mit Hilfe des Großhandels ein auf der Welt vorbildliches und reibungslos funktionierendes logistisches Netz auf für eine allzeit flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln. Das war der Gesellschaft einiges Wert, sie entlohnte den Apotheker in erster Linie dafür, dass er die Arzneimittel vorrätig hielt und über deren sichere Abgabe wachte.

Doch seit etwa 30 Jahren reicht der Bevölkerung diese Tätigkeit allein nicht mehr aus. Spätestens mit der Contergan-Katastrophe, seit Einführung eines Arzneimittelgesetzes, seit man weiß, dass auch vermeintlich sichere Arzneimittel gravierende Nebenwirkungen haben können, wird man sich bewusst, dass zur Abgabe eines Arzneimittels in aller Regel Hinweise gehören, die die Anwendung sicherer machen können. Die Gesellschaft verlangte vom Apotheker mehr und mehr seinen fachmännischen Rat zum Arzneimittel. Und das kostenlos als Zugabe zur Ware dazu. Das sah schließlich auch der Gesetzgeber so. Die Verpflichtung zur Information und Beratung durch den Apotheker wurde in den achtziger Jahren mit nur wenigen Sätzen in die Apothekenbetriebsordnung aufgenommen. Und steht seit dem dort.

Was hat der Apotheker seitdem daraus gemacht? Wird die Information und Beratung gelebt mit allem was dazu gehört? Bis hin zur Diskretion und Vertraulichkeit? Selbstkritisch werden wir dies mit einem klaren Jein beantworten. Es kommt auf die einzelne Apotheke an, auf den einzelnen Apotheker, wie uns auch die zahlreichen Apotheken-Testberichte der letzten Jahre immer wieder zeigten. Manche Apotheken nehmen ihre Beratungstätigkeit ernst, in anderen "beschränkt sich die Beratung auf die Frage, ob man noch eine Tüte haben will", wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vor Kurzem zu diesem Thema schrieb. Bis jetzt fehlt der Ruck, der durch alle Apotheken geht, der Ruck, der allen Apothekern die Augen öffnet und zeigt, dass die Beratung durch den Fachmann Apotheker mittlerweile noch das Einzige ist, was unsere Tätigkeit einzigartig macht. Was die Gesellschaft letztlich von uns erwartet und wofür sie uns bezahlt. Denn viele Tätigkeiten, die mit der Arzneiversorgung zusammenhängen, haben inzwischen andere übernommen (Industrie, Großhandel, Versandhandel) oder könnten es in Kürze übernehmen (z. B. automatische Arzneimittelausgabestellen).

Die Information und Beratung gehört jedoch zum Kernpunkt der apothekerlichen Tätigkeit. Schon bald könnte sich in der Gesellschaft die Ansicht verfestigen: Der Apotheker wird in Zukunft nur noch mit Beratung sein – oder er wird nicht mehr sein.

Dies dürfte auch die Politik so sehen. Ein Anzeichen dafür ist die Bundesratsinitiative des nordrhein-westfälischen Sozialministers Laumann, der sich für die Abschaffung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einsetzen will, aber nur unter der Bedingung, dass die Möglichkeiten für eine vertrauliche Beratung in der Apotheke verbessert werden.

Und auf einer Tagung der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein am vergangenen Wochenende war zu erfahren, dass es bereits Überlegungen in politischen Kreisen gibt, die Beratungsleistungen, die in der Apotheke erbracht werden müssen (wie, was und in welchen Umfang), detaillierter in die Apothekenbetriebsordnung aufzunehmen. Es gibt Äußerungen, wonach das Honorar von 8,10 Euro nur noch dann zur Verfügung stehen soll, wenn auch beraten wird.

Es wird Zeit, dass ein Beratungsruck durch unsere Reihen geht und sich die Einsicht verbreitet: Es könnte sein, dass uns in Zukunft die Gesellschaft, die gesetzliche Krankenversicherung nur noch für unsere Beratungsleistung entlohnt.

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