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Vorgeschmack auf die Zukunft?

In den vergangenen Wochen haben sich aktuell drei Themen in den Vordergrund gedrängt, mit denen wir uns in Zukunft wohl häufiger auseinandersetzen müssen.

Thema Nr. 1 sind schwindelerregend hohe Preise für besonders innovative Arzneimittel. Schon früher dachten wir darüber nach, was wohl wäre, wenn es ein Arzneimittel gäbe, das beispielsweise Krebs heilen könnte, und wenn dieses Arzneimittel immens hohe Behandlungskosten verursachen würde. Könnte das die gesetzliche Krankenkasse für jeden Krebspatienten überhaupt übernehmen? Müssten Kriterien festgelegt werden, welcher Patient behandelt wird, welcher nicht? Oder würde sich der Markt in arm und reich teilen – die Reichen kaufen sich das Mittel, die Armen sterben, weil es die GKV nicht zahlt? Mit der Einführung von Ranibizumab (Lucentis) im Januar dieses Jahres, zugelassen zur Behandlung der feuchten altersbedingten Makuladegeneration (AMD), tastet sich unser Gesundheitswesen an die Frage der Bezahlbarkeit einer Therapie für alle heran. Denn eine Dosis dieses Präparats kostet 1500 Euro, drei, vier oder mehrere Dosen sind für die Behandlung notwendig. Kassen rechnen diese Behandlung mit dem Arzt derzeit nicht ab, da die notwendige EBM-Ziffer der Gebührenordnung fehlt. Das bedeutet, der Patient erhält ein Privatrezept und muss dann versuchen, es von seiner gesetzlichen Krankenkasse erstattet zu bekommen – mit mehr oder weniger Erfolg. Eine weitere Variante in diesem "Spiel": Kassenärztliche Vereinigungen versuchen Ausweichstrategien, in dem sie den Ärzten für die Behandlung der feuchten AMD inklusive Arzneimittel nur einen Betrag von 450 Euro erstatten, was natürlich hinten und vorne nicht reicht. Sie treiben die Ärzte bewusst in Richtung Off-label-Gebrauch des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff Bevacizumab), ein mit dem Ranibizumab vergleichbarer Wirkstoff, der aber nicht zur Behandlung der feuchten AMD zugelassen ist. Eine Dosis Avastin kostet hier nur zwischen 50 und 80 Euro, und das auch nur, weil die Dosis aus einer größeren Einheit gewonnen wird. Auch wenn beide Stoffe VEGF-Hemmer sind und ihre Wirkung am Auge entfalten, so bleibt doch Fakt: Bevacizumab ist nicht für die Behandlung am Auge zugelassen, Bevacizumab ist auch nicht identisch mit Ranibizumab. Aber werden in Zukunft nun wirtschaftliche Vorteile für die Kasse die Ärzte dazu treiben, Wirkstoffe dort einzusetzen, wo sie nicht zugelassen sind? Wofür unterwirft ein Hersteller einen Wirkstoff einem teuren Zulassungsverfahren, um dann später von den Kassen ausgebootet zu werden?

Auf der anderen Seite muss sich natürlich auch der Hersteller Novartis fragen lassen, warum Ranibizumab – eine Weiterentwicklung von Bevacizumab – um soviel teurer ist als dieses. Immerhin scheint Novartis einlenken zu wollen und bietet freiwillig an, die Behandlungskosten mit Lucentis ab dem 25.001. Patienten pro Jahr unbegrenzt zu übernehmen, d. h., die Kassen zahlen die Behandlung nur für 25.000 Patienten. Lesen Sie unseren Beitrag auf Seite 22 dazu.

Zukunftsthema Nr. 2: die elektronische Gesundheitskarte, eines der ehrgeizigsten und größten IT-Projekte weltweit. Aufgrund der technischen Komplexizität, ständig neuer Probleme, insbesondere mit der Datensicherheit, und wegen Uneinigkeit der beteiligten Verbände musste die Einführung immer wieder verschoben werden. Erste Testversuche zeigen, der Teufel steckt im Detail. Wie der Stand der Dinge ist, welche Probleme es gibt, was im Einzelnen auf die Apotheken zukommt, lesen Sie in unserem Titelbeitrag (Seite 46). Vor allem sollten die Apotheken wissen, dass Kosten auf sie zukommen werden (das kann mitunter sogar kleine Umbaumaßnahmen nach sich ziehen), eine Umstellung der Hard- und Software und eine Umstellung von Arbeitsabläufen, angefangen bei der Rezeptbelieferung bis hin zur Rezeptabrechnung. Doch das ist nicht alles. Einen Vorgeschmack auf die Zukunft geben womöglich dann eKioske – elektronische Terminals, die von (ausländischen) Versandapotheken aufgestellt werden. Mit Hilfe dieser Terminals wird der Patient seine Karte, auf der sein elektronisches Rezept gespeichert ist, lesen können. Und er wird ganz einfach die Möglichkeit haben, über dieses Terminal sein Rezept an die Versandapotheke zu schicken, um sich von dort beliefern zu lassen. Um es zu verdeutlichen, ein solches Terminal kann auf der Post, bei dm, an der Tankstelle, an Bahnhöfen oder bei Tchibo stehen – es ist der elektronische Kontakt zur Versandapotheke, die dieses Terminal aufgestellt hat.

Thema Nr. 3: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen Pharmahändler und Apotheker wegen des Vertriebs nicht zugelassener Zytostatika zeigen (siehe unseren Beitrag auf Seite 20), wie schwarze Schafe in unseren Kreisen dazu beitragen, das letzte Vertrauen der Bevölkerung in die deutsche Apotheke zu zerstören. Bisher konnten wir mit Recht behaupten, beim Arzneikauf in der Apotheke ist der Patient vor Fälschungen sicher. Jetzt müssen wir uns sagen lassen, dass Fälschungen nicht mehr nur eine Sache des Internets sind, sondern in der Apotheke um die Ecke angekommen sind. Und alles aus Geldgier.

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