Randnotiz
Bereits Mitte Dezember berichteten wir über die Ankündigung der Sanacorp eG, ihre Geschäftstätigkeit in einer gemeinsamen Tochtergesellschaft mit dem französischen genossenschaftlichen Großhändler CERP Rouen zu vereinen. Seitdem ist es still geworden in Planegg. Auch auf vielfache Nachfragen sind keine substanziellen Einzelheiten zur Fusion zu erfahren. Das heizt die Gerüchteküche an und schafft Raum für Spekulationen.
Bereits aus den wenigen bekannten Eckdaten ergeben sich einige naheliegend erscheinende Konsequenzen. So ist die angekündigte internationale Fusion für eine Apothekergenossenschaft ein absolutes Novum. Bisher hat es solche Verbindungen nur innerhalb Deutschlands gegeben. Die Sanacorp betrachtet die ähnliche Struktur des französischen Partners als einmalige Gelegenheit international zu wachsen, ohne die genossenschaftliche Struktur aufzugeben.
Doch warum ist die Sanacorp so sehr an Wachstum interessiert? Fusionen sollen Synergien schaffen, aber hier wird die Verwaltung durch die neue gemeinsame Tochtergesellschaft vergrößert und der Einkauf dürfte sich nicht ändern, weil deutsche und französische Packungen nicht austauschbar sind. Überzeugender scheint ein Blick in die Geschichte zu sein: Die Sanacorp ist aus der Fusion von Genossenschaften entstanden und verfolgte jahrelang das Ziel, durch Übernahme der Anzag-Mehrheit zu wachsen, was sie im vorigen Jahr aufgeben musste. Fast gleichzeitig überraschte sie mit Plänen für eine Niederlassung in Nordrhein-Westfalen, wo sie bisher nicht tätig war. Das legt die Vermutung nahe, dass die Sanacorp aus ihrem eigenen Kundenkreis heraus nicht das Wachstum generieren kann, das sie sich selbst wünscht. Vielleicht ist Expansion zum Allheilmittel geworden, mit dem auch Schwächen an anderer Stelle kaschiert werden können. Doch was haben die Mitglieder davon, deren Förderung der Geschäftszweck jeder Genossenschaft ist? Welche neuen Risiken stehen den Chancen eines europäisch orientierten Konzeptes gegenüber?
Europäisch denken
Zugleich ist zu fragen, was der nächste Wachstumsschritt einer Sanacorp/CERP sein könnte. Die gemeinsame Tochtergesellschaft soll in einem Drittland gegründet werden, angeblich aus Proporz-Gründen – oder vielleicht eher mit Blick auf die weitere Expansion? Gerüchteweise ist von Italien als möglichem Sitz die Rede. Das Land ist nach Deutschland und Frankreich der nächstgrößte Pharmamarkt auf dem Kontinent und böte mit seiner zersplitterten Großhandelslandschaft zumindest eher Einstiegschancen als viele andere Länder. Wenn das Bekenntnis zur europäischen Positionierung ernst gemeint ist: Was läge näher als ein Engagement in Italien? Doch wie lange könnte eine internationale Wachstumsstrategie als Genossenschaft durchgehalten werden? Immerhin kennt das europäische Gemeinschaftsrecht die Rechtsform der europäischen Genossenschaft (SCE). Wäre dies eine zukunftsfähige Rechtsform? Gibt es unter Europas Apothekern genug Gemeinsamkeiten für eine solche Genossenschaft? Oder wäre der Börsengang für die neue operative Tochter früher oder später unausweichlich? Die börsennotierten Vorzugsaktien der Sanacorp AG könnten als Vorbild dafür dienen und zeigen schon lange, dass das Unternehmen für Mischformen zwischen genossenschaftlichem Ideal und Eigenfinanzierung über die Börse offen ist. Könnte die neue operative Tochter mit der Anzag fusionieren, um den alten Sanacorp-Traum doch noch zu erfüllen? Wären die Genossenschaften irgendwann vielleicht nur noch Anteilseigner eines neuen Big Players auf dem europäischen Großhandelsmarkt?
So gibt es Fragen über Fragen, die vermutlich erheblichen Klärungsbedarf mit den neuen Partnern aus Frankreich auslösen. Das wäre zumindest eine plausible Begründung für das Schweigen der Sanacorp-Spitze gegenüber der Presse. Oder sind sich die Partner doch noch gar nicht so einig, wie es schien?
Die Sanacorp will ihre eigenen Delegierten im März in einer Vertretervorversammlung informieren. Ab März will der Vorstand in dezentralen Informationsveranstaltungen auch den Mitgliedern und Kunden Rede und Antwort stehen. Es wird viel zu fragen geben.
Thomas Müller-Bohn
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