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Deutscher Apothekertag 2007
Arbeitskreis 1
Was können, was wollen und was sollen die Apotheker in unserer Gesellschaft für die Patienten leisten? Moderiert von Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie der ABDA, diskutierten die Teilnehmer diese aktuellen Fragen: Deutlich wurde, dass neben dem Schwerpunkt Information und Beratung der zunehmend älteren Bevölkerung auch die Prävention eine wichtige Rolle spielt. Aber auch die Rezeptur bleibt ein Bestandteil der patientenorientierten Gesundheitsversorgung.
Dr. Erich Schubert, Geschäftsführer des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen aus Würzburg, unterstrich die große Rolle, die die Rezeptur heute immer noch in den dermatologischen Praxen spielt: 3500 Dermatologen verschreiben etwa sechs Millionen Rezepturen pro Jahr in Deutschland. Magistralrezepturen, so Schubert, sind für die Hautärzte ein Zeichen ihrer Zunft, mit dem sich Dermatologen darstellen und abgrenzen von anderen Arztgruppen.
Sie werden von den Patienten gewünscht und akzeptiert und sind auch aus wirtschaftlicher Sicht für den Hautarzt interessant. Für die Apotheken stellt sich das Problem, dass die verordneten Rezepturen teilweise veraltet bzw. qualitativ nicht hochwertig sind. Als Grund hierfür nannte Schubert eine mangelhafte Ausbildung der Studenten im Medizinstudium, dort werde dieser Bereich seiner Meinung nach nicht ausreichend gelehrt. Dermatologen wüssten teilweise nicht einmal, was die Abkürzung NRF bedeutet, geschweige denn dass sie das Neue Rezeptur Formularium benutzen! Haben Hautärzte mit einer Rezeptur gute Erfahrungen gemacht, so blieben sie dabei und verordnen sie weiterhin.
An den meisten Hautkliniken, so Schubert, seien zwar eigene Apotheken vorhanden, doch nehme der Apotheker kaum Einfluss auf die Verordnung. Schubert machte deutlich, dass dies in der Regel nicht am Apotheker, sondern an der mangelnden Dialogbereitschaft der Ärzte liegt. Von den Apothekern wünscht er sich daher ein aktives Zugehen auf die Ärzte. Es sei ihm bewusst, dass viele Kollegen erst einmal ablehnend reagieren würden, doch wenn es beim ersten Gespräch nicht klappe, funktioniere es vielleicht beim zweiten Mal. "Rufen Sie den Arzt an und sagen Sie ihm, dass das, was er verordnet, nichts taugt." Optimal seien hier Qualitätszirkel, in denen Ärzte und Apotheker gemeinsam über auftretende Fehler sprechen können, auf Fehler aufmerksam gemacht werden können und sich austauschen können, was Ärzte von den Apothekern und Apotheker von den Ärzten erwarten.
Qualität wird durch Übung beeinflusst
Kein Apotheker darf eine Rezeptur ablehnen. Jede Apotheke sollte in der Lage sein, Rezepturen anzufertigen, das wurde in der anschließenden Diskussion deutlich. Einzelne Stimmen könnten sich auf Rezepturen spezialisierte Apotheken vorstellen, die Mehrheit im Saal sprach sich aber eindeutig dafür aus, dass jede Apotheke eine dermatologische Rezeptur anfertigen könne müsse. In der kontrovers geführten Diskussion war es Konsens, dass man auf Rezepturen in der Apotheke auch künftig nicht verzichten will und kann. Ein entsprechender Antrag, in dem die Hauptversammlung den Verordnungsgeber auffordert, bei der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung daran festzuhalten, dass Rezepturen grundsätzlich in jeder Apotheke hergestellt werden müssen, zeigte dies sehr deutlich. Es wurde allerdings auch klar, dass man sich mehr Unterstützung bei der Rezepturumsetzung, z. B. durch aktuell gehaltene Rezepturvorschriften und Standardrezepturen wünscht. Um sich mit Magistralrezepturen positiv von anderen Vertriebswegen wie Versandapotheken, Rezeptsammelstellen oder Arzneimittel-pick-up-Stationen abzuheben, ist es ein Muss, regelmäßig die Qualität der hergestellten Rezepturen zu überprüfen – flächendeckend und durch externe und unabhängige Prüfer. Dokumentieren, validieren und kontrollieren nach dem Vier-Augen-Prinzip sollte eine Selbstverständlichkeit werden. Dies sei notwendig, da die bisherigen Untersuchungen durch das ZL häufig Versäumnisse und Qualitätsmängel aufgezeigt haben.
Versorgungsverantwortung für Apotheker?
Für Karin Graf, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, ist es durchaus vorstellbar, dass der Apotheker in Zukunft mehr Verantwortung im Bereich der Prävention übernimmt. Denn der Apothekerberuf wandelt sich: Arzneimittel bereit zu stellen und abzugeben ist nur ein Teil der pharmazeutischen Aufgaben. Die Entwicklung gehe zunehmend weg von logistischen Vorgängen hin zur Bedürfnisbefriedigung der Patienten: Plausibilitätskontrolle der Verordnung, Aufdecken von therapierelevanten Kontraindikationen, Erklären individueller Dosierungsangaben. "Die Ärzte werden sich schon daran gewöhnen, dass es kein Vorstoß in ihr Gebiet ist", so Graf. Dass für zusätzliche Leistungen auf dem Gebiet der Prävention das Honorar von 5,80 Euro nicht ausreichen kann, ist für sie selbstverständlich. Es werde an Vorschlägen gearbeitet, den zusätzlichen Beratungsaufwand kostendeckend zu honorieren. Die Zeit sei auch reif, dass sich der Apotheker aktiv ins Therapiemanagement einbringt. Vorstellbar ist beispielsweise, dass der Apotheker eine Rolle spielt bei der Ausstellung von Wiederholungsrezepten. Die Apotheker seien durchaus dafür ausgebildet, hier stärkere Verantwortung zu übernehmen, eventuell nach vorausgegangenen zusätzlichen Schulungen. Widerstand von Seiten der Ärzte sei in Zukunft kaum zu befürchten. Denn mit Einführung des neuen EBM im Jahr 2008 sei es für einen Arzt nicht mehr lukrativ, einen Patienten wegen der Abholung eines Wiederholungsrezeptes in die Praxis zu bestellen.
Graf forderte auch, die Apotheker stärker in die Prävention einzubinden. Sie böten bereits heute eine Reihe von standardisierten Leistungen der Vorsorge und Prävention an. Ein entsprechender Leitantrag, der die Verankerung des Berufsstands im Präventionsgesetz fordert, wurde von der Hauptversammlung mit großer Zustimmung verabschiedet.
Arzneimittelversorgung in der Palliativmedizin
Die Probleme, die sich aus dem demographischen Wandel und der immer älter werdenden Gesellschaft ergeben, sprach Apotheker Dr. Michael Jensen von der Apothekerkammer Niedersachsen, Hildesheim, an. In der Zukunft muss sich unsere Gesellschaft daran messen lassen, wie sie für ältere multimorbide Menschen sorgt.
Dass die Politik ständig fragt, welchen Beitrag die Apotheker leisten können und wollen, erstaunt Jensen immer wieder aufs Neue. Offensichtlich sind aktive Politiker zu jung und gesund, um schon am eigenen Leib zu erfahren, was in der Apotheke bei der Versorgung älterer und multimorbider Patienten Tag für Tag geleistet wird, so sein Fazit.
Neben den Themen, die bei Älteren besonders wichtig sind wie Fragen der Ernährung, Erkrankungen wie Osteoporose, Inkontinenz oder Demenz sei ganz besonders die Compliance ein entscheidender Faktor, den der Apotheker positiv beeinflussen könne. Zum einen durch die Zeit und die Aufmerksamkeit, die der Apotheker dem Patienten schenkt. Zum anderen sind Jensen zufolge auch die Älteren zunehmend sehr gut informiert: Sie fragen nach und suchen eine Bestätigung für die Therapieentscheidung des Arztes durch einen zweiten Fachmann.
Dem Apotheker komme die große Verantwortung zu, den Arzt in seiner Therapie zu unterstützen und über die gesamte Dauer der Therapie die Compliance der Patienten zu stärken. Möglich werde das aber nur, wenn die Apotheker über die Therapieentscheidung informiert sind. Arzt und Apotheker müssen mit einer Zunge sprechen, fordert Jensen, und das erfordere eine gute vertrauensvolle Kommunikation zwischen den verschiedenen Heilberuflern.
Einen besonders achtsamen Umgang forderte Jensen mit Patienten an ihrem Lebensende ein: In diesem Zeitraum gelte es nicht nur den Bereich der Palliativmedizin auszubauen, sondern eine Palliativpharmazie zu etablieren. Es werden sehr viele Arzneimittel in diesem Lebensabschnitt notwendig, die mit ihren positiven Wirkungen, aber auch vielen Neben- und Wechselwirkung dem Patienten das Leben nicht um jeden Preis verlängern sollten. Jensens Wunsch: Mit einer Palliativpharmazie die Lebensqualität möglichst lange möglichst hoch zu erhalten.
Dass Apotheker einen wichtigen Beitrag in der Palliativmedizin leisten können, zeigte auch ein Antrag der Hauptversammlung, der die ABDA aufforderte, den Kontakt mit Behörden, Organisationen, Selbsthilfegruppen und Strukturen im Themenfeld Palliativmedizin zu suchen, um die Rolle des Apothekers im palliativen Netzwerk zu sichern.
Schwerpunkt: Klinische Pharmazie
Die Vielfalt der Aufgaben des Apothekers für den Patienten und die Gesellschaft könne nur erfüllt werden, wenn im Studium die entsprechenden Grundlagen gelegt werden: Sina Heintz, Präsidentin des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) e. V., machte in ihrem Referat deutlich, dass besonders das Fach Klinische Pharmazie dringend gestärkt werden müsse. Es fehle an vielen Universitäten an Professuren und adäquater Umsetzung der Inhalte. Hier gebe es noch dringenden Nachholbedarf! ck
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