Glosse
Wir schreiben das Jahr 2017. Heinz-Günter Wolf hält ein Einladungsschreiben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zu einem Festvortrag in Händen. Er soll noch einmal die einschneidenden Veränderungen Revue passieren lassen, die durch den inzwischen historisch bedeutendsten Apothekertag aller Zeiten im September 2007 in Düsseldorf unter seiner Ägide als ABDA-Präsident eingeleitet worden waren.
Wenn er zurückdenkt, bekommt er immer noch eine Gänsehaut. Was stand alles auf dem Spiel! Der drohende Fall des Fremdbesitzverbotes, übermächtige Konzerne, die gierig nach dem drittgrößten Arzneimittelmarkt der Welt trachteten, Versand- und Internethandel, Apotheker, die ihr Heil in Kooperationen und Discount-Apotheken suchten ...
Alles sah danach aus, als hätte die inhabergeführte Präsenzapotheke ausgedient, wenn, ja wenn nicht ein Wunder geschehen würde. Zwar hatte sich die Bundesregierung in einer sehnlichst erwarteten Stellungnahme ganz klar für den Erhalt des Fremdbesitzverbotes ausgesprochen. Doch dass der Europäische Gerichtshof der Argumentation folgen würde, wie dann Ende 2008 geschehen, daran wollte damals fast niemand mehr glauben.
Die größte Sorge bereitete Wolf damals jedoch der massive Vorstoß einer Drogeriemarktkette, die sich erdreistet hatte, in ihren Märkten die Rezepte mit Hilfe einer niederländischen Versandapotheke zu beliefern. Immerhin hatten einige Politiker der nordrhein-westfälischen Landesregierung erkannt, was für ein Fass mit der Versandhandelserlaubnis verschreibungspflichtiger Arzneimittel aufgemacht worden war. Sie wollten den Versand rezeptpflichtiger Arzneimittel wieder unterbinden. Aber der Ruf nach einem Verbot aus nur einem Bundesland war zu wenig.
Schon im Vorfeld des legendären Apothekertages 2007 hatten Wolf und seine Mitstreiter in nicht zu zählenden Gesprächen mit Volksvertretern aller Parteien auf allen Ebenen auf die Gefahren des Versand- und Internethandels hingewiesen. Sie hatten düstere Bilder von Arzneimittelfälschungen, falschen Belieferungen und Versorgungslücken in ländlichen Gebieten an die Wand gemalt, nie die Hoffnung aufgebend, irgendwo doch auf offene Ohren zu stoßen.
Und dann dieser Apothekertag 2007 in Düsseldorf! Vertreter (fast) aller Parteien geißelten den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und gelobten, sich für eine Lösung des Problems einzusetzen. Warum es damals nicht nur bei wortreichen Bekundungen geblieben ist und der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schon 2008 gesetzlich verboten wurde, das kann auch Wolf nicht so ohne Weiteres erklären.
Und dann noch diese Steilvorlage, die ein anwesender Hautarzt den Apothekern ebenfalls auf dem sagenumwobenen Apothekertag 2007 gegeben hatte: Ärzte würden in Zukunft wegen fehlender Abrechnungsmöglichkeiten nicht mehr daran interessiert sein, Patienten für Wiederholungsrezepte in ihre Praxen einzubestellen. Sie hätten sicher nichts dagegen, wenn Apotheker diese Aufgabe übernehmen würden.
Die ABDA und die gesamte Apothekerschaft waren sofort hellwach! Alle Kräfte wurden mobilisiert und die Öffentlichkeit und Politik gleichermaßen mit einer nie da gewesenen Qualitätsoffensive davon überzeugt, dass Versorgungsverordnungen in den Händen von Apothekerinnen und Apothekern am besten aufgehoben sind, ganz nach dem Motto des Deutschen Apothekertages 2007 "Apotheke: Gesundheit in besten Händen".
Auch die Versandhändler hätten sich gerne an den Versorgungsverordnungen beteiligt. Doch mit dem Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel waren diese Begehrlichkeiten ganz schnell vom Tisch.
Heute ist es an der Tagesordnung, dass der Arzt mit der Verschreibung gleichzeitig die Therapiedauer festlegt. Der Apotheker führt dann nach einem intensiven Beratungsgespräch mit dem Patienten und oft auch einem Angehörigen die Wiederholungsverordnung durch.
Welche Probleme dabei entdeckt und gelöst werden, das wird von den Apothekern mit ungeheurem Eifer dokumentiert und an ein eigens dafür geschaffenes apothekereigenes Institut zur Auswertung weitergeleitet. Erst letzte Woche konnte wieder eine beeindruckende Studie zur Optimierung der Arzneimittelversorgung multimorbider Typ-2-Diabetiker durch pharmazeutische Folgeberatung veröffentlicht werden.
Wolf ist glücklich! Seine Rechnung ist aufgegangen! Die Zukunft der Pharmazie war pharmazeutisch entschieden worden! Doch genug geträumt, der Seniorenverband Unterelbe ruft. Hier engagiert sich Wolf in vorbildlicher Weise, ganz im Sinne der Initiative Apotheker 60plus, die ihre Wurzeln auch in einem Antrag des Deutschen Apothekertages 2007 hat.
Doris Uhl
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