Kommentar
Rabattverträge: Nachjustierung notwendig
Trouble ohne Ende? Immer noch laufen die Rabattverträge nicht wirklich rund. Trotz der guten Hilfen über die Apotheken-EDV. Und obwohl die Apotheken fulminanten Einsatz zeigen. Obwohl sie den Patienten selbst das erklären, was kaum und nur unter hohem Zeitaufwand verständlich zu machen ist.
Grundsätzlich – so hat die ABDA signalisiert – haben die Apotheker nichts gegen die Rabattverträge. Nach § 130a Abs. 8, der so durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ins SGB V kam, dürfen Krankenkassen mit Herstellern Rabattverträge abschließen. Sie erreichen damit, dass ihre Versicherten zu besonders günstigen Preisen mit Arzneimitteln versorgt werden. Wie günstig die Preise wirklich sind, bleibt zwar im Dunklen (siehe Kommentar "Im Dunkeln munkeln", S. 70). Aber immerhin: Die Rabattverträge initiieren einen Preiswettbewerb auf der richtigen Ebene – zwischen den Herstellern, dort wo die Preise frei gebildet werden. Auf der Patientenebene gibt es weiterhin für ein Produkt einheitliche Preise. Das ist gut so. Wem – z. B. krankheitsbedingt – die Zeit oder auch die Cleverness fehlt, billigen Einkaufsmöglichkeiten nachzujagen, wird so nicht benachteiligt.
Im Detail sollten jedoch einige Stellschrauben nachjustiert werden. Das sollte geschehen, bevor die zweite Welle von Rabattverträgen anrollt – mit der neuerlichen Notwendigkeit, die Patienten mit neuen, präferierten Präparaten vertraut zu machen. Durch Nachjustieren könnten schwer erträgliche Schwächen ausgebügelt werden. Die Akzeptanz der Rabattverträge bei Patienten, Ärzten und Apothekern ließe sich erhöhen.
An drei Stellen sollte nicht mehr so weitergewurstelt werden wie bisher:
1. Die Kassen sollten nur noch Verträge mit Herstellern schließen, die auch wirklich in der Lage sind, die Nachfrage zu bedienen. In der Erwartung, so auch potente Unternehmen ins Boot zwingen zu können, hatte die AOK in der ersten Vertragsrunde Engpässe riskiert. Der Machtkampf mit den größeren Generikaherstellern wurde dadurch auf dem Rücken der Mitglieder ausgetragen. Ohne die flexiblen, sachverständigen Reaktionen der Apotheken, die sogar Regresse riskierten, hätte die AOK heute ein Desaster aufzuarbeiten.
2. Wir brauchen in den Apotheken die Möglichkeit, in bestimmten, klar begrenzten Ausnahmefällen ohne Regressbedrohung auf eine Präparateumstellung zu verzichten. Immer wieder kommt es vor, dass wir in die Augen total verunsicherter Patienten schauen, die wir sehenden Auges mit großer Sicherheit in die In-Compliance treiben würden, wenn wir eine Präparateumstellung erzwingen.
3. Ebenso unerfreulich ist, dass wir, wenn wir den Rabattverträgen strikt folgen, immer wieder gegen wichtige Prinzipien einer guten Substitutionspraxis verstoßen müssen. (vgl. die GSP-Leitlinie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, abgedruckt in
DAZ 2002, Nr. 10, S. 129). Eine Umstellung zwischen therapeutisch nicht äquivalenten Arzneimitteln ist – ohne ärztliche Neueinstellung – ein Kunstfehler. Auf eine Umstellung von Antiarrhythmika und Antiepileptika mit modifizierter Freisetzung sollte z. B. in der Regel verzichtet werden. Der Apotheker müsse die Hoheit über die Galenik zurückbekommen – so hat eine Berliner Delegierte in Düsseldorf völlig zu Recht gefordert.
Zur Vermeidung von Compliance- und Äquivalenzproblemen wäre eine Joker- oder Quotenregelung sinnvoll, wie sie in der Rede von ABDA-Hauptgeschäftsführer Seitz versteckt anklang. Danach dürfte die Apotheke z. B. in bis zu 20% der Fälle, in denen Rabattvertragsarzneimittel eigentlich zwingend zur Abgabe anstehen, darauf verzichten, den Patienten auf ein ungewohntes Arzneimittel umzustellen. Eine solche Lockerung würde – ohne dass man von den Rabattverträgen abrücken müsste – die Situation deutlich entspannen.
Das gilt auch, wenn es anstelle der Rabattverträge wirklich verbreitet zu Zielpreisvereinbarungen käme, die das Gesetz als Möglichkeit schon vorsieht. Vertragspartner wären dort Kassen und Apothekerverbände. Die Ärzte müssten unter den generischen Namen verordnen, ergänzt durch Stärke und Darreichungsform. Wenn z. B. Arzneimittel mit Preisen zwischen 20 und 30 Euro zur Auswahl stünden, wenn ferner bisher die Kassen in dem Segment durchschnittlich 26 Euro zu bezahlen hätten, könnte die Zielpreisvereinbarung lauten: Wir geben im nächsten Jahr so ab, dass die Kassen im Durchschnitt nur noch 24 Euro zu erstatten haben. Im Einzelfall gibt uns das die Flexibilität, mal ein teureres, mal ein niedrigpreisigeres Arzneimittel abzugeben.
Klaus G. Brauer
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