Kommentar
Nur wer nicht kämpft, hat schon verloren
Ob "Unabhängigkeitserklärungen" oder die Gründung der Initiative für Unabhängige Heilberufe: Immer mehr Apothekerinnen und Apotheker wehren sich aktiv dagegen, in Ketten gelegt und in Abhängigkeiten gestoßen zu werden. Während Celesio/Gehe/DocMorris samt ihrem saarländischen Steigbügelhalter immer noch – aber mit zunehmend geringerem Erfolg – die Unabwendbarkeit des Falls des Fremdbesitzverbotes zu suggerieren versuchen, wächst die muntere Schar derer, die offensiv für den Erhalt unabhängiger, selbstbestimmter und heilberuflich orientierter Apotheken eintreten. Dabei sind die Koalitionen und Bündnisse erfrischend bunt: Ob "gesine", ein unabhängiger Zusammenschluss selbstständiger Apotheker und niedergelassenener Ärzte, oder der eher linke Verband demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) oder die neue Initiative für Unabhängige Heilberufe – sie alle (und noch viel mehr) zeigten in Düsseldorf Flagge. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mit ihren Aktionen und Aufrufen an die Öffentlichkeit treten, um einen Systemwechsel bei der wohnortnahen und unabhängigen Arzneimittelversorgung zu verhindern. Ihre Botschaft: Die Auseinandersetzung, die wir zurzeit für die inhabergeführte und unabhängige Apotheke führen, steht pars pro toto für die Beibehaltung eines freien und heilberuflich ausgerichteten Gesundheitswesens insgesamt. Eine sichere, ortsnahe Versorgung von Patienten ist auch in Zukunft am besten durch unabhängige Heilberufe zu gewährleisten, die frei von fach- und sachfremden Weisungen renditeorientierter Kapitalgesellschaften für ihre Patienten tätig werden können.
Wenn der Europäische Gerichtshof im nächsten Jahr über die Zukunft des Fremd- und Mehrbesitzverbotes zu entscheiden hat, wird er sich mit diesem patientenorientierten Grundansatz auseinanderzusetzen haben. Und die Chancen, dass er dabei die gemeinschaftsrechtliche Tragfähigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbotes anerkennt, stehen nicht schlecht: Nur ein Zehntel der Apotheken Europas sind verkettet. Das "Apothekenmodell Deutschland" ist alles andere als ein exotisches Auslaufmodell, sondern - die Demographie lässt grüßen – richtungsweisend für eine sichere und ortsnahe Arzneimittelversorgung der Zukunft. Auch die Bundesregierung hat dies in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Gerichtshof noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht. Und rechtlich entspricht das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot ohnehin der "herrschenden Lehre" in Europa. Es gilt nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich, Österreich und vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten.
Dies alles wird auf Dauer auch unseren Politikern (und Richtern) nicht verborgen bleiben - die Grußworte der Vertreter von CDU/CSU, SPD, Linke und FDP zur Eröffnung des Apothekertages haben dies unterstrichen. Es gibt keinen Anlass, ihnen zu misstrauen. Bis sich die richtigen Argumente durchsetzen, bedarf es Überzeugungskraft – und Zeit. Ob sie uns noch reichen kann? Ich denke ja. Heute ist die größte Gefahr, dass wir selbst auf die Leimruten tappen, die die Oesterles und Heckens ausgelegt haben. Noch ist nichts entschieden. Daran ändern weder gebetsmühlenartig vorgetragene Statements noch interessengeleitete Kaffeesatzlesereien etwas – gleichgültig, ob sie (erstaunlich deckungsgleich) aus der Stuttgarter Konzernzentrale, der Saarbrücker Staatskanzlei oder Frankfurter Wirtschaftsredaktionen kommen. Zu Resignation, das hat auch Düsseldorf gezeigt, besteht kein Anlass. Nur wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Christian Rotta
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.