Kommentar
Im Elfenbeinturm
Es war nicht nur mein Eindruck: Der große Versammlungssaal, dort, wo die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker tagte, glich einem Elfenbeinturm – alles harmonisch, die Zukunft wird pharmazeutisch entschieden, wir kümmern uns um unsere Patienten und Kunden, wir engagieren uns für Verbraucherschutz und Sicherheit und wir rufen zum Malwettbewerb auf, wer den schönsten Vorschlag macht für eine hübschere Approbationsurkunde.
Aber draußen, auf der Messe, und draußen, im wirklichen Leben, da werden die harten Themen diskutiert, da bläst uns der kalte Wind des Wettbewerbs und des Existenzkampfs entgegen – die Apotheke zwischen dm und DocMorris, eCard und Kostenlawine, Verblisterung und Kommissionierer, Imagekampagnen und Zytostatikafälschungen.
Hart gefragt: War der Apothekertag mit seinen Themen und Diskussionen eigentlich nah genug an der Realität? Zwar fielen auch die Worte Rabattverträge und Mehrwertsteuersenkung, Versandhandel und Fremdbesitz – eingebracht über Anträge – in der Hauptversammlung, aber Gedanken und Diskussionen dazu erfolgten eher zufällig bis gar nicht. Denn es ist eine Frage der Aufgewecktheit der Delegierten, ob die in den Anträgen ansatzweise versteckten Probleme ihrer Bedeutung entsprechend aufgegriffen und in der Hauptversammlung behandelt werden. Oft fielen sie einer gewissen Diskussionsmüdigkeit oder den mainzerischen Eskapaden eines karnevalistisch begabten Versammlungsleiters zum Opfer.
Mir ist natürlich auch bewusst, dass man nie alle Themen, die anstehen, in anderthalb bis zwei Tagen unterbringt. Aber vielleicht sollte man sich dann auch Gedanken darüber machen, wie man die Struktur des Apothekertags aufpolieren kann, um besser auf aktuelle Fragen reagieren zu können. So könnten statt zweier starr vorgegebener Arbeitskreise, die bisweilen eher einer Fortbildungsveranstaltung denn einer politischen Auseinandersetzung glichen, mehrere Impulsreferate zu aktuellen Fragestellungen gehalten werden mit anschließender Diskussion. Gerne hätte nicht nur ich gewusst, welche Meinung die Hauptversammlung zu Fragen und Problemen mit der elektronischen Gesundheitskarte hat. Oder: Wie werden die Aktivitäten in Richtung Verblisterung gesehen? Was ist in Richtung Öffentlichkeitsarbeit und Imageverbesserung der Apotheke geplant? Wie begegnen wir den Bedrohungen durch die Drogeriemärkte? Was ist, wenn der EuGH tatsächlich so entscheidet, wie es sich nur Celesio wünscht? Wie sieht man das Vorhaben, die Diamorphinabgabe an der Apotheke vorbei zu organisieren? Viele offene Fragen.
Es fehlte was in diesem Jahr. Und wie in jedem Jahr auch ein Überblick darüber, was aus den Anträgen des letzten Jahres wurde. Besteht eigentlich kein öffentliches Interesse daran, zu erfahren, mit welchem Erfolg man die Beschlüsse des Vorjahres umgesetzt hat? Was haben die Ausschüsse aus den Anträgen gemacht? Was muss weiter verfolgt werden? Was nützt es, in zum Teil akribischer Kleinarbeit Anträge zu verabschieden, über die man dann öffentlich nichts mehr erfährt.
Der Apothekertag, eine Hauptversammlung im Elfenbeinturm? – Ganz von der Hand weisen lässt sich das nicht. Vielleicht täte der Hauptversammlung nächstes Jahr eine Frischzellenkur ganz gut.
Peter Ditzel
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